„Mutter hat Todesangst“Gladbacherin konnte Schwester noch aus der Ukraine holen

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Bei der Mahnwache am Samstag in Gladbach: Liubov Wolff (2.v.l.) mit ihrem Mann Martin (r.) und den Söhnen Marvin und Jonas (v.l.).

Bei der Mahnwache am Samstag in Gladbach: Liubov Wolff (2.v.l.) mit ihrem Mann Martin (r.) und den Söhnen Marvin und Jonas (v.l.).

Bergisch Gladbach – Fest hält Liubov Wolff den Stab mit der kleinen ukrainischen Fahne umklammert. Einer ihrer beiden Söhne hält ein Pappschild. „Stop War in Ukraine“, steht darauf: Stoppt den Krieg in der Ukraine. Für Liubov Wolff geht es um alles. „Meine Mutter sitzt seit  Donnerstag in Ochtyrka im Nordosten der Ukraine im Keller  und hat Todesangst“, erzählt sie.

Ihre Schwester mit ihren Töchtern hat die 52-Jährige kurz vor dem Angriff Russlands noch aus der Ukraine  herausholen können. Sie lebt nun bei Liubov Wolff in Bergisch Gladbach. „Mein Schwager hat nach dem Angriff auf Kiew versucht, aus der Stadt zu kommen. Seitdem haben wir keinen Kontakt mehr zu ihm“, sagt Liubov Wolff. Ihr stockt die Stimme.

„Aber man muss doch was tun. Und wenn es ein kleines Zeichen ist.“

Heute Morgen habe sie sich übergeben müssen, aber sie habe unbedingt zur Mahnwache gehen wollen am Konrad-Adenauer-Platz. Zur Partei der Linken, die die Mahnwache organisiert, hat sie sonst keinen Kontakt.  „Aber man muss doch was tun. Und wenn es ein kleines Zeichen ist . Ich kann doch nicht da kämpfen“, sagt Liubov Wolff  und schaut ihre Söhne an, die wie ihr Mann Martin am Samstag mit zur Mahnwache gekommen sind.

Alles zum Thema Herbert Reul

Rund 40 Menschen stehen am Samstagmittag am Rand des Eingangs zur Fußgängerzone, halten Kerzen und Schilder mit Aufschriften wie „Die Waffen nieder“ oder „Frieden in der Ukraine“. Viele Menschen bleiben stehen, sprechen mit den still Protestierenden,  manche stellen sich  anschließend selbst dazu.

Mahnwachen rund um den Globus machen Hoffnung

So wie Paul-Robert Braun, der durch seine Tochter von der Mahnwache erfuhr. „Man fühlt sich so machtlos“, sagt er. „Unsere einzige Macht besteht darin, dass hoffentlich immer mehr andere Menschen sich auch dagegen stellen.“ Das ist auch das, was Peter Tschorny von den Organisatoren der Mahnwache antreibt, wie er sagt. „Überall gehen Menschen auf die Straßen, selbst in Russland. Und das, obwohl dort deswegen mittlerweile schon 1800 ins Gefängnis gekommen sind“, sagt der Kreistagspolitiker der Linken.

Mahnwachen in Rhein-Berg

Rösrath

In Rösrath treffen sich Bürgerinnen und Bürger am Montag, 28. Februar, um 12 Uhr, zur Mahnwache am Denkmal für die Gefallenen – an der Kreuzung Hauptstraße/Gerottener Weg. Initiiert ist die Aktion vom stellvertretenden Bürgermeister Hardy Schumacher (Grüne), alle Interessierten sind angesprochen. Für die Versammlung gilt Maskenpflicht.

Bergisch Gladbach

Die Jugendorganisationen von Parteien, Junge Liberale, Junge Union, Jusos und Grüne Jugend, laden zu einer Mahnwache am Dienstag, 1. März, 17.30 Uhr,  auf den Konrad-Adenauer-Platz ein.

Kürten

In Kürten wird am Sonntag, 27. Februar, um 18 Uhr in der Biesfelder Kirche Zur Schmerzhaften Mutter für den Frieden gebetet. Die Pfarre St. Marien Kürten lädt zu einem ökumenischen Friedensgebet ein.

Bereits eine Stunde vor dem Gottesdienst, also um 17 Uhr, rufen Politiker von CDU, Grünen, SPD und FDP zur Aktion „Kürten für Solidarität mit der Ukraine“ vor der Kirche in Biesfeld auf. Auch NRW-Innenminister Herbert Reul wird dazu erwartet.

Hoffnung – das ist für Liubov Wolff ein großes Wort. Aus dem letzten Telefonat mit ihrer Mutter in der Ukraine weiß sie von einem Kindergarten, unter dem sich ein Bunker befindet, in dem viele Zuflucht gesucht haben. „Dann kam eine Rakete, und fünf Zivilisten sind  ums Leben gekommen.“ Im Krankenhaus der Heimatstadt ihrer Mutter gehen mittlerweile bereits die Medikamente aus. Obwohl alle händeringend zu helfen versuchten. Auch den beiden russischen Soldaten, die verwundet in dem Krankenhaus lägen.

Selbst Verwandte in der Ukraine vom Angriff auf Kiew überrascht

„Wir verteidigen nicht die Ukraine, sondern die Demokratie“,   sagt die Ukrainerin und hält inne: „Niemand hat bis zum Schluss gedacht, dass es so schlimm kommen könnte . . .  Wir hatten gedacht, Putin würde höchstens im Donbas einmarschieren. Und jetzt sind seine Truppen in Kiew . . . Selbst wenn sie wieder abziehen, wird das die Ukraine für Jahre zurückwerfen. Und die Angst wird bleiben.“

Mit der Angst lebt die studierte Germanistin, die bis zur Corona-Pandemie fast 30 Jahre bei der Lufthansa beschäftigt war, schon seit Jahren. „Ich habe zwei Cousinen in Belarus. Die habe ich mich in den vergangenen Jahren schon gar nicht mehr anzurufen getraut, weil sie unter ihrem Regime schon allein dadurch hätten Probleme bekommen können.“

Hoffnung? „Nur noch, dass alle meine Verwandten am Leben bleiben“

Von Bekannten, die Verwandte in Russland haben, weiß Liubov Wolff,  wie stark  Putins seit Jahren gestreute   Propaganda gegen die Ukraine selbst mitten durch Familien gewirkt hat. „Manche haben sich nicht mehr besucht, weil die in Russland lebenden Verwandten Angst vor der Ukraine hatten. So haben die Putin geglaubt. Da sind ganze Familien schon vor dem Angriff kaputtgegangen. Und das macht es jetzt noch schwieriger.“

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Wie der Krieg nun weitergeht? „Ich habe immer noch Hoffnung“, sagt Liubov Wolff. Hoffnung auf Frieden? Die 52-Jährige winkt ab. So weit mag sie gar nicht denken: „Ich hoffe nur noch, dass alle meine Verwandten am Leben bleiben – das ist das einzige, was ich noch kann.“

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