„Wir haben Angst“Anwohner laufen Sturm gegen Notunterkunft in Bergisch Gladbach

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Eine Teil der Unterkunft am Hoppersheider Busch ist bereits abgebrochen worden, der Rest ebenfalls abgängig. Bisher ähnelte das Objekt in Umfang und Aussehen einem Mehrfamilienhaus. Das Neubauprojekt ist erheblich umfangreicher.

Eine Teil der Unterkunft am Hoppersheider Busch ist bereits abgebrochen worden, der Rest ebenfalls abgängig. Bisher ähnelte das Objekt in Umfang und Aussehen einem Mehrfamilienhaus. Das Neubauprojekt ist erheblich umfangreicher.

Bergisch Gladbach – Ganz so einfach, wie von der Verwaltung gedacht, wird es mit dem Neubau der Notunterkünfte am Hoppersheider Busch in Schildgen nicht gehen. Nachdem diese Zeitung über das Vorhaben berichtet hatte, rannten Anwohner Sturm bei ihren Stadtverordneten und CDU und SPD traten auf die Bremse: Der Punkt wurde von der Tagesordnung des jüngsten Ausschusses für Umwelt, Klimaschutz, Infrastruktur und Verkehr abgeräumt und soll erst wieder aufgerufen werden, wenn die Verwaltung mit den Nachbarn des Obdachlosenasyls an der Sackgasse abseits der Altenberger-Dom-Straße gesprochen hat.

Eine solche Vorabinformation der Anlieger war nämlich zuvor vereinbart worden, aber die Verwaltung hatte das nach eigenem Bekunden „vergessen“. Ob es aber mit einer simplen Information der Bevölkerung getan ist, ist fraglich, denn das Ziel ist ja, durch das Gespräch die Akzeptanz für die umstrittene Einrichtung zu erhöhen. Das erklärte Ziel der Anwohner ist hingegen, die Zahl der Heimplätze unbedingt zu senken: Die angezielten 54 Plätze stellen nach ihrer Zählung mehr als eine Verdoppelung der bisherigen Belegungsdichte dar und seien schlechterdings unzumutbar.

„Wir haben Angst“

„Wir leben seit 50 Jahren mit dem Haus und seinen Bewohnern, wir wissen was da auf uns zukommt und wir haben schlichtweg Angst davor,“ erklären Karin und Curt Distler, die unmittelbar neben dem Objekt leben. „Die Situation hat sich in den letzten Jahren erheblich verschlimmert. Früher wurden da sozial Schwache untergebracht, die das Dach über dem Kopf verloren hatten, heute sind das ausschließlich Männer mit Drogen- und/oder Alkoholproblemen in erheblichem Ausmaß.“

Immer wieder grobe Belästigungen

Zwar sollen in den Gebäuden Hoppersheider Busch 9 und 9a bisher 47 Plätze vorhanden gewesen sein., doch tatsächlich seien die insgesamt dreißig Zimmer in den letzten Jahrzehnten durchweg nur einzeln belegt worden. „Es waren eher immer um die 20 Bewohner, so dass die geplanten 54 Plätze mindestens eine Verdopplung bedeutet“, präzisieren die Distlers. „Schon jetzt sind wir regelmäßig mit Brandstiftung, Drogen, Beschaffungskriminalität, Prostitution und insbesondere in jüngster Zeit mit sexueller Belästigung sämtlicher Anwohnerinnen einschließlich der Minderjährigen konfrontiert.“

Die Situation in der Sackgasse ist so, dass die Bewohner der rund zwei Dutzend Haushalte am unteren Hoppersheider Busch die Unterkunft passieren müssen, wenn sie ihre Straße verlassen wollen. Nicht nur Kinder sondern auch weibliche Jugendliche werden per Auto zur Schule und allen Veranstaltungen gefahren, weil es immer wieder zu groben Belästigungen kam. „Wir sind jetzt schon Gefangene unserer Straße“, heißt es.

Zwar sieht der Verwaltungsvorschlag für die neue Anlage zwei Büroeinheiten vor, diese sollen aber, wie Anwohner von der Stadt erfuhren, aufgrund fehlender finanzieller Mittel nur stundenweise durch Hausmeister besetzt sein, so dass allenfalls eine rudimentäre Aufsicht und schon gar keine Betreuung gegeben sei. „Bei allem Verständnis für die Situation der unterzubringenden Personen, mit denen wir seit vielen Jahren Haus an Haus zusammenleben, ist eine weitere Verdichtung nicht mehr erträglich “, stellen die Distlers fest.

Spagat zwischen zwei wichtigen Zielen

Für Kämmerer Frank Stein, der die Gespräche mit den Anwohnern zur Chefsache gemacht hat, bedeutet das einen Spagat zwischen zwei wichtigen Zielen: „ Es besteht ein großes Interesse, mit den Anwohnern übereinzukommen“, betont Stadtsprecher Martin Rölen. „Aber wir haben ebenfalls ein Interesse, unserer Verpflichtung nachzukommen, Unterbringungsmöglichkeiten für die betroffenen Personenkreise bereitzustellen und zu sichern.“

Die Stadt scheint das Problem lösen zu wollen, indem sie den Arbeitsauftrag der Politik auf unterster Sparflamme kocht: Statt eines Informationsabends für alle Anwohner der Sackgasse wurde nur den drei unmittelbaren Nachbarn ein Gesprächstermin angeboten: heute morgen um neun Uhr im Büro der Fachbereichsleiterin Soziales. Da müssen normale Erwachsene arbeiten: „Wir mussten uns alle kurzfristig freinehmen dafür“, sagt Curt Distler.

Ob der Termin heute allerdings reichen wird, ist fraglich. „Es ist noch offen, ob wir das schon am 5. Dezember in den nächsten Infrastrukturausschuss bringen können“, räumt Rölen deswegen ein. „Genaueres könne wir erst am 30. November sagen.“ Dann steht der Sozialausschuss an, der einen ersten Sachstandsbericht entgegennehmen soll. Beschließen kann er den Neubau aber nicht.

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