„Wirtschaftlich angespannt“Zanders Betriebsrat verbreitet alarmierendes Flugblatt

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An dieser Maschine bei Zanders werden neue Papiersorten entwickelt und ausprobiert.

An dieser Maschine bei Zanders werden neue Papiersorten entwickelt und ausprobiert.

Bergisch Gladbach – In den vergangenen Monaten wurden von der Papierfabrik Zanders immer wieder positive Nachrichten über die eigene wirtschaftliche Entwicklung verbreitet. Neue Produkte wurden angepriesen und die gesteigerte Produktivität betont. Gestern verteilte der Betriebsrat ein Flugblatt, das ein ganz anderes Bild zeichnet. Darin heißt es unter anderem: „Die wirtschaftliche Situation bei Zanders ist sehr angespannt.“

Schlechte Stimmung und Sorgen

Der Zanders-Betriebsratsvorsitzende Taner Durdu wendet sich direkt an seine rund 500 Kollegen. Im Gespräch mit dieser Zeitung sagte er: „Die Stimmung im Werk ist schlecht und ich musste reagieren.“ Im Flugblatt heißt es: „In den letzten Monaten gab es verstärkt Diskussionen über die wirtschaftliche Lage der Zanders GmbH. Wir waren beunruhigt, dass die Löhne und Gehälter nicht mehr gezahlt werden können, dass das Werk geschlossen wird oder wir auf noch mehr Einkommen zur Sanierung von Zanders verzichten müssen.“

Aber Durdus Botschaft an die Kollegen ist auch, dass es weiter geht und er weiter an die Zukunft von Zanders glaubt. Er sagt: „Wir haben so viel in den vergangenen zwei Jahren erreicht, wir können es schaffen.“

Verzicht auf zusätzliche Gelder

Erst einmal sollen er und seine Kollegen aber auf Geld verzichten. Dabei geht es nicht um das normale Gehalt. Diese Zahlungen seien gesichert. Aber die Mitarbeiter waren zum Beispiel an dem Grundstücksgeschäft mit der Stadt beteiligt: Teile der Firmenfläche wurden an die Stadt verkauft (wir berichteten) und von dem Verkaufserlös sollten zehn Prozent der Belegschaft zugutekommen.

Die Stadt hat den kompletten Preis – die Rede ist von rund 13 Millionen Euro – überwiesen, aber bei der Belegschaft kommt das Geld nicht an. Ein weiterer dicker Posten, den der Betriebsrat sichern will, sind die Überstunden. Durdu spricht von Überstunden im Wert von rund 1,6 Millionen Euro. Auch auf die Auszahlung, beziehungsweise den Abbau der Überstunden, soll die Belegschaft zunächst verzichten.

Für den Betriebsrat sind das alles Opfer, um für die Sanierung Zeit zu gewinnen. Um die Gelder zu sichern, soll eine Gesellschaft gegründet werden, die sich ins Grundbuch der noch nicht verkauften Grundstücke eintragen lässt. Ein laut Betriebsrat bundesweit einzigartiges Konstrukt.

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Pressesprecher bestätigt wirtschaftliche Lage

Tobias Müller, Pressesprecher von Zanders, kennt das Flugblatt und bestätigt, dass das Unternehmen in einer „schwierigen wirtschaftlichen Lage“ sei. Grund dafür seien die extrem gestiegenen Rohstoffpreise. Bis zu 50 Prozent seien zum Beispiel die Preise für Zellstoff gestiegen. Er verweist auf zwei deutsche Papierfabriken, die deshalb in die Insolvenz gehen mussten. „Wir wollen unsere Hausaufgaben machen, damit das nicht passiert. Deshalb halten wir unser Geld zusammen und dazu gehört auch der Plan, dass die Belegschaft einen Teil ihrer finanziellen Forderungen zurückstellen soll.“

Grundsätzlich sei das Unternehmen auf einem guten Kurs. Der Umsatz steige kontinuierlich und der Eigentümer von Zanders, die Mutares AG in München, stehe nach wie vor hinter dem Unternehmen.

Um welche internen „Missstände“ handelt es sich?

Beim Betriebsrat werden allerdings nicht nur die steigenden Rohstoffpreise als Ursache für die Misere genannt. Dort ist die Rede von „Missständen innerhalb von Zanders, die schnellstmöglich gelöst werden müssen“. Der Betriebsrat kündigt ein eigenes Konzept an, das ausgearbeitet werde.

Unklar ist, wieweit die Münchener Mutares eigenes Geld ins Zanders stecken wird. Durdu spricht von einer „festen Liquiditätszusage“, Müller davon, dass Mutares Garantien übernehmen werde, ohne dass aber tatsächlich Geld fließt.

Zanders Verluste wurden zurückgefahren

Im Mai 2015 kaufte die Mutares AG die Zanders-Papierfabrik von der finnischen Metsä Group. Damals mit dem erklärten Ziel, die Firma innerhalb von dreieinhalb Jahren zu verkaufen – Firmen in Schieflage zu kaufen und zu sanieren, ist das Geschäftsmodell von Mutares. Metsä erzielte keine Einnahmen durch den Verkauf von Zanders, sondern musste dem Käufer noch Geld mitgeben. Immer unter der Bedingung, alle Verpflichtungen zu übernehmen. Rund 50 Millionen Euro soll Metsä an Mutares überwiesen haben. Eigenes Kapital stellte Mutares für die Sanierung nicht zur Verfügung. Zum Zeitpunkt des Verkaufs machte Zanders pro Jahr über 20 Millionen Euro Verluste. Die Verluste sind laut Zanders auf einen einstelligen Millionenbetrag reduziert worden. (nie)

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