Wohlergehen statt KapitalismusOrtsgruppe „Gemeinwohlökonomie“ in Oberberg gegründet

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Haben die Ortsgruppe der GWÖ in Oberberg gegründet: Phillip Liedke und Paul Teschke.

Haben die Ortsgruppe der GWÖ in Oberberg gegründet: Phillip Liedke und Paul Teschke.

Oberberg – Ein Wirtschaftsmodell, das auf den Werten Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Mitentscheidung aufbaut, ist das Ziel der „Gemeinwohlökonomie“ (GWÖ). Sie stellt das Wohlergehen der Menschen und der Umwelt ins Zentrum – und nicht Gewinnmaximierung. Auch in Oberberg ist jüngst eine solche Gruppe entstanden.

Vielerorts gibt es die Gemeinwohlökonomie bereits. In Nordrhein-Westfalen sind es Angaben der GWÖ zufolge momentan zehn Ortsgruppen. Die meisten davon befinden sich in größeren Städten wie Köln, Dortmund, Düsseldorf oder auch in Bielefeld. Phillip Liedke und Paul Teschke wollen das Wirtschaftsmodell auch in Oberberg etablieren. „Wir wollen das Thema Gemeinwohl unter die Leute bringen und so dafür sorgen, dass jeder einen Beitrag für eine nachhaltige Zukunft leisten kann“, sagt Teschke. Er ist bereits seit einem Jahr Mitglied in der Regionalgruppe Köln und Bonn. „Nachdem ich in den Ruhestand gegangen bin, wollte ich etwas Sinnvolles tun. Mit dem Thema Gemeinwohlökonomie habe ich mich vorher schon beschäftigt.“

Zeit für ein wichtiges Thema

Liedke war im Frühjahr noch mit seiner Frau auf einer Fahrradweltreise. Nachdem sie sich verletzt hatte und Corona das öffentliche Leben zum Erliegen brachte, kehrte das Paar zurück nach Dieringhausen. „Jetzt war die Zeit gekommen, dieses wichtige Thema anzugehen.“ Zusammengefunden haben Liedke und Teschke über einen gemeinsamen Bekannten. Nach ein paar Telefonaten und Treffen war klar: „Wir wollen die Gemeinwohlökonomie nach Oberberg bringen, eine nachhaltige Wirtschaft, die zum Gemeinwohl aller beiträgt. Es muss doch möglich sein“, sagt Teschke.

Liedke erklärt, wie die GWÖ funktioniert: „Da gibt es die sogenannte Gemeinwohl-Bilanzierung. Damit können sich Unternehmen, aber auch Privatleute eine Bilanz zu ihrem Gemeinwohlstatus aufstellen lassen.“ Das funktioniere anhand einer Matrix, die sich an den Werten Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, Ökologische Nachhaltigkeit und Transparenz und Mitentscheidung orientiert.

Sogenannte Berührungsgruppen

Für diese Werte gibt es sogenannte Berührungsgruppen, etwa für Lieferanten, Eigentümer, Mitarbeiter, Kunden und das gesellschaftliche Umfeld. Führt man etwa den Wert „Menschenwürde“ mit der Berührungsgruppe „Mitarbeitende“ zusammen, ergibt das den Punkt „Menschenwürde am Arbeitsplatz“. Für jedes dieser Felder gibt es Punkte. „Aber auch Minuspunkte“, erklärt Liedke. Die höchste Anzahl im Minusbereich liegt bei 3600, die höchste im Plusbereich bei 1000. Diese Bilanzierung können Unternehmen sich ausstellen lassen und somit ihre Punktzahl der Gemeinwohlökonomie offenlegen.

Wer sich selbst bilanzieren möchte, kann einen Fragebogen ausfüllen. Der ist nach denselben Werten ausgerichtet wie die Bilanzierungsmatrix für Unternehmen. Da steht dann etwa unter dem Punkt „Engagement“: „Ich habe mich für die Achtung der Menschenwürde in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Institutionen eingesetzt“. Hierzu kann man sich selbst einschätzen und bekommt Punkte für die jeweilige Antwort, die in fünf Schritten zwischen Ja und Nein liegen kann. Kreuzt man bei dieser Frage die Antwort „eher ja“ an, gibt das etwa zwei Punkte. „So kann jeder, der es möchte, sich und seinen Beitrag zur Gemeinwohlökonomie genau einschätzen“, sagt Liedke.

„Aktive Regionalgruppe“

Die Ortsgruppe in Oberberg ist nun offiziell eine „aktive Regionalgruppe“ der GWÖ. Damit einher geht die Entstehung einer Genossenschaft, die in Kooperation mit der Initiative „Transition Oberberg“ stattfinden soll. Nach dem Lockdown im November soll es jeweils am ersten Mittwoch des Monats einen Infoabend geben. „Bei dem Treffen geht es darum, den Menschen das Modell der GWÖ näher zu bringen und dann zu schauen, wer sich wie einbringen möchte.“ Neben der ausführlichen Beschäftigung mit dem Thema sollen Arbeitsgruppen gegründet werden. Diese sollen dann die Gemeinwohlökonomie etwa im Bereich „Bildung“ vermitteln . „Da geht man dann an die Schulen und stellt das Modell vor“, erklärt Liedke. Diese Arbeitsgruppen seien nicht festgelegt, sondern den Ideen der Mitglieder überlassen. „Jeder kann sich einbringen, wie er will.“

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Die Ortsgruppe Oberberg sei zudem Ansprechpartner für Unternehmen aus der Region, die sich ihre Bilanz ausstellen lassen wollen, führt Teschke aus. Hierbei arbeite man mit zertifizierten Berater aus der Regionalgruppe Köln-Bonn zusammen. Es sei sicher ein weiter Weg, dieses Wirtschaftsmodell zu etablieren, räumt Teschke ein. Doch dass es der richtige Weg ist, da sind die beiden sicher.

Weitere Informationen und Anmeldung zu den Treffen per E-Mail: oberberg@ecogood.de .

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