„Das ist Kunst? Nee, niemals!!“So war das letzte Kultursommer-Wochenende in Gladbach

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Rolf Hinterecker Kultursommer 201021

Bilder vom letzten Wochenende des Gladbacher Kultursommers. Hier das Sammelsurium von Rolf Hinterecker.

Bergisch Gladbach – Am letzten Wochenende des „Kultursommers“ trafen sich fünf Künstlerinnen und Künstler zum Auftakt der Vorstellung ihrer „Meisterwerke“ an der Schlosstreppe in Bensberg.

Wer nun Skulpturen, Bilder oder andere Kunstobjekte am Treffpunkt unter freiem Himmel ansehen wollte und an die Eröffnung einer entsprechenden Ausstellung dachte, blieb zunächst verunsichert zurück.

Wer die Ausstellung sehen will, muss sich bewegen

Der ein oder andere fühlte sich vielleicht an das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ von Hans Christian Andersen erinnert, denn die Exponate blieben für die Betrachtenden unsichtbar und wurden am Samstag nur „über Sprache“ enthüllt. Doch die Neugierde auf eine besondere Kunstaktion war geweckt.

Am folgenden Sonntag wiederholte sich die Zusammenkunft zwischen Künstlerinnen, Künstlern und Kunstinteressierten. Veronika Moos, Rolf Hinterecker, Jutta Dunkel, Michael Kramer, Michael Wittassek und Hiroko hatten die Aktion lange und mit viel Herzblut vorbereitet. Dabei wurde die Stadt Bergisch Gladbach zum Galerieraum, denn die Exponate befanden sich an verschiedenen Orten, räumlich voneinander getrennt. Sie wurden zwar zur selben Zeit gezeigt, dennoch konnten sie nicht gleichzeitig angesehen werden. Wer die Ausstellung ganz erleben wollte, war gefordert, „sich zu bewegen“, um die Kunst – im wahrsten Sinne des Wortes – zu „erfahren“.

„Idee einer fiktiven Galerie überall oder nirgends“

Doro Corts moderierte eine Rundfahrt und dankte für das Engagement aller Mitwirkenden, sowie für die finanzielle Unterstützung von Kreis, Stadt und dem Bundeskulturministerium. Letztere hatten das Kunstexperiment finanziell unterstützt. „Hoffentlich nicht zum letzten Mal“, wie hoffnungsvoll betont wurde.

Die administrative Arbeit, wie Erfüllen aller „bürokratischer Voraussetzungen“, auch Genehmigungen zur Nutzung des öffentlichen Raumes übernahm insbesondere Petra Weymans vom Kulturamt Bergisch Gladbach. Initiator war die Galerie im Wiesengrund, deren Inhaberin Jutta Dunkel die „Idee einer fiktiven Galerie überall oder nirgends“ verfolgt.

Zedern-Zapfen in einem Vorgarten

Jeweils zwischen 30 und gut 50 Interessierte besuchten die Ausstellungsorte. Rolf Hinterecker gewährte Einblick in sein bis zum Rand gefülltes Lager aus Fundstücken, Kleinteilen und Erinnerungen, seinem „Sammelsurium“. Es ist die Grundlage für sein Kunstschaffen, damit er daraus das „Chaos, den Kosmos der künstlerischen Gedanken“ entstehen lassen kann.

Veronika Moos erklärte das „prekäre Gleichgewicht zwischen sichtbaren und unsichtbaren Kräften“ mit einer Installation verbliebener Zapfen neben dem mächtigen Reststamm einer Zeder im Vorgarten. Vom Waldspaziergang vor 60 Jahren als Samen mitgebracht, im Vorgarten gepflanzt, wurde der Baum dort, wo einst nur Kornfelder lagen, zur Gefahr für die entstandene urbane Verdichtung. Doch seine Geschichte erzählt er auch heute weiter.

Kunst aus Quellwasser der Strunde

Jutta Dunkel hatte die Kulisse eines bizarren Baumskeletts auf einer Wiese gewählt, um ihre Gedanken zu „Werden und Vergehen“ vorzustellen. In alten Einmachgläsern „erzählten“ eingetrocknete Früchte und Objekte ihre Geschichte als Modelle für die farbigen Buntstiftzeichnungen zum Thema „Es wird einmal vergangen sein“.

Werden und Vergehen stellte auch die Künstlerin Hiroko eindrucksvoll dar. Sie fertigte mit Quellwasser der Strunde in fließenden Bewegungen ein Bild auf Stoff. Dieses wurde anstelle eines zuvor am Quellbecken aufgehängten leeren Rahmens installiert und verschwand beim Trocknen wieder.

Kunst oder Müll im Forumpark?

Michael Kramer hatte vor dem Eingang zum ehemaligen Zanders-Gelände ältere Gartenstühle aufgestellt und dort zum Gespräch eingeladen, um „auf gegebene Situationen formal wie inhaltlich reagieren“. Ein Thema, das ob des Verkehrslärmes an diesem Ort eine (gewollte?) Herausforderung darstellte.

Refik Cakiv lebt seit einigen Jahren in Bergisch Gladbach und hatte sich schon frühmorgens über „das dreckige Papier im Forum Park geärgert“. Recht aufgebracht fragte er eine Teilnehmerin, die die Installation von Fotokünstler Michael Wittassek genauer in Augenschein nahm: „Wissen Sie, wer den Müll dahin gekippt hat?“ Die Reaktion des jungen Bergisch Gladbachers in Hoodie und Jogginghose auf eine Erklärung war absolute Ungläubigkeit. „Das ist Kunst? Nee, niemals!!“

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Nach anfänglichem Zögern nahm er ein Diskussionsangebot Wittasseks an. Die großformatige, einem Kanaldeckel entspringende Skulptur aus weißem Fotopapier mit grau schattierten Flecken aus verlaufender Entwicklerflüssigkeit überzeugte nach kritischen Fragen und erklärenden Antworten tatsächlich. Es war doch kein achtlos weggeworfener Rest eines Plakates: „Nein das ist wirklich Kunst.“

Besser hätte das Experiment, Kunst im öffentlichen Raum statt im Rahmen einer Galerie oder eines Museums zu zeigen, nicht bestätigt werden können.

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