WiehlHaus der frühen Hilfen betreut Kinder, die ganz besonders unter Lockdown leiden

Lesezeit 3 Minuten
Spielen als Therapie: Die Motopädin Heike Strombach arbeitet mit einem dreijährigen Jungen an dessen Feinmotorik.

Spielen als Therapie: Die Motopädin Heike Strombach arbeitet mit einem dreijährigen Jungen an dessen Feinmotorik.

Oberbantenberg – Die zweieinhalbjährige Merle hat sichtlich Spaß, als sie mit Physiotherapeutin Kerstin Gehlhaar allerhand verschiedene Dinge versteckt und wiederfindet. Dass sie dabei ihre Körperwahrnehmung trainiert, ist ihr nicht bewusst. Braucht es auch nicht. „Ich bin so froh, dass meine Tochter hier her kommen kann. Gerade weil so vieles zur Zeit nicht möglich ist“, sagt ihre Mutter. Auch ein dreijährige Junge ahnt nicht, dass er seine Feinmotorik trainiert, als er mit Motopädin Heike Strombach kleine Papierknubbel in sein Müllauto befördert. Er genießt einfach diese „Spielstunde“ im Haus früher Hilfen in Wiehl-Oberbantenberg.

„Für viele Kinder ist es das Highlight der Woche“, weiß Susanne Dohlscheid, Sprachtherapeutin und stellvertretende Leiterin der Einrichtung. Das sei zu Zeiten des Lockdowns keineswegs selbstverständlich.

Kinder brauchen konkrete Erlebnisse

„Kinder sind unsere Zukunft. Aber zur Zeit stehen sie offenbar nicht so im Fokus. Für Kinder findet seit geraumer Zeit viel zu wenig statt“, bedauert Einrichtungsleiter Dr. Wolfgang Wörster. „Ich höre ständig nur von Dingen, die nicht gehen.“ Dabei gebe es doch etliche Dinge, die möglich – und auch umso nötiger – seien bei den gegenwärtigen Einschränkungen. Rund 200 Kinder im Vorschulalter werden in der Einrichtung von 14 Mitarbeitern und Therapeuten ambulant betreut. „In Präsenz“, betont Wörster. „Kinder in dem Alter brauchen konkrete Erlebnisse, keine digitalen. Ein Tablet ist kein Ersatz für den Kontakt zu Menschen. Je jünger die Kinder sind, umso wichtiger ist es für sie, zu fühlen, zu schmecken zu riechen und nicht aus zweiter Hand zu leben.“

Nähe mit Distanz, das ist der Spagat bei Sprachtherapie, Ergo- oder Physiotherapie und anderen Fördermöglichkeiten. Das ist möglich, davon ist Wörster überzeugt: Masken, wenn immer es möglich ist, nur Einzeltermine statt Gruppen, zwei Tests in der Woche für die Mitarbeitenden, Hygienemaßnahmen. Geschwister warten draußen oder im Auto, ebenso Eltern von älteren Kindern, nach jeder Therapie wird der Raum gründlich desinfiziert. „Wir begeben uns nicht in Lebensgefahr und begehen kein Harakiri“, erklärt der Wörster, der seit 31 Jahren das Haus der frühen Hilfen leitet.

Das könnte Sie auch interessieren:

Er sieht, dass zwar nicht mehr Kinder als sonst von Kinderärzten überwiesen werden, aber dass für die Kinder, die kommen, die Unterstützung umso wichtiger ist, weil ihre Möglichkeiten im Alltag radikal beschnitten seien. „Vieles ist unorganisiert, vielfach fehlt der stabile Rahmen, auf den sie sonst zurückgreifen können. Eltern bemühen sich, sind aber selbst gestresst durch Sorgen um den Arbeitsplatz, Kurzarbeit, Existenzängste.“ Viel zu viel Zeit sei verstrichen, viele wichtige Angebote für Kinder seien ersatzlos ausgefallen. Das Leben müsse für alle Kinder stabiler und normaler werden, nicht nur für Kinder mit Frühförderbedarf, plädiert Leiter Wörster und empfiehlt, von den Kindern zu lernen, nach vorn zu gucken, sich zusammen auf den Weg zu machen.

Im Oberbantenberger Haus der frühen Hilfen versuchen das die Mitarbeitenden, so gut es unter den Umständen möglich ist. Allerdings, so Wörster, brauchten sie dabei Unterstützung durch Tests und möglichst bald durch Impfungen. Denn Nähe sei unverzichtbar. „Es geht darum, Kindern Erfolgserlebnisse zu ermöglichen. Das Gefühl: Ich kann was! Und das ganz spielerisch. Das tut allen Kindern gut“, weiß Dr. Wolfgang Wörster. „Und auch den Erwachsenen“, fügt er schmunzelnd hinzu und freut sich, wenn wieder mal ein Kind ihn fragt: „Was arbeitest Du eigentlich?“

KStA abonnieren