130 Jahre FamilieunternehmenIm Gladbacher Verlagshaus Heider endet der Zeitungsdruck

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Drucker Rainer Müller (2.v.l.) war in der letzten Schicht dabei, hier mit (v.l.) Hans-Martin Heider, Claudio Heider und Peter Brombach.

Drucker Rainer Müller (2.v.l.) war in der letzten Schicht dabei, hier mit (v.l.) Hans-Martin Heider, Claudio Heider und Peter Brombach.

Bergisch Gladbach – „Der letzte macht die Türe zu“ steht auf einer Girlande, die zwischen Zeitungsdruckmaschine und Hallenwand gespannt ist. Die Maschine steht still. In der Nacht zu Montag ist hier zuletzt gedruckt worden: die aktuelle Ausgabe des „Kicker“. Rainer Müller war dabei. „Ein merkwürdiges Gefühl“, sagt er, „zu wissen, dass danach nix mehr laufen wird.“ 49 Jahre lang ist der 63-Jährige bereits im Familienunternehmen Heider tätig, hat hier schon seine Ausbildung zum Buchdrucker gemacht, zuletzt an der großen Zeitungsrotation gearbeitet.

Jetzt räumt er noch auf. Zum gestrigen Monatsende hat Heider wie berichtet seine Sparten Zeitungs- und Offsetbogendruck stillgelegt, allein Digitaldruck, Druckvorstufe und der Verlag bleiben auf dem Gelände an der Paffrather Straße noch erhalten. Mehr als 130 Jahre Bergisch Gladbacher Druckereigeschichte sind diese Nacht zu Ende gegangen.

Bogendruckmaschine wird in die USA verkauft

„Farbe, Wasser und Öle müssen aus der Maschine noch raus“, sagt Drucker Rainer Müller und schaut die Zeitungsdruckmaschine entlang, die noch 2014 um einen vierten Druckturm erweitert worden war, um 64-seitige Zeitungen darauf in einem Durchgang drucken zu können. Vierfarbig. Jetzt soll sie verkauft werden. So wie die erst 2019 für vier Millionen Euro angeschaffte Achtfarben-Bogendruckmaschine, für die es bereits einen Käufer gibt. „Die geht in die USA“, sagt Hans-Martin Heider. Die Gebrauchtmaschinenhändler hätten sich in den vergangenen Monaten die „Klinke in die Hand gegeben“.

„Das tut schon weh“, sagt Hans-Martin Heider, der Verlag und Druckerei zusammen mit seinem Bruder Roberto in der vierten Generation führt. „Aber es ging nicht anders. Hätten wir nicht reagiert, als wir vergangenes Jahr zwei große Druckaufträge verloren haben, wäre ein Sozialplan nicht mehr drin gewesen“, sagt Hans-Martin Heider. Betriebsratsvorsitzender Christoph Mentzel nickt: „Auch wenn es eine bedrückende Situation ist, wenn sich manche verabschieden. Manche hier sind schließlich seit über 40 Jahren dabei.“ Ein Kollege habe ihm gesagt: „Heider ist wie eine Familie für mich gewesen“, so Mentzel.

65 Mitarbeiter verlieren ihre Anstellung im Verlagshaus

Lediglich 15 Mitarbeiter behalten in Digitaldruck, Druckvorstufe und Verlag im Hause Heider ihren Arbeitsplatz. Einige weitere sind in die mit Druckereibesitzer Jörg Jakobs aus Erkelenz neu gegründete Gesellschaft in Köln-Mülheim gewechselt. 65 fest angestellte Mitarbeiter haben durch die Schließung der Drucksparten im Hause Heider ihre Arbeit verloren. Immerhin hätten zwei Drittel bereits neue Jobs gefunden, so Mentzel, eine Reihe weiterer Kollegen wechsele zudem in den Ruhestand. „Die Stimmung ist nicht so negativ, wie man hätte meinen können“, sagt der Betriebsratschef.

