Pflegebedürftige stark vernachlässigtSohn von 91-Jähriger Mutter vor Gericht

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Justitia an einer Mauer

Eine Justitia mit verbundenen Augen an der Mauer eines Gerichtes (Symbolbild).

Bergisch Gladbach – Strafverteidiger Udo Klemt zeigte am Dienstag vor dem Bensberger Amtsgericht Selbstbewusstsein. „Bevor Sie Teile der Anklage näher erläutern können, bin ich schon mit einem Freispruch in der Tasche wieder weg“, rief er dem Staatsanwalt entgegen. Um es vorwegzunehmen: Klemt sollte recht behalten.

Böswillige Vernachlässigung einer wehrlosen Person und Gesundheitsschädigung warf der Staatsanwalt dem Mandanten des Verteidigers vor. Der pensionierte Lehrer soll seine 91-jährige, bettlägerige Mutter zu Hause gepflegt und dabei extrem vernachlässigt haben. „Der Angeklagte hat Getränke und Speisen verweigert, hat seine Mutter mit verschmutzten Windeln einfach liegen lassen“, sagte der Staatsanwalt. Speisereste hätten sich im Bett befunden, Schimmel an Trinkbechern, Stockflecken an Waschlappen. Die bettlägerige Frau habe frieren müssen und aus Verzweiflung und Einsamkeit die Tapete von den Wänden gekratzt. Auch sei die alte Dame zu selten umgelagert worden. Es habe sich eine tiefe offene Wunde am Steißbein gebildet, die später habe operiert werden müssen. Wenige Tage nach der Operation starb die alte Dame. Der Staatsanwalt: „Die Frau ist so schlecht zu Hause versorgt worden, weil der Angeklagte Kosten sparen wollte.“

Zufrieden mit Pflege

Die Ausführungen des Staatsanwaltes seien maßlos übertrieben, massiv aufgebauscht und teilweise schlichtweg erfunden, kommentierte Klemt. Die Mutter seines Mandanten sei bis zu ihrem Tode handlungsfähig gewesen, habe ihre eigenen Entscheidungen getroffen. Alles was sein Mandant unternommen habe, sei nach dem Willen der Mutter geschehen. Sie habe bestimmt, wann sie Essen wollte, sie habe die Temperatur im Schlafzimmer bestimmt, sie habe nicht von Angehörigen die Windel gewechselt haben wollen und sie habe nicht in ein Krankenhaus gewollt. Die Verstorbene sei zufrieden gewesen mit der Pflege ihres Sohnes.

Das mussten auch Mitarbeiter des Pflegedienstes attestieren, die als Zeugen geladen waren und das Verfahren gegen den Pädagogen in Gang gesetzt hatten. „Immer wenn ich die Seniorin fragte, sagte sie, alles sei in Ordnung und der Angeklagte kümmere sich gut um sie“, sagte eine Zeugin. Aber trotz der Beteuerungen sei der Zustand der Rentnerin bedauerlich gewesen.

Miteinander gesprochen haben Pflegedienst und pflegende Angehörige nicht – die Fronten waren verhärtet. Und hierin sah Richterin Brandes die Wurzel allen Übels. Die Vorwürfe gegen den Angeklagten seien nicht zu beweisen, wandte sich Brandes an den Staatsanwalt. Der zeigte sich einsichtig, plädierte auf Freispruch.

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