Großbaustelle an der StrundeBergisch Gladbach feiert das Ende eines Nadelöhrs

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Blick zurück nach vorn mit Gin Tonic an der Buchmühle.  

Bergisch Gladbach – Samstagmittag im Laurentiusviertel: „Strunde Genuss“ ist angesagt. Liegestühle und Cocktails stehen bereit, eine Bluegrass Band zieht durch die Straßen, ein Arbeiter auf Stelzen lässt Kinder Bauklötze staunen. Der offengelegte Fluss plätschert dahin, das Fest ebenso.

Die Sonnenblumen, die die Händler verteilen, mythologisch gesehen Symbole unerwiderter Liebe, hängen hitzebedingt schon früh in den Seilen. Mit Würstchen und Wein, Gin und Tonic, Hot Dog- und Kaffee-Kreationen wird das Ende der Kanal-Großbaustelle „Strunde hoch vier“ gefeiert.

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Der Stelzenmann führte diese Besucher durchs „neue“ Viertel.

Drei Jahre lang war der Bereich rund um die Buchmühle ein schwieriges Pflaster für diejenigen, die Waren und Dienstleistungen an den Mann bringen wollten. Nicht alle haben das durchgehalten. Für die anderen geht eine Leidenszeit zu Ende.

Abschied mit Blütenplätzchen

„Baustelle ade – Strunde olé“ lautet das Motto, das auch einem Karnevalszug gerecht würde und recht unterschiedlich interpretiert wird. Für Petra Lepek heißt es eher „Baustelle oh weh – Strunde ade“. Im Oktober schließt die Floristin das Geschäft, das sie zehn Jahre betrieben hat.

Zum Abschied gibt es Blütenplätzchen mit Rosen und Kornblumen. Oft habe sie alleine im Geschäft gesessen und lediglich Bestellungen bearbeitet, weil die Kunden nicht zu ihr durchkamen, sagt sie. Petra Lepek kam sich vor wie eine „Garagenfloristin“, deren Dekoideen im Schaufenster kein Publikum finden.

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„Es kam eine Baustelle nach der anderen. Immer wieder sind wir vertröstet worden“, erinnert sich Ehemann Uwe, der als Pensionär noch eine Arbeit aufnehmen musste, um die Verluste in Grenzen zu halten. „Das ist kein Spaß hier“, zieht die Blumenhändlerin enttäuscht Bilanz. Ab Herbst wird sie in einem Deutzer Geschäft Sträuße binden.

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Blumenhändlerin Petra Lepek schließt ihr Geschäft im Oktober.  

„Es ist ganz gut, dass es fertig ist, es war hier schon ziemlich laut, aber jetzt sind wir eigentlich ganz guter Dinge“, freut sich hingegen Friseurin Kirsten Stephan von den „Salonschwestern“, die kurz vor Weihnachten 2016 ihr Geschäft eröffnet haben. „Wir hatten einen guten Start, aber auch eine günstigere Lage.“

Auch bei Sonia Stefani vom Eiscafé De Fanti beginnt langsam das große Aufatmen: „Wir hatten schon eine schwere Zeit“. Im Reisebüro Hebbel hielt sich die Zahl der Kunden, die den Abflug anders als gedacht gemacht haben, in Grenzen. „Das Schlimmste war der Staub und der Dreck“, erinnert sich Büroleiterin Dagmar Dorge, „aber unsere Stammkundschaft ist uns treu geblieben. Es war zeitweise allerdings so laut, dass wir nicht mehr telefonieren konnten.“

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Auch die Stefanis vom Eiscafé De Fanti hatten eine schwere Zeit.

Fast wäre auch das „Genussfest“ zum Hindernislauf geworden. „Ich habe einen Aufstand gemacht, damit auch die letzten Meter bis zur Eingangstür noch rechtzeitig gepflastert wurden.“ Daneben und hinterm Haus vorbei fehlt der Belag nach wie vor

Mit Unverständnis reagierte sie zudem darauf, dass das Fest im Laurentiusviertel an einem Tag über die Bühne ging, an dem der Wochenmarkt verlegt wurde und so viel Publikum abzog. Eine, die allein schon berufsbedingt Baustellen gegenüber positiv eingenommen ist, ist Lisa Wendling. „Wo gebaut wird, wird etwas verändert, und wenn man Glück hat, kommt was Gutes dabei heraus“, sagt die Architektin, die im „Erlebnisraum Buchmühle“ Kultur und Architektur zusammenführt.

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Architektin Lisa Wendling vom Bauoffice ist optimistisch. 

Das rund 370 Jahre alte Gebäude ist heute Büro, Showroom, Veranstaltungsbühne und Café zugleich. Jeder Raum ist anders gestaltet: Es gibt einen „Küchengarten“, Büros, Meditationszimmer und ein Außengelände, das Künstler Benjamin Niklas beim „Genussfest“ mit Graffiti gestaltet hat.

„Aufregende Räume“ nennt es Lisa Wendling, die sich auch standesamtliche Trauungen in dem Ambiente vorstellen kann. „Bergisch Gladbach braucht einen verlässlichen Ort, an dem ein guter Geist herrscht“, zitiert sie ihre Motivation.

„Es wäre ein Griff nach den Sternen, wenn uns das hier gelänge.“ Für etliche Nachbarn im Laurentiusviertel war das Fest zum Abschluss der Bauarbeiten offenbar mehr ein Griff nach dem Strohhalm, an dem sich auch nicht alle durch längere Öffnungszeiten beteiligten.

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