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Bergisch GladbachLothar Speer stellt die erste Familie der Bensberger Burg vor

Lesezeit 5 Minuten
Die Bensberger Burg (l.) stammt nach den Recherchen des Heimatforschers Lothar Speer aus dem 12. Jahrhundert. Er stellt nun die erste Familie der Burginhaber vor.

Die Bensberger Burg (l.) stammt nach den Recherchen des Heimatforschers Lothar Speer aus dem 12. Jahrhundert. Er stellt nun die erste Familie der Burginhaber vor.

Bergisch Gladbach – Ptolemäus hatte doch recht: Die von modernen Gelehrten neu berechnete Weltkarte des ägyptischen Astronomen aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus zeigt just bei den Koordinaten des heutigen Bergisch Gladbach einen Ort namens Alisum.

Die Neuberechnung hat exakt ins Schwarze getroffen

Und obwohl die Forscher einen Fehlerspielraum von 20 Kilometern einkalkuliert haben, machen die neuen Römerfunde in der Hardt es wahrscheinlicher, dass die Neuberechnung exakt ins Schwarze getroffen hat.

Im neuen Jahresheft der „Heimat zwischen Sülz und Dhünn“, der Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins Rhein-Berg, berichtet Erich Claßen jetzt, was die Archäologen über die Kalköfen aus dem ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhundert herausgefunden haben.

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Das wichtigste ist wohl, dass sie zuletzt in der römischen Kaiserzeit gebrannt haben, also nicht aus dem Mittelalter stammen. Und das sicher mehr Kalk gebrannt worden ist, als man vor Ort benötigt hätte. Es gab also eine spezialisierte Produktion, wahrscheinlich für den Bedarf der naheliegenden Colonia Agrippina, Köln.

Vier Kalköfen wurden ermittelt und mit Hilfe eines Minibaggers in bis zu acht dünnen Schichten freigelegt – als wenn man in einem bodengeschichtlichen Buch blättern würde.

Kleinere Anlage als in Iversheim

Die Anlage erwies sich allerdings als deutlich kleiner und einfacher als die Produktionsstätte, die die römische Armee etwa in Iversheim bei Bad Münstereifel betrieben hat: Dort gab es neben den Öfen Werkhallen. Zudem besaßen die Öfen sowohl gemauerte Vorräume, sogenannte „Küchen“, von denen aus sie befüllt wurden, als auch Ofenschnauzen und Brennkammern, die mit Mauern hochgezogen waren.

Im Lerbacher Wald waren Brennkammern, Ofenschnauzen und Küchen in den Hangboden hineingegraben. Nur die Stirnwand der Brennkammer, die „Ofenbrust“, war gemauert. Das anstehende Erdreich hat sich die Hitze der wiederholten Brennvorgänge mit einer Ziegelkruste überzogen, die bis in einer Höhe von etwa zwei Metern nachgewiesen werden konnte.

Die Spuren wechselnder Lagerungen von Kalk und Holzkohle am Boden der Küche zeigen, dass die Öfen mehrfach ausgeräumt und befüllt worden sind – trotz ihrer rustikalen Machart. Möglicherweise war auch die Ofenschnauze, also der Befüllkanal, mit Ziegeln überwölbt. Aber das lässt sich nicht sicher sagen. Ebenso wenig wie sich die Frage beantworten lässt, ob es ein Ziegeldach gegeben hat.

Die Schuttkegel deuten aber so etwas an. Es wurden neben vielen Bruchstücken 131 komplette römische Ziegel gefunden, leider ohne Stempel. Die große Zahl legt aber eine Herkunft aus der römischen Kaiserzeit nahe. Die C-14-Daten der Holzkohle vom Boden der Küche führen in die Zeit von Nero bis Hadrian zurück.

Das Material stammt aus dem Mittelalter

Das Material, mit dem die Hohlräume im Boden verfüllt worden sind, stammt aus dem Mittelalter und beweist, dass das Areal in der Hardt auch später noch genutzt wurde – aber mit dem Kalkbrennen hatte es an dieser Stelle ein Ende.

