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„Gefahr im Verzug“Polizisten durchsuchen ohne Beschluss Wohnung, Prozess gefährdet

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Symbolbild

Bergisch Gladbach – Ein mutmaßlicher Drogenhändler bekommt Überraschungsbesuch. Die Polizei, vom Nachbarn gerufen, weil es im Hausflur nach Marihuana riecht, dringt in seine Wohnung ein, durchsucht sie und stellt 60 Gramm Marihuana sowie ein Reizgassprühgerät und einen Schlagstock sicher.

Drogenhandel mit Waffen, eindeutige Beweislage, alles easy? Von wegen. Seit fast fünf Jahren beschäftigt der Zwischenfall vom 19. Dezember 2016 die Justiz, jetzt ist er erneut vertagt worden. Denn zum einen hat der im Bergischen geborene mutmaßliche Drogenhändler Klaus K. (Name geändert) im Staatsbürgerkundeunterricht offenbar aufgepasst und kennt seine Rechte, und zum anderen haben die beiden Streifenpolizisten womöglich so agiert, dass die Beweise nicht gerichtsverwertbar sind.

Beamte hätten Durchsuchungsbeschluss gebraucht

Man kennt den Konflikt aus Fernsehkrimis: Ein demokratischer Rechtsstaat muss sich an die eigenen Regeln halten, sonst gibt er sich selbst auf. Zu den besonders wichtigen Grundregeln zählt Artikel 13 des Grundgesetzes: „Die Wohnung ist unverletzlich.“ Durchsuchungen muss ein Richter anordnen, Ausnahmen gelten nur bei „Gefahr im Verzug“.

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Und genau hier hakt der Verteidiger ein: „Wo soll denn bei Marihuana-Geruch in Treppenhaus Gefahr im Verzug sein?“, hat Udo Klemt schon bei der ersten Schöffengerichtsverhandlung im Juli vor zwei Jahren gefragt. Korrekt wäre es gewesen, wenn die Beamten über ihre Leitstelle und die Staatsanwaltschaft einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken versucht hätten, statt gewaltsam in die Wohnung einzudringen. Der Verteidiger damals: „Die Durchsuchung war Willkür, eine grobe Missachtung des Richtervorbehaltes.“ Am Ende der ersten Gerichtsverhandlung im Juli 2019 wurde das Verfahren erst einmal „terminlos“ gestellt, also abgebrochen.

Wieder kein Ende des Prozesses

Indes besteht das Problem fort. Klaus K. lebt in Köln, seine Wohnung liegt in Köln-Nippes und Kölner Polizisten haben ihn kontrolliert. Sein Verfahren ist nur deshalb in Bensberg gelandet, weil es in Köln am Anfang eine Verfahrenspanne gab und die Staatsanwaltschaft danach die Wiederaufnahme betrieben hat. Erst durch die Wiederaufnahme kam der Gerichtsort Bensberg ins Spiel.

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Gleichwohl ist auch der zweite Bensberger Versuch, das Verfahren gegen den mittlerweile 32 Jahre alten und wegen eines anderen Drogenfundes in Köln zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilten Klaus K. zu beenden, zunächst erfolglos. Nachdem die neu in das Verfahren gekommene junge Staatsanwältin die „Zusammenfassende Anklage“ verlesen hat, geht Strafverteidiger Klemt erneut rhetorisch in die Vollen und prangert an, was seinem Mandanten widerfahren sei. Ein Polizist habe ihn sogar geschlagen.

Und dann stockt die Verhandlung wieder: Nur eine Polizistin ist als Zeugin erschienen, ihr Kollege hat sich kurzfristig krankgemeldet. „Er wird seine Gründe haben“, knurrt Klemt. Richterin Brandes lädt schließlich Verteidiger, Staatsanwältin und die beiden Schöffen zu einem gut halbstündigen „Rechtsgespräch“ unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein. Danach ist klar: Heute wird hier wieder nichts beendet. 

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