„Man denkt, das gibt es nicht“Parkinson-Erkrankte aus Rhein-Berg spielen Ping Pong

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Im Gemeindehaus von Herkenrath treffen sich die Mitglieder des Ping Pong Parkinson Clubs zum Training.

Im Gemeindehaus von Herkenrath treffen sich die Mitglieder des Ping Pong Parkinson Clubs zum Training.

Bergisch Gladbach – Von Null auf 24 innerhalb eines Jahres. Das ist die Mitgliederzahl von „Ping Pong Parkinson (PPP)“ im Rheinisch-Bergischen Kreis. Alle Mitglieder leben mit Parkinson, einer tückischen chronischen Muskelerkrankung, die die Bewegungsfähigkeit mit der Zeit immer stärker einschränkt. In ganz Deutschland sind etwa 400 000 Menschen davon betroffen, im Rheinisch-Bergischen Kreis rund 2000.

Doch wie passt die Sportart mit der Krankheit zusammen? Seit ziemlich genau einem Jahr treffen sich mittlerweile 24 Betroffene in Herkenrath zum gemeinsamen Tischtennisspielen im Gemeindehaus. Die Kooperation mit dem TTC Bärbroich 1958 e.V. hat Michael Schluch, selbst Betroffener, ins Leben gerufen, denn durch Tischtennis können die Symptome der Krankheit gelindert werden.

„Es geht mehr um das Miteinander als die Punkte“

„Man denkt sich ja erst, das gibt es nicht, dass die das können. Aber es ist so: Wenn ich spiele, dann spiele ich und mache die Bewegungen automatisch. Die Steifheit merke ich in dem Moment nicht“, erzählt Spieler und Pressesprecher Michael Weinmann. Das Spiel ist ein bisschen anders, als eingefleischte Tischtennis-Fans es vielleicht kennen. „Es geht mehr um das Miteinander als um Punkte. Wir spielen nach Fairness und achten darauf, dass alle mitkommen“, beschreiben Weinmann und Initiator Schluch.

Der Initiator blickt nach einem Jahr PPP positiv auf das Erreichte, schließlich ist Herkenrath der bundesweit zweitgrößte Standort von insgesamt 100. „Man ist stolz, was daraus geworden ist und es entwickeln sich Freundschaften“, fasst er zusammen. Generell weitet sich PPP deutschlandweit immer mehr aus. War Herkenrath letztes Jahr noch die einzige Anlaufstelle auf der „Schäl Sick“ zwischen Koblenz und Dortmund, gibt es mittlerweile noch mehr Standorte in der Region.

Das Parkinson-Syndrom

Mehr als eine körperliche Belastung

Morbus Parkinson, oder die sogenannte Parkinsonsche Krankheit, ist eine Nervenerkrankung, die vor allem mit Muskelsteifheit, verlangsamten Bewegungen und dem am meisten damit verbundenen Zittern einhergeht.

Parkinson tritt vor allem im Alter auf, etwa bei einem Prozent der 60-Jährigen und drei Prozent aller 80-Jährigen. Es ist nach Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung in Deutschland. Die Krankheit gilt als nicht heilbar, ihre Symptome können jedoch gelindert werden.

Auslöser für Parkinson ist eine geringere Produktion von Botenstoffen im Gehirn, die normalerweise für die Signalübertragung zwischen Letzterem und der Muskulatur sorgen. Die Krankheit bleibt häufig über Jahrzehnte unbemerkt, weil erste Symptome wie Schlafstörungen, Depressionen oder vermindertes Riechvermögen nicht mit ihr in Verbindung gebracht werden. (Quelle: NDR/TK)

Auch Turnierteilnahme möglich

Auch gemeinsame Reisen zu Turnieren stehen für manche an. Das erste für dieses Jahr ist Ende April in Eystrup in Niedersachsen, anschließend geht es zu den „Ping Pong Parkinson Open“, die in Bad Homburg stattfinden, und im Herbst folgt die WM in Kroatien. Die Abläufe und Einteilungen der Teams orientieren sich an Fragebögen, durch die gerechte Gruppen gebildet werden können.

Trainerin Martina Meyer gibt sich viel Mühe, dass alle Spaß an der Sache haben, ob sie zum freien Training kommen, sich mit den Hobbygruppen des TTC messen oder gar an den Turnieren teilnehmen. „Manchmal müssen wir sie lenken, ihr sagen, was sie beachten muss“, sagt ein Spieler, denn Meyer spielt zum ersten Mal mit Parkinsonerkrankten. Sie behält trotzdem stets den Überblick, hat Tipps und Tricks auf Lager und schlägt immer wieder Übungen vor, die voranbringen.

Alles auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmt

Alle Modalitäten innerhalb der Gruppe sind durchdacht, daher nimmt auch ein Spieler im Rollstuhl teil und ein anderer braucht stets Helm und Matten auf dem Boden, denn Parkinsonerkrankte neigen manchmal dazu, hintenüber zu kippen. Mittlerweile stehen auf den Tischtennisplatten Schüsseln, in denen sich die Bälle befinden und es gibt Sammelhilfen in Form von dicken Plastikrohren mit Saiten, womit die Spieler die auf dem Boden verteilten Bälle ganz bequem aufsammeln können. An Kreativität mangelt es absolut nicht.

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Zum Welt-Parkinson-Tag waren einige Vereinsmitglieder unterwegs mit einer mobilen Tischtennisplatte und besuchten das Seniorenheim CBT-Wohnhaus Margaretenhöhe und das Seniorenzentrum AGO in Herkenrath. Denn auch unter den Bewohnern und Bewohnerinnen finden sich Leidensgenossen mit Parkinson. „Alle, die sich wenig bewegen, sollen motiviert werden“, sind sich Schluch und Weinmann einig. Dazu zählen sie auch Demenzkranke, für die die Sinnhaftigkeit der Sportart gerade ebenso in der Testung ist. Die Übungsstunden finden zu folgenden Zeiten statt: Montag 14 bis 16 Uhr und 16 bis 18 Uhr, Mittwoch 14 bis 16 Uhr, Freitag 15.30 bis 18 Uhr. Kontakt: Michael Schluch unter (0157) 59104953.

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