Bergisch GladbachZwei Drittel der SPD-Mitglieder gegen die Große Koalition

Lesezeit 3 Minuten
Marcel Kreutz wird als Delegierter aus Rhein-Berg am Sonntag über den Kurs der SPD mitentscheiden.

Marcel Kreutz wird als Delegierter aus Rhein-Berg am Sonntag über den Kurs der SPD mitentscheiden.

Bergisch Gladbach – Am Ende war das Ergebnis doch eindeutig: Zwei Drittel der anwesenden SPD-Mitglieder stimmten gegen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU. Diese Probeabstimmung in der Volkshochschule Buchmühle hat keine bindende Wirkung. Sie war der Schlusspunkt einer Veranstaltung, die vor allem eines zeigte: Für die SPD ist die Frage einer Beteiligung an der Großen Koalition (Groko) eine Zerreißprobe. Die Partei sieht sich vor einer „historischen Entscheidung“. Es ging hoch her.

Dabei hatte Kreisparteichef Robert Winkels offiziell zur Erstellung eines „Stimmungsbildes“ eingeladen. Das hört sich ja eher nach einer gemütlichen Diskussionsrunde an. Als Gastrednerin sollte die Bundestagsabgeordnete Michaela Engelmeier aus dem Oberbergischen sprechen – der Sturm hielt die Politikerin auf. Im Saal tobte ein ganz anderer Sturm. Marcel Kreutz, der Delegierte für den Bundesparteitag am Sonntag, ergriff statt Michaela Engelmeier das Mikrofon und in seiner Stimme klang schon etwas Schicksalhaftes mit. Kein Freund der Großen Koalition sei er – aber noch unentschieden.

Und dann kam buchstäblich jeder im Saal zu Wort. Immerhin 50 SPD-Mitglieder waren gekommen. Eine für die Partei große Resonanz.

Keine Stallregie

Da es keine Stallregie gab, verlief die Diskussion nach ihrer eigenen Dramaturgie. Am Anfang, bei den ersten Wortmeldungen, gaben die Befürworter der Großen Koalition den Ton an. Ihre Argumente: Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche seien eine gute Basis für Koalitionsgespräche, vor allem weil Europa vorangebracht werde und es in vielen anderen Bereichen Schritte in die richtige Richtung gebe. Kleine Schritte, aber immerhin. Die Alternative zur Groko seien Neuwahlen – und die könne doch niemand in der SPD wollen. Die Gefahr einer weiteren Stärkung der AfD wurde mehrfach beschworen. Langsam aber kippte die Stimmung im Saal.

Richtig lauten Applaus gab es für einen Redner, der es als „unerträglich“ bezeichnete, mit der CSU gemeinsam zu regieren. Diesem Pfad folgend wurde anschließend das CSU-Führungspersonal durchdekliniert – für die anwesenden Sozialdemokraten mit der Wirkung einer Fahrt in der Geisterbahn.

Eingestreut gab es immer wieder fast schon resignierende Wortbeiträge, die die Zwickmühle der SPD beschrieben.

Kein Leuchtturm

In der GroKo würde die SPD Wähler verlieren – und bei einem Nicht-Eintritt in die Groko auch. „Egal, wie wir es machen, wir machen es falsch.“ Häufig wurde argumentiert, dass nur in der Opposition die dringend notwendige Erneuerung der Partei möglich sei. Andere erinnerten daran, dass es nicht um die SPD gehe, sondern um das Land. Europa brauche eine stabile Regierung. Andere im Saal liebäugelten mit einer Minderheitsregierung. Am Ende dann immer Wortmeldungen, die eine sozialdemokratische Handschrift in dem jetzt vorgelegten Papier vermissen. Die Einführung der Bürgerversicherung könne solch ein sozialdemokratischer Leuchtturm sein, für den es sich lohne, in die Groko zu gehen. Aber solch ein sozialdemokratischer Leuchtturm fehle eben.

Aus der Reihenfolge der Wortmeldungen zu schließen, sind die Groko-Gegner eher die zurückhaltenden, ruhigeren SPD-Mitglieder. Die eher gestandenen Genossen wollen auch ihr Führungspersonal nicht im Regen stehen lassen. Schließlich befürwortet die Parteispitze Koalitionsgespräche. Dabei ist der Bundesparteitag am Sonntag noch nicht das letzte Wort. Am Ende soll in einer Mitgliederbefragung abschließend abgestimmt werden. Die Probeabstimmung in der Gladbacher Buchmühle verheißt den Befürwortern einer Groko nichts Gutes: Die Groko-Gegner drängeln sich nicht ans Mikrofon – aber sie stellen die Mehrheit. Zumindest an diesem Abend in Bergisch Gladbach.

KStA abonnieren