„Im letzten Jahr waren es 116 Verfahren“Bensberger Richterin zur Gewalt an Frauen

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Über die Bank am Amtsgericht spricht Johanna Saul-Krickeberg (r.), hier mit der Gleichstellungsbeauftragten Anja Möldgen.

Über die Bank am Amtsgericht spricht Johanna Saul-Krickeberg (r.), hier mit der Gleichstellungsbeauftragten Anja Möldgen.

Johanna Saul-Krickeberg, Direktorin des Bensberger Amtsgerichts und Familienrichterin, über das Thema Gewalt gegen Frauen.

Frau Saul-Krickeberg, rund eine Woche lang hat vor dem Bensberger Amtsgericht eine orangefarbene Bank gestanden. Wieso?

Johanna Saul-Krickeberg: Durch Anja Möldgen, die Gleichstellungsbeauftragte des Rheinisch-Bergischen Kreises, habe ich von der Aktion „Keine Gewalt an Frauen“ erfahren. Die orangefarbenen Bänke sollen darauf aufmerksam machen. Dem habe ich mich angeschlossen. Die Bänke sind ein gutes Statement dafür, dass Frauen keine Gewalt angetan werden darf.

Wie war die Resonanz im Gericht?

Ich habe das mit dem Richter- und dem Personalrat besprochen und die Resonanz war durchweg positiv. Wir haben das natürlich abgewogen, weil für die Justiz ein Neutralitätsgebot gilt, aber wir haben dann entschieden, dass es ein Allgemeinplatz ist, dass keine Gewalt gegen Frauen ausgeübt werden darf. Daher haben wir uns gerne angeschlossen.

Gibt es in unserem idyllischen Kreis überhaupt Gewalt gegen Frauen?

Ja, die gibt es. Ich bin selbst Familienrichterin und habe die Zahl der Gewaltschutzverfahren im Hause heraussuchen lassen. Im Jahre 2021 haben wir hochgerechnet 94. Im letzten Jahr waren es 116 Verfahren, wobei es nicht ausschließlich um Gewalt gegen Frauen ging, sondern gelegentlich auch um Gewalt gegen Männer oder auch Gewalt bei Nachbarn. Überwiegend geht es aber in den Gewaltschutzverfahren um Gewalt gegen Frauen.

Was passiert in diesen Verfahren?

Meistens kommen körperlich verletzte Frauen als Antragstellerinnen oder solche, die von ihrem Partner oder Lebensgefährten bedroht wurden. Sie stellen einen Antrag auf Unterlassung, dass sie also nicht mehr bedroht und belästigt werden und dass die Antragsgegner auch per „Fernkommunikationsmittel“, wie wir das nennen, keinen Kontakt mehr aufnehmen dürfen. Ziel ist ein Näherungsverbot: Der Täter darf sich der Frau, die er verletzt hat, nicht mehr nähern, er darf sie sie nicht bedrohen oder beleidigen. Das wird als einstweilige Anordnung erlassen, und wenn der Täter gegen diese Anordnung verstößt, macht er sich strafbar und kann vor dem Strafrichter wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz angeklagt werden. Es hat also weitere Konsequenzen, wenn er gegen das Näherungsverbot verstößt.

Was kann die Justiz sonst noch tun, um Frauen als Gewaltopfern zu helfen? Haben Sie besondere Vorkehrungen bei Verhandlungen?

Wenn wir wissen, dass die Partner völlig zerstritten sind und dass körperliche Gewalt ausgeübt wurde, dann werden in schwerwiegenden Fällen die beiden Beteiligten getrennt angehört oder ein Wachtmeister kommt mit in den Saal.

Zuletzt gab es einen randalierenden Ehemann im Gericht. Passiert das häufiger?

Dass ein Antragsgegner im Gerichtsgebäude randaliert, passiert extrem selten.

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Sie erwähnten, dass auch Männer Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz stellen. Sind das eher Partner aus homosexuellen Beziehungen oder gibt es auch prügelnde Täterinnen?

Es gibt Frauen als Täterinnen, sie sind allerdings selten. Ich bin seit mehr als zehn Jahren Familienrichterin und kann diese Fälle an einer Hand abzählen. Für Männer als Opfer ist das Thema genauso schambesetzt wie für weibliche Opfer. Man muss sie dazu bringen, zur Polizei zu gehen, es zu melden und bei Gericht Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz zu stellen. Deswegen bin auch so froh darüber, dass es die Aktion „Keine Gewalt an Frauen“ gibt. Die Verletzungen reichen von blauen Flecken, die schon schlimm genug sind, bis zu schweren Verletzungen wie zum Beispiel Stichverletzungen. Zuletzt wäre eine Frau fast gestorben, weil der Mann auf sie einstach. In einem anderen Fall hat ein Täter zunächst seine Frau zu erschießen versucht. Er verfehlte sie und tötete sich dann selbst.

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