Einen Zeitsprung um etwa 1100 Jahre muss man dann machen, um in die Epoche zu gelangen, aus der Dr. Lothar Speer neue Aufschlüsse zu Geschichte der Bensberger Burg vorlegt. Der frühere Chef des Gladbacher Kultur- und Schulwesens hatte vor zwei Jahren in einem Artikel belegt, dass die Burg Ende des 12. Jahrhunderts von den Landgrafen von Thüringen errichtet wurde und kurz darauf in die Hände der Grafen von Berg gelangte, die damit die Südflanke ihres Herrschaftsbereiches sicherten.

Die erste Familie der Bensberger Burginhaber

Das taten sie natürlich nicht persönlich, sondern mit einem örtlichen Kommandanten, der den klingenden Titel Dapifer oder Truchsess trug. Das kommt einem Vorgänger des späteren Amtmanns gleich. Speer stellt nun die erste Familie dieser Bensberger Burginhaber vor, die aus den Urkunden zwischen 1202 und 1268 greifbar wird: Er findet zwei Engelberte de Bensbure, wohl Vater und Sohn, und eine Tochter des letzteren namens Irmengardis.

Sie lebte 1152 als Nonne im Prämonstratenserinnen-Kloster Dünnwald. Speer macht wahrscheinlich, dass es sich bei den Rittern von Bensberg um ein ursprünglich freiadeliges Geschlecht gehandelt hat, das sich freiwillig in die Ministerialität, also den untergeordneten Dienst, der Grafen von Berg begeben hat – wohl um der wirtschaftlichen Sicherheit und den Aufstiegschancen willen.

Grundbesitz als Mitgift

Auf ihre Herkunft könnte die Tatsache hindeuten, dass Irmengard als Mitgift für ihren Klostereintritt eine Hufe, also Grundbesitz, bei Buchheim mitbrachte, die die Familie „aus eigenem Recht“ besaß. Ob die Familie mit der Dünnwalder Nonne ausstarb oder ob nur der Leitname Engelbert mit dem Dynastiewechsel im Grafenhaus außer Gebrauch kam, ist unklar.

Der nächste greifbare Burghüter heißt Gerardus und dessen Vater Huno. Aber Speer bleibt dem Geschlecht auf der Spur. Weitere Themen des Heftes sind der Gronauer Personenbahnhof, der den etwas hochtrabenden Namen Hauptbahnhof Bergisch Gladbach trug. Nicht nur, weil es noch einen Haltepunkt in Duckterath gab, sondern auch wegen des Güterbahnhofs weiter stadteinwärts, der dort lag, wo sich heute etwa die Radstation befindet.

Einen stattlicheren Bahnhof hat Gladbach nie besessen

Die Stadt hatte sich heftig gegen die Verlagerung des Bahnhofs, der fast 45 Jahre an dieser Stelle lag, in die neue Randlage gewehrt. Eine Resolution verpuffte allerdings wirkungslos. Der alte Bahnhof war ein Sackbahnhof, der neue lag an der Strecke nach Bensberg, die erstmals 1912 befahren wurde – bis 1961. Dann wurde in mehreren Etappen der alte Zustand wieder hergestellt.

1965 kam der Personenverkehr nach Bensberg zum Erliegen. Bis 2012 fuhr noch gelegentlich ein Güterzug ins Gewerbegebiet Zinkhütte, aber das Bahnhofsgebäude wird schon seit 1981 vom Bildungsinstitut bib genutzt. Immerhin: Das Bahnhofsgebäude hatte den Charme eines echten Hauptbahnhofs: Einen stattlicheren Bahnhof hat Gladbach nie besessen.

Wie Hans Mittler in seinem Artikel schreibt: „In der Ausstattung konnte er mit Bahnhöfen größerer Städte mithalten.“ Heute ist es eine Vorort-Endstation fünfter Klasse.

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