Plünderungen im KrisengebietEinzeltäter, aber keine Horden

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Zerstörte Einkaufsstraße in Euskirchen.

Köln – In den sozialen Medien macht das Wort Plünderung die Runde – Diebe seien in den von der Wetterkatastrophe betroffenen Gebieten auf Raubzug durch verlassene Ortschaften unterwegs; mitunter klingt es, als fielen ganze Horden über zerstörte Supermärkte, Einzelhandelsgeschäfte und auch Privatwohnungen her. Die Polizeidienststellen in Köln und Aachen arbeiten diesem Eindruck allerdings massiv entgegen. „Keiner der eingegangenen Notrufe konnte auf eine Plünderung zurückgeführt werden“, sagt ein Sprecher der Kölner Polizei auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Horden, die Kaufhäuser leergeräumt haben, gab es hier definitiv nicht“, berichtet ein Pressesprecher der Polizei Aachen. Man sei sehr unglücklich, dass es zu entsprechenden Gerüchten am Wochenende gekommen sei.

Doch es gibt Einzelfälle. Bislang wurden fünf Strafverfahren wegen Diebstahls eingeleitet: Ein 32-jähriger Mann hatte sich am vergangenen Donnerstag an der Auslage eines stark beschädigten Juweliergeschäfts auf der Stolberger Rathausstraße bedient. Zeugen hatten ihn dabei beobachtet und die Polizei gerufen, die ihn kurz darauf stellte. Gegen 14 Uhr kam es zu einem weiteren Einsatz auf der Rathausstraße. Zeugen hatten drei Personen in einem Supermarkt gemeldet. Das Trio, zwei Frauen im Alter von 24 und 28 Jahren sowie ein 35-jähriger Mann, konnte von der Polizei vor Ort gestellt werden. Gegen Mitternacht wurde der Leitstelle schließlich eine Person in einer Eschweiler Apotheke gemeldet. Auch dort konnte ein 30-jähriger Tatverdächtiger gestellt und die Tat zur Anzeige gebracht werden. In Euskirchen kam es ebenfalls zu Angriffen auf Feuerwehrleute, die von verbalen Attacken bis hin zu Steinwürfen reichten. Auch hier handele es sich um Einzelfälle, sagte ein Stadtsprecher. Das trifft wohl auch auf den Diebstahl eines Fahrrads zu, das am Freitagabend einem Rentner in der Euskirchener Mühlenstraße entwendet wurde.

Einträge auf Facebook

Es sind Facebook-Einträge wie dieser, die Nutzer von sozialen Medien aufwühlen und zu dem Schluss verleiten, in den Hochwassergebieten werde in großem Stil geplündert: „Ich kann es nicht fassen! Wir sind am Mittwoch knapp den Wassermassen entkommen, nachdem wir noch ein paar unserer Habseligkeiten in den ersten Stock unseres Fachwerkhöfchens retten konnten. Heute stellen wir fest, dass wir geplündert wurden.“ Schränke seien aufgerissen, Kommoden durchwühlt worden. „TV-Geräte weg, Konsolen weg, Handys weg, Kleidung weg. Und offensichtlich haben sie so schwer getragen, dass eine Spielkonsole beim Rausgehen noch in den Schlamm im EG gefallen ist“, so heißt es in dem Facebook-Post. „Und das in einem Dorf mit gerade mal 500 Einwohnern, wo jeder, jeden kennt… vermeintlich! Ich kann nicht glauben, dass es tatsächlich noch Menschen gibt, die anderen , die gerade alles verloren haben, auch noch die letzten paar Sachen wegnehmen.“

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Wieder auf freiem Fuß

Im Großraum Köln sind dem Polizeisprecher zufolge in den vergangenen Tagen sieben Personen aufgrund des Verdachts der Plünderung festgenommen worden; sie alle sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Die Festnahmen erfolgten nach Hinweisen von Augenzeugen, die gesehen haben wollten, wie sich die Personen an fremdem Eigentum zu schaffen machten. Allerdings konnten sie glaubhaft darstellen, dass dieser Eindruck nicht den Tatsachen entsprach, so der Sprecher.

Im Rahmen des fortdauernden Hochwassereinsatzes zeigt die Polizei auch weiterhin starke Präsenz, um Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu verhindern und das Eigentum der vom Hochwasser betroffenen Menschen zu sichern. Dabei werden auch zivile Beamte eingesetzt. 

Auch Altena im Sauerland wurde von der Überschwemmung schwer getroffen. Seit dem vergangenen Freitag musste die Polizei zwölf Mal einschreiten, weil Diebe es auf Elektroschrott abgesehen hatten, zum Beispiel Waschmaschinen. Dafür reisten die Betreffenden nach Polizeiangaben sogar aus dem Ruhrgebiet an.

In Wuppertal-Beyenburg wurde offenbar eine komplette Gastronomieküche entwendet. Diese stand vor dem Lokal, um gereinigt zu werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Küche für Altmetall gehalten wurde und keine tatsächliche Diebstahlsabsicht vorlag.

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Auch das Innenministerium in Nordrhein-Westfalen kann auf Anfrage nicht bestätigen, dass es bislang zu außergewöhnlichen Vorfällen gekommen ist. „Die Polizei hat das aber genau im Blick. Sie muss das auch im Blick haben“, so eine Sprecherin. 500 Beamte der Polizei Köln sind im Rhein-Sieg-Kreis und im Kreis Euskirchen im Einsatz - 300, die sich schwerpunktmäßig um die Vermisstensuche kümmerten, und 200 weitere im Rahmen des sogenannten Raumschutzkonzeptes.  „Sie sperren zerstörte Straßen, fahren Streife und sind so für die Bewohner ansprechbar, auch dort, wo der Notruf noch nicht wieder funktioniert", erklärt der Sprecher der Polizei Köln. Ein weitaus handfesteres Problem als Plünderungen ist für die Helfer der Katastrophentourismus, der dazu führen kann, dass Gaffer die Rettungs- und Aufräumarbeiten behindern.

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