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Bergisch Gladbacher UnternehmenMiltenyi Biotec forscht an Corona-Impfstoff

Lesezeit 5 Minuten
Rund 50 Mitarbeiter sind bei Miltenyi Biotec für die Erforschung des Virus eingesetzt.

Rund 50 Mitarbeiter sind bei Miltenyi Biotec für die Erforschung des Virus eingesetzt.

  • Das Unternehmen Milenyi Biotec in Bergisch Gladbach-Bensberg ist eine der größten deutschen Firmen der Biotechnologie-Branche..
  • Nun hilft Miltenyi Biotec bei der Forschung nach einem Corona-Impfstoff.
  • Im Interview erklären Geschäftsführer und Abteilungsleiter, wie die Forschungsarbeiten ablaufen und welche Ziele sie bereits erreicht haben.

Bergisch Gladbach – Eines der größten deutschen Unternehmen der Biotechnologie ist die Firma Miltenyi Biotec in Bergisch Gladbach-Bensberg mit mehr als 3000 Mitarbeitern. Firmengründer Stefan Miltenyi hat ein spezielles Verfahren zur Trennung von menschlichen Körperzellen entwickelt.

Auf Basis dieser Technologie erforscht und entwickelt das Unternehmen Produkte im Bereich der Zellbiologie und der Immunologie. Als sich das Coronavirus SARS-CoV-2 beginnt auf der Welt zu verbreiten, nutzt Miltenyi Biotec sein Know-how, um die Forschung nach einem Impfstoff zu unterstützen. Einblicke in diese hochspezielle Arbeit der Immunologen und Biologen geben Geschäftsführer Dr. Jürgen Schmitz und Abteilungsleiter Dr. Mario Assenmacher.

War Ihnen das Virus SARS-CoV-2 vor dem Ausbruch der Pandemie schon bekannt?

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Schmitz: Als Immunologen kennen wir Coronaviren und sind vertraut mit den verwandten Viren SARS CoV, die die Pandemie 2002 ausgelöst haben und MERS-CoV, auf deren Konto seit 2012 fast 1000 Todesopfer weltweit gehen. Mit diesem speziellen Stamm, SARS-CoV-2, der uns derzeit so viel Ärger bereitet, hatten wir vorher noch nicht zu tun.

Wie gelingt es einem Unternehmen so schnell auf einen neuen Forschungsbereich zu reagieren?

Schmitz: Unser Unternehmen hat sehr viel Fachkenntnis, wenn es um die Forschung mit Zellen geht. Dieses Wissen nutzen wir, um die Zellen des Immunsystems zur Bekämpfung von Krebs einzusetzen oder – wie in den vergangenen Wochen geschehen – an der Entwicklung der Diagnostik um SARS-CoV-2 zu arbeiten. Wir haben die Arbeitsschritte entsprechend angepasst, dadurch konnten wir schnell reagieren.

Woran arbeiten die Teams in Ihren Laboren genau?

Schmitz: Grundsätzlich ist es das Ziel bei einer Impfstoffentwicklung, dieselbe Immunisierung zu erreichen, die auch das Überwinden einer Infektion auslöst – ohne, dass die Person erkrankt. Dafür müssen sich bestimmte Zellen des Immunsystems im Körper vermehren – das sind die Killerzellen, die gegen das Virus arbeiten.

Diese Killerzellen müssen in Kontakt kommen mit Teilen des Virus. So wirkt zum Beispiel die Impfung gegen Masern, Röteln und Mumps. Da viele Menschen die Infektion mit dem Coronavirus überstanden haben und sich wahrscheinlich nicht wieder damit infizieren können, versuchen wir anhand dieser Fälle herauszufinden, wie die Antikörper und die Killerzellen beschaffen sein müssen.

