„Auschwitz sollte jeder sehen“Refrather Klaus Farber erhält das Bundesverdienstkreuz

Lesezeit 4 Minuten
Klaus Faber

Klaus Farber bekommt das Bundesverdienstkreuz.

Refrath – Klaus Farber hat sich die Verständigung zwischen Kulturen zur Lebensaufgabe gemacht. Am 7. Mai erhält der Refrather das Bundesverdienstkreuz, die höchste Anerkennung, die die Bundesrepublik für Verdienste für das Gemeinwohl ausspricht.

Wie haben Sie davon erfahren, dass der Bundespräsident Sie auszeichnet?

Farber: Ich erhielt einen Brief vom Landrat. Wow! Da wird nicht gefragt, ob ich den Orden annehme. Aber ehrlich gesagt, ich hätte auch nicht Nein gesagt.

Macht Sie das stolz?

Stolz ist der falsche Ausdruck. Aber es freut mich schon, das gebe ich zu. Tatsache ist, dass ich mich sozial engagiere. Aber die Erfolge wären nicht möglich gewesen ohne die vielen Menschen, die mich unterstützt haben, die mitgemacht haben. Am liebsten würde ich meine Urkunde in ein Puzzle aufteilen. Ein Puzzleteil nehme ich mir und die anderen Stücke bekommen diejenigen, die mir zur Seite stehen.

Sie kümmern sich seit 50 Jahren um die Belange von Migranten. Wie ist es dazu gekommen?

Die Ausländerintegration fing in der Schule an, als ich junger Lehrer und später Schulleiter an einer Hauptschule in Köln-Ostheim war. Mit schulischen und außerschulischen Maßnahmen haben wir es geschafft, den Schulabschluss bei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf 93 Prozent zu erhöhen.

Sie selbst haben sich mal als Dickbrettbohrer bezeichnet. Ist Ihnen Ihre Beharrlichkeit zu Gute gekommen, als die Städtepartnerschaft zwischen Bergisch Gladbach und Pszczyna in Polen 2016 quasi vor dem Aus stand?

Ja, das war tatsächlich so. Die Freundschaft lief eigentlich nur über die formale Ebene. Es gab kaum Begegnungen mit den Menschen in Pszczyna. Deshalb hatte ich dann die Idee, 2013 gezielt hinzufahren. Der damalige Bürgermeister Lutz Urbach war auch dabei, um Kontakt zu Einrichtungen wie der Volkshochschule, Schulen bis hin zum evangelischen Pfarrer aufzunehmen. Nach Gegenbesuchen in Gladbach war dann das Eis gebrochen.

Aus dem Integrationsrat sind Sie 2016 aus Frust ausgetreten.

Im Nachhinein weiß ich nicht, ob das richtig war. Mich hat damals das Parteidenken gestört. Das hat in einem Integrationsrat nichts zu suchen. Ich merkte, da gehöre ich nicht mehr hin. Als SPD-Stadtverordneter hatte ich 35 Jahre vorher die Bildung des Ausländerbeirates initiiert. Die Erinnerungen an viele gute Projekte sind immer noch da.

Sie haben auch den Deutsch-Türkischen Verein in Köln ins Leben gerufen.

Das war 1970. Damals war ich mit Heinrich Böll im Vorstand der Kölnischen Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Böll schlug damals vor, dass die Gesellschaft sich nicht nur gegen Antisemitismus, sondern auch gegen andere Vorurteile wie Ausländerfeindlichkeit einsetzen sollte. In den zehn Jahren als Vereinsvorsitzender habe ich viele Studienreisen in die Türkei organisiert.

Worauf kommt es Ihnen bei den Reisen gegen das Vergessen nach Auschwitz an?

Ich bin der Meinung, jeder in Deutschland – ob Jung oder Alt - sollte einmal in Auschwitz gewesen sein. Das ist etwas anderes, als davon zu hören. Danach sieht man sein Leben anders, man ist nicht mehr so auf sich selbst bezogen. Die Lebenseinstellung verändert sich.

Über Klaus Farber

„Er bringt Dinge ins Rollen“

Klaus Farber (82) lebt mit seiner Frau Ingrid in Refrath. Er hat vier Kinder und drei Enkelkinder. 32 Jahre lang war er Schulleiter der Hauptschule in Ostheim. 2012 wurde der Gladbacher mit der Goldenen Ehrennadel der Stadt Bergisch Gladbach ausgezeichnet für seinen Einsatz bei der Integration von Ausländern. Stadtsprecher Martin Rölen kennt Farber seit 2013 von den von ihm organisierten Reisen nach Auschwitz, die meist mit einem Besuch in der Partnerstadt Pszczyna verbunden sind. Rölen beschreibt Farber als zielstrebig und kreativ: „Er bringt Dinge ins Rollen und bleibt dran.“ Seine Warmherzigkeit habe dazu geführt, dass es nicht bei der Arbeitsebene im Vereinsvorstand geblieben sei: „ Wir sind gute Freunde geworden.“ Landrat Stephan Santelmann überreicht Klaus Farber das Bundesverdienstkreuz im Rahmen einer privaten Feier am heutigen Samstag in einem Refrather Restaurant. Bürgermeister Frank Stein hat sein Kommen angekündigt. (ub)

Jetzt wollen Sie die Reiseleitung aufgeben. Wer soll in Ihre großen Fußstapfen treten?

Gaby Malek und Martin Rölen haben sich bereit erklärt. Ich bin sicher, dass sie mit ihrem eigenen Stil die Tradition der Auschwitzreisen fabelhaft weiterführen werden. Und meine Frau Ingrid hat angekündigt, wieder mitzufahren, wenn ich dann nicht mehr so durch die Gruppe gebunden bin.

Sie glauben im Ernst, dass Sie dieses Projekt, das Ihnen so viel bedeutet, loslassen können?

Ja, da bin ich sicher. Denn wenn ich das nicht schaffe, bin ich wirklich alt und kann einpacken.

Das Projekt „Herwi“ mit ehrenamtlich geführten Deutschkursen für Migranten geht auch auf Ihre Initiative zurück. Was ist anders als bei den syrischen Flüchtlingen?

Ganz viel. Im Vergleich zu heute ist das private Engagement noch viel größer, als es damals war. Ich bewundere die Gastfamilien, die ukrainische Kriegsflüchtlinge aufgenommen haben.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nehmen Sie sich noch neue Aufgabe vor?

Nein, gar nichts. Also ich mache mir gar keine Sorgen, dass ich hier zuhause sitzen werde.

KStA abonnieren