Abo

Bergisch GladbachAnwohner fordern mehr Kontrollen in 30er-Zonen gegen Raser

Lesezeit 4 Minuten

Bergisch Gladbach – Immer wieder fordern Anwohner, die Regeln im Straßenverkehr in ihren Wohnvierteln mit mehr Kontrollen durchzusetzen. Manche Kritiker halten dagegen Radarfallen für reine Abzocke. Doch viel Geld verdient die Stadt bei ihren Kontrollen nicht.

„Jeden Tag wird hier gerast. In beiden Richtungen“, sagt Manfred Faust, Anwohner der Golfplatzstraße in Refrath. Trotz eines Tempolimits von 30 Stundenkilometern. „Da hält sich kaum einer dran“, sagt Faust.

Von Berufspendlern genutzt

Wie aufs Stichwort braust eine schwarze Limousine mit geschätzten 70 Sachen über die schmale Straße, die jeden Tag von Berufspendlern als Verbindung zwischen Refrath und Bensberg genutzt wird.

Alles zum Thema Nürburgring

Immerhin sorgt das Blitzlicht der Kamera des Zeitungsfotografen dafür, dass die nachfolgenden Autos irritiert den Fuß vom Gas nehmen – erinnert der grelle Lichtstrahl doch an die typische Blitzlampe eines Radargeräts.

Ihm geht es um die Sicherheit, sagt Faust. Anwohner, die aus ihren Garagen fahren wollen, haben durch parkende Autos und eine leichte Rechtskurve nur eine eingeschränkte Sicht. „Kommen die Wagen dann mit hohem Tempo angedonnert, kracht es“, sagt Faust. Seiner Frau sei das schon passiert, einer Nachbarin auch. Und der 70-Jährige denkt an die vielen Schüler auf dem Fahrrad, die durch Überholmanöver in Gefahr gerieten. Bereits viermal habe er seine Bitte nach Kontrollen per E-Mail bei der Polizei und der städtischen Ordnungsbehörde vorgetragen: „Keine Antwort.“ Er fühle sich nicht ernst genommen, sagt der 70-Jährige. Polizeisprecherin Sheila Behlert sagt: „Geschwindigkeit ist und bleibt Killer Nummer eins und führt zu schweren Verkehrsunfällen.“

Deshalb bilde die Verkehrssicherheitsüberwachung einen Schwerpunkt. Die Beamten des Verkehrsdienstes würden täglich nahezu ausschließlich zur Überwachung des fließenden Verkehrs eingesetzt. Der Wach- und Wechseldienst kontrolliere ebenfalls. „Die Standorte müssen aber mit Bedacht ausgewählt werden, da die Polizei für das gesamte Kreisgebiet zuständig ist“, sagt Behlert. Die Standorte werden mit der Ordnungsbehörde der Stadt Bergisch Gladbach abgestimmt. Vorrangig sollten Unfallhäufungsstellen sowie schutzwürdige Zonen wie Kindergärten, Schulen oder Seniorenheime überwacht werden, sagt Stadtsprecherin Marion Linnenbrink.

Weder sinnvoll noch gerechtfertigt

Die Überwachung an diesen Stellen ganztägig und ganzjährig sei weder sinnvoll noch gerechtfertigt. Stattdessen werde gezielt und mobil in den brisanten Zonen überwacht. In der Stadt gibt es sechs fest installierte Starenkästen, die mit drei Kameras im Wechsel betrieben werden. In Kürze solle es eine Ausschreibung geben mit dem Ziel, sechs Anlagen mit neuer Technik dauerhaft einzusetzen.

Insgesamt hat die Stadt im Jahr 2016 rund 526 000 Euro durch Buß- und Verwarngeld eingenommen. Das Geld fließt in den allgemeinen Haushalt. Hinweisen aus der Bevölkerung werde regelmäßig nachgegangen, sagt Linnenbrink.

Im Vorfeld werde ein Verkehrsdatenmessgerät aufgehängt, das die Anzahl der Fahrzeuge und die gefahrenen Geschwindigkeiten festhält. „Oftmals kann hierbei festgestellt werden, dass das subjektive Empfinden der betroffenen Anwohner nicht den tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeiten entspricht“, sagt Linnenbrink.

Anfragen werden bevorzugt behandelt

Manfred Faust ist sich sicher, dass ein solches Messgerät für die Golfplatzstraße „katastrophale Werte“ liefern würde. Die Polizei behandelt Anfragen bevorzugt, „wenn sich Hinweise auf Verkehrsgefährdungen ergeben“, erläutert Sheila Behlert. Grundsätzlich würden alle Mitteilungen aus der Bevölkerung in die Liste „gewünschte Messstellen“ aufgenommen. Der Verkehrsdienst berücksichtige sie bei der Auswahl.

Hans-Dieter Thamm aus dem Stadtteil Sand glaubt, dass es viele Stellen im Stadtgebiet gibt, wo eine Geschwindigkeitskontrolle sinnvoller sei. In der Zeitung lese er immer dieselben Standorte, wo geblitzt werde wie Kaule oder In der Auen.

Dabei ärgert sich Thamm über die Rücksichtslosigkeit von Autofahrern in der 30er-Zone der Schützheide sowie auf dem Rheinhöhenweg: „Das geht hier zu wie auf dem Nürburgring.“ Mit 60 bis 80 Sachen rasten die Leute dort entlang, oft „nur eine Handbreit entfernt“ von den Kindern der dortigen Kindertagesstätte. Unter den Rasern seien viele Anwohner, das findet Thamm besonders erschreckend. Sarkastisch bemerkt er: „Es muss wohl erst etwas passieren, bevor die Ordnungsbehörde eingreift.“

Gefahrenträchtige Straßen

Das Straßennetz in Bergisch Gladbach umfasst rund 430 Kilometer. Davon sind 73 Kilometer Bundes-, Land- und Kreisstraßen, von denen 39 Kilometer Ortsdurchfahrt sind und somit in die Verantwortung der Stadt fallen. Wie viele Schulen, Kitas und Seniorenheime darin liegen, ist nicht erfasst, die Tempo 30-Zonen ebenfalls nicht.

Die Länge der Anliegerstraßen beläuft sich auf rund 265 Kilometer. Dabei handelt es sich laut Stadtverwaltung überwiegend um Tempo-30-Gebiete – entweder ausgeschildert oder vom Charakter der Straße her naheliegend. Die Unfallkommission (Straßenverkehrsamt, Straßenbaubehörde und Polizei) hat für Bergisch Gladbach aktuell zehn Unfallhäufungsstellen festgelegt. Hauptkriterium ist dabei die Anzahl der Unfälle: Handstraße/Franz-Hitze-Straße; Handstraße/ Schmidt-Blegge-Straße; Handstraße/ Alte-Wipperfürther/ Paffrather Straße; Hauptstraße/ An der Gohrsmühle; Kreisverkehr Driescher Kreisel; Neufeldweg/ Frankenforster Straße; Bensberger Straße/ Hüttenstraße; Vürfelser Kaule/ Wickenpfädchen; Vürfelser Kaule/ Lustheide/ Frankenforster Straße sowie Rather Weg/Landesstraße 358.

6018 Unfälle gab es 2016 im Rheinisch-Bergischen Kreis. Dabei verunglückten 607 Menschen, fünf starben. Zu den tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeiten kann die Polizei keine Aussagen machen. Aus Sicht der Polizei stellen Kontrollen aber „einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit auf den Straßen dar.“ (ub)

KStA abonnieren