Zum Abschluss gab es sogar noch eine Corona-Beihilfe für alle, die am Ende noch da waren. „Wenn wir nicht rechtzeitig reagiert hätten und irgendwann den Insolvenzverwalter hiergehabt hätten, wäre so etwas oder auch die Abfindungen nicht mehr möglich gewesen“, sagt Hans-Martin Heider und ist froh und dankbar: Mitarbeiter und Kunden hätten tapfer alles dafür getan, dass die Druckerei bis Ende Juni habe arbeiten können.

Entscheidung gegen den Sport und für das Familienunternehmen

Hans-Martin Heiders Sohn Claudio ist seit einigen Monaten nach Abschluss seines BWL-Studiums ins Unternehmen eingestiegen, er ist jetzt bei allen Entscheidungen über Vermietungen der leer werdenden Räume dabei. Eine Zeit lang habe er überlegt, beruflich in den Sport zu gehen, sagt der erfolgreiche Spieler des SV Bergisch Gladbach 09. „Aber dann hätte ich jetzt wechseln müssen.“

Er habe sich für das Familienunternehmen entschieden, auch wenn er sich durchaus einen Einstieg in einer leichteren Zeit gewünscht hätte. „Aber jetzt will ich hier schon etwas Neues mit aufbauen“, sagt der 25-Jährige mit fester Stimme. „Die einen Türen schließen sich, andere öffnen sich“, sagt sein Vater.

Tochterbetrieb übernimmt ab jetzt die Vermarktung einer Zeitung

Für einen Teil der Gebäude sind bereits neue Mieter gefunden, auch Wohnbebauung auf bislang unbebauten Teilen des Firmenareals im Mischgebiet von Wohnen und Gewerbe an der Paffrather Straße ist denkbar. Ein Tochterbetrieb des Wort und Bild Verlags wird künftig neben dem Joh. Heider Verlag im Heiderschen Empfangsgebäude seinen Sitz haben und für die Vermarktung der Zeitung des Sozialverbands VdK zuständig sein, die bislang bei Heider produziert wurde. Künftig wird sie in der Druckerei Weiss in Monschau gedruckt – und mit einer Einsteck- und Versandmaschine von Heider weiterverarbeitet.

In der erst vor wenigen Jahren neu errichteten Halle auf dem Heiderschen Firmengelände ist gerade eine Spezialfirma damit beschäftigt, die riesige Maschine mit den Transportketten abzubauen und nach Monschau zu verfrachten. Drucker Rainer Müller hilft beim Verladen der Maschinenteile. Einen Monat hat er noch zu tun im Hause Heider, dann gilt er als arbeitssuchend. In einem halben Jahr wird er die Rente beantragen.

Mitarbeiter: Vier Generationen Heider kennengelernt

Für Achim Wiesemöller war bereits gestern Schluss. Um 6.15 Uhr begann seine letzte Schicht. Die Inventur zum Geschäftsabschluss ist bereits gemacht, jetzt geht’s nur noch ans Aufräumen. „Die letzten Stunden nochmal von oben nach unten gucken“, sagt er, als er am Mittag mit Geschäftsführer Heider und Betriebsratschef Mentzel im Verlagsbesprechungsraum im ersten Stock sitzt. Am 1. August 1973 habe er hier angefangen. „Ich habe vier Generationen Heider kennen gelernt“, sagt Wiesemöller nachdenklich.

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Fast zeitgleich mit Rainer Müller hat er damals die Ausbildung begonnen, erinnert sich noch genau daran, wie sie am ersten Tag die Berufsschule in Köln gesucht haben: „Am Ende sind wir dreimal über den Rhein drüber, bevor wir sie gefunden hatten“, sagt er schmunzelnd. Dann wird er nachdenklich: „Wenn ich heute hier rausgehe – bin ich raus“, sagt er: „Aber viele Erinnerungen, die gehen mit.“

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