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Frank Stein im InterviewStadthaus-Neubau in Bergisch Gladbach steuert auf Neustart zu

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Frank Stein (SPD) ist seit November 2020 Bürgermeister von Bergisch Gladbach.

Frank Stein (SPD) ist seit November 2020 Bürgermeister von Bergisch Gladbach.

Bergisch Gladbach – Am 9. März soll der Hauptausschuss darüber entscheiden, wie es mit dem Projekt des neuen Stadthauses weitergeht. Der eigens für das Projekt eingesetzte Fachausschuss hatte über das 2013 aufgesetzte Projekt nach der Präsentation von mehreren Gutachten ein vernichtendes Urteil ausgesprochen. Mit Bürgermeister Frank Stein sprach Matthias Niewels.

Wenn wