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Vergessene TochterEngelskirchener Ausstellung erinnert an Felicitas P. Berg

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Gehoben wurde der Schatz von Heike Bänsch, Achim Lahr, Detlev Weigand, Manuele Klein und Renate Seinsch (v.l.).

Gehoben wurde der Schatz von Heike Bänsch, Achim Lahr, Detlev Weigand, Manuele Klein und Renate Seinsch (v.l.).

Engelskirchen – Die roten Farbflächen auf dem Bürgersteig an der Märkischen Straße sind noch nichtverschwunden. Ebenfalls Bestand hat noch ein anderer Teil der großen Engelskirchener Aktion, mit der Ende September anlässlich des Friedrich-Engels-Jubiläums das geistige Erbe des einflussreichen Theoretikers mit künstlerischen Mitteln gewürdigt wurde. Bis 16. Oktober sind in der Villa Braunswerth Kunstwerke von Felicitas P. Berg zu sehen.

Felicitas wer? Wenn Friedrich Engels ein berühmter Sohn der Gemeinde ist, darf man Felicitas Berg (1911–1999) getrost als vergessene Tochter bezeichnen. Auch Kennern der örtlichen Kunstszene ist Person und Werk der gebürtigen Ostpreußin, die den Großteil ihres Lebens in Engelskirchen verbracht hat, zeitlebens verborgen geblieben. Dabei zeigen einige der Arbeiten, die derzeit in den Fluren der Villa hängen, dass die Autodidaktin von Mitte der 1970er Jahre an ein durchaus eigenständiges und originelles Werk auf der Höhe der Zeit geschaffen hat. Dass es nun eine Würdigung erfährt, verdankt sich erstaunlichen Zufällen.

Die Retrospektive versucht einem Phantom Konturen zu geben. Alles begann damit, dass der Engelsart-Aktivistin Renate Seinsch ein Konvolut von Werken aus dem Nachlass eines Engelskirchener Kunstfreundes überlassen wurde. Eine Frau namens „Fee“ Berg war wiederum Dr. Kristin Kunze bekannt, zumindest indirekt: Bergs Tochter Gabriele hat einst einen der Clown-Workshops von Kunze besucht. Mit der Schauspielerin Heike Bänsch und dem Oberstaater Künstlerpaar Manuele Klein und Detlev Weigand kamen weitere Engelskirchener dazu, die Arbeiten von Felicitas Berg zufällig in die Hand bekommen hatten.

Multimediales Material für Performances

Nicht immer lassen sich die Werke zweifelsfrei der mysteriösen Künstlerin zuschreiben, dennoch zeichnet sich deutlich ab, wie groß die Bandbreite der Kunst von Felicitas Berg war. Dazu gehören nicht nur Bilder und Fotografien, sondern auch experimentelle Musikaufnahmen und Entwürfe für Lautgedichtperformances.

Das Material eignete sich perfekt als Anregung für die genreübergreifende Zusammenarbeit der oberbergischen Künstler, die daraus eigene Performancebeiträge für das Kunstfestival entwickelten. Beteiligt waren neben den genannten auch Achim Lahr und Kiane l’Azin. Konzeptionell zusammengehalten wurde das Projekt von dem Berliner Performancekünstlerpaar Kattrin Deufert und Thomas Plischke, das das NRW-Kultursekretariat vermittelte.

Felicitas Paulina Berg war gelernte Bibliothekarin. 1945 kam sie mit ihren beiden Kindern als Vertriebene nach Engelskirchen. 1949 erfuhr sie, dass ihr Mann gefallen war. Die alleinerziehende Geflüchtete lebte zunächst im Engelskirchener Zentrum, später in Loope, von 1970 an zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Gisela Vogelsänger, neben der sie 1999 in einem Friedwald bei Köln bestattet wurde. Die beiden Frauen arbeiteten auch künstlerisch zusammen. Im langen Flur der Engelsvilla sind Notizen und Zeichnungen aus Bergs Jugendzeit bis hin zu ihrem letzten Selbstporträt ausgestellt. Gern nutzte Berg Stoff als Material, etwa bei bemalten und mit Kurztexten bedruckten Leinenbahnen.

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Die Arbeit mit dem Nachlass fanden die beteiligten Künstler so inspirierend, dass sie sie fortsetzen möchten. Die Malerin Renate Seinsch sagt: „Ich identifiziere mich mit dieser Frau.“ Die Schauspielerin Heike Bänsch fügt hinzu: „Ich finde es tröstlich, dass diese Frau Spuren hinterlassen hat und ihre Gedanken Bestand haben.“

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