Assenmacher: Um den Immunstatus eines Patienten überwachen zu können, produzieren wir die nötigen Reagenzien, Geräte und Einwegprodukte. Bei der Entwicklung von Nachweisen oder Impfstoffen ist es wichtig, dass möglichst viele Werte einer immunologischen Reaktion erfasst und ausgewertet werden. Erst dann ist einzuschätzen, ob die Strategie richtig ist, oder aber, woran es gelegen hat, wenn sich der gewünschte Erfolg nicht einstellt. Hier setzen viele unserer Produkte an.

Können Sie das an einem Beispiel deutlicher machen?

Schmitz: Stellen Sie sich vor, Sie fahren Auto. Dabei erfasst das Auto einige Daten wie Tempo, Drehzahl oder Temperatur. In einem Formel-1-Wagen ist das anders: Da werden dutzende Daten während der Fahrt erfasst und ausgewertet, um den Wagen noch mehr zu optimieren. So erfassen auch wir zahlreiche Daten. Bis zu 1000 Blutproben werden täglich in unseren Laboren untersucht.

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Wie viele Mitarbeiter sind bei Miltenyi Biotec an den Forschungsarbeiten zum Thema Corona beschäftigt?

Schmitz: Wir haben seit Jahresbeginn über 50 Beschäftigte an unseren Standorten in Bergisch Gladbach und in Teterow in Mecklenburg-Vorpommern für diese Arbeit aus anderen Teams zusammengezogen. Die Arbeit basiert auf dem, was unsere Forschung und Entwicklung in 30 Jahren entwickelt hat.

Haben Sie schon Ergebnisse erzielt, die Ihre Arbeit voranbringen?

Assenmacher: Ja, es ist uns gelungen in Teterow wichtige Reagenzien, Virusfragmente vom Coronavirus Typ2, herzustellen. Diese können wir nutzen, um Virus-spezifische Killerzellen in Patienten, im Verlauf und nach überstandener Krankheit, zu messen und zu isolieren. Damit ist ein erster Schritt geschafft.

Sind schon neue Produkte von Ihnen am Markt?

Assenmacher: Diese Produkte, SARS CoV2 PepTivatoren, haben wir Anfang April auf den Markt gebracht. In Verbindung mit unseren Produkten zur Analyse spezifischer Killerzellen haben wir eine wichtige Methode für die Analyse der Immunreaktion gegen das Virus entwickelt.

Arbeitet Miltenyi Biotec mit anderen Organisationen zusammen?

Schmitz: Wir sind in Gesprächen mit diversen Unternehmen im Bereich Impfstoffentwicklung und pharmazeutischen Unternehmen. Aber es gibt noch keine festen Partner. Darüber hinaus haben wir einen sehr engen Austausch mit vielen Universitäten und Unikliniken, wie auch der Charité in Berlin. Wir stellen dort Material zur Verfügung, dass von den Forschern getestet wird.

Was schätzen Sie, wie lange die Suche nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus noch dauern wird?

Schmitz: Ich vermute, dass bis zum Jahresende das Austesten der Impfstoffe erfolgreich ist. Doch die Tests sind nur eine Seite. Die zweite Seite ist die Herstellung des Stoffes in großen Mengen und seine Verteilung. Denn dafür müssen die Kapazitäten da sein. Und das Medikament muss überhaupt erst zugelassen werden.

Wie beurteilen Sie die anhaltende Kontaktsperre?

Assenmacher: Wir müssen den Verlauf der Erkrankung verstehen lernen. Danach kann man dann auch gezielter handeln.

Schmitz: Die Kontakte untereinander zu reduzieren und auf Abstand zu bleiben ist ein sinnvoller Weg. Denn solange es dem Virus gelingt, Menschen ohne Immunität zu befallen, lebt er auch weiter.

Was muss aus Ihrer Sicht in der Forschung jetzt verstärkt getan werden?

Schmitz: Es sollten mehr Menschen untersucht werden, die schon immun sind gegen das Coronavirus. Denn diese Messwerte bringen unsere Forschungsarbeit weiter voran.

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