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„Wir setzen auf intensive Präsenz“Interview mit künftigen Bürgermeister von Gladbach

Lesezeit 5 Minuten
Frank Stein (l.) im Gespräch mit Mitarbeitern des Ordnungsamtes bei ihrem Kontrollgang durch die Innenstadt.

Frank Stein (l.) im Gespräch mit Mitarbeitern des Ordnungsamtes bei ihrem Kontrollgang durch die Innenstadt.

  • Frank Stein ist Dezernent und künftiger Bürgermeister vonm Bergisch Gladbach.
  • Zudem leitet er den Krisenstab während der Corona-Pandemie.
  • Wie die Arbeit im Stab funktioniert, wie die derzeitige Lage bewertet wird und welche Rolle das Ordnungsamt dabei spielt.

Bergisch Gladbach – Frank Stein, Dezernent und künftiger Bürgermeister Bergisch Gladbachs, leitet den Stab für besondere Ereignisse in der Corona-Zeit. Im Gespräch mit Uta Böker erklärt er, was der Stab macht und wie er die Lage beurteilt.

Es gilt derzeit die Gefährdungsstufe 2, die Zahl der Corona-Infizierten ist im Kreis stark gestiegen. Stand am Freitag gibt es in Bergisch Gladbach 112 Corona-Infizierte und 20 neue Infektionen. Ist die Stadt in Alarmbereitschaft?

Frank Stein: In gewisser Weise, ja. Seit März sind wir im Dauereinsatz, mit dem Ziel, die Pandemie in Schach zu halten und alle wichtigen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens zu erhalten. Vom ersten Tag an haben wir alle Restriktionen sehr ernst genommen, indem wir nicht auf Risiko setzen, sondern auf Sicherheit. Als Basis unserer Arbeit gehen wir aber davon aus, dass wir mindestens bis ins Frühjahr kommenden Jahres mit der aktuellen Lage konfrontiert sein werden.

Was genau koordiniert der Stab für besondere Ereignisse und wie verlaufen die Treffen?

Unser Stab heißt zwar anders, ist aber de facto ein Krisenstab. Seit März hatten wir über 70 Sitzungen, an denen alle Fachbereiche plus Feuerwehr teilnehmen. Im Grunde ist dieses Instrument eine besondere Organisationsform der Verwaltung, die darauf ausgerichtet ist, mit schnellen Entscheidungen die Krise zu bewältigen. Ich erinnere mich an eine spektakuläre Entscheidung zu Beginn der Pandemie, als wir samstags morgens von einer privaten Feier mit sehr vielen Menschen erfuhren, die wir auflösen mussten. Dann ist schnelles und konsequentes Handeln gefragt.

Wie ist die Lage derzeit mit den verschärften Maßnahmen wie Sperrstunde in der Gastronomie und Verbot von Alkoholausschank?

Sie sind erst seit kurzem in Kraft, deshalb haben wir noch keine Erfahrungswerte. Aber meine subjektive Wahrnehmung ist, dass sich der ganz überwiegende Teil der Bürgerinnen und Bürger an die Einschränkungen hält. Meine Hoffnung ist, dass der eine oder andere Unvernünftige noch ins Nachdenken kommt. Natürlich ist es unser Job, die Maßnahmen durchzusetzen. Am Wochenende werden gezielte Kontrollen stattfinden.

Aber das Ordnungsamt kann ja jetzt nicht in jede Kneipe oder in jeden Partykeller schauen.

Das ist ein Spagat, den wir bei der ordnungsbehördlichen Arbeit immer haben, denn die Privatsphäre betrachte ich im höchsten Maße als schützenswert. Kontrolliert wird gezielt und anlassbezogen in Zusammenarbeit mit der Polizei, wenn Anzeigen vorliegen. Außerdem setzen wir auf intensive Präsenz in allen Stadtteilen.

Wie viele Ihrer Mitarbeiter sind im Außendienst?

Anfang des Jahres ist der Stadtordnungsdienst von drei auf zwölf Mitarbeiter aufgestockt worden. Die Entscheidung fiel übrigens unabhängig von Corona. Das Team wird verstärkt durch zwei Beschäftigte einer Sicherheitsfirma.

Welche Verstöße stehen in Bergisch Gladbach ganz oben auf der Liste?

Ganz oben auf der Liste stehen bisher Verstöße gegen den Aufenthalt im öffentlichen Raum mit mehr als der zulässigen Personenzahl. Bisher wurden in diesen Fällen rund 240 Bußgelder zu je 200 Euro verhängt. In 15 Fällen gab es Bußgelder wegen Essen in der Nähe der Ausgabestelle. Im Bereich Gewerbe waren es 20 Bußgelder, die mit bis zu 2000 Euro aber höher ausfallen. Wegen Masken sind es rund 50 Bußgelder, die fällig wurden. Einen Schwerpunkt bilden hierbei Verstöße gegen die Maskenpflicht an Haltestellen des ÖPNV.

Wie viele Kontrollen wurden insgesamt absolviert?

Mit noch nicht bearbeiteten Fällen sind es zirka 350. Was auffällt ist, dass immer öfter Einspruch eingelegt und ein Anwalt eingeschaltet wird. 20 bis 30 Fälle müssen noch vor Gericht geklärt werden.

Größere private Feiern mussten ja angemeldet werden. Liefen in der Verwaltung die Drähte heiß?

Ja, in der Tat, das war so. Aber durch die jetzige Beschränkung auf zehn Leute hat sich das Thema erledigt. Ausnahmegenehmigungen können wir nicht erteilen. Ich kann nur an alle den dringenden Appell richten, dies zu akzeptieren. Verstöße werden teuer: für den Veranstalter 500 bis 2000 Euro, Gäste sind mit 250 Euro dabei. Das Geld kann man sinnvoller ausgeben.

Die Mitarbeiter kommen doch bestimmt bis an die Grenze der Belastbarkeit?

Ja, das ist so. Der Dauereinsatz seit März bringt viele an ihre Belastungsgrenze. Ihrem Engagement gebührt große Anerkennung. Das gilt auch für diejenigen Beschäftigten in der Verwaltung, die nicht direkt mit dem Thema Corona zu tun haben. Wir haben strenge Regeln, die die Arbeit nicht einfacher machen: Masken tragen, Abstand halten, Videokonferenzen. Was an den Kassen im Supermarkt gilt, gilt auch an den Schaltern im Bürgerbüro: Mund-Nase-Schutz tragen den ganzen Tag.

Was sagen Sie den Betreibern von Restaurants, Kneipen und Hotels sowie Kulturschaffenden, die extrem unter der Krise leiden?

Das ist ein großes Problem, dessen wir uns bewusst sind. Was wir als Stadt unterstützend leisten konnten, haben wir gemacht: die Sondergebühren für Außengastronomie ausgesetzt, mehr Flächen für die Außengastronomie bewilligt. Außerdem hilft der städtische Stärkungsfonds Kultur mit 100 000 Euro. Aber mit städtischen Mitteln können wir die Krise nicht beheben, sondern nur unseren Beitrag leisten. Nach der Krise können wir helfen, indem wir Räumlichkeiten für Veranstaltungen kostengünstig anbieten.

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Wie können Sie den Gladbachern ihre Ängste nehmen?

Es muss unser Ziel sein, einen zweiten Lockdown zu verhindern. Das hätte sonst katastrophale Folgen für Dienstleister und Unternehmer. Es ist extrem wichtig, dass alle durch vernünftiges Verhalten dies verhindern. Auch damit wir unseren Kindern ermöglichen, in Kindergärten und Schulen zu gehen. Die Stadt wird an die Grenze des Leistbaren gehen, um alle zu unterstützen. Wir müssen es trotz allem schaffen, dass wir uns auf die Zeit nach Corona freuen können. Damit wir dann alle die Ärmel aufkrempeln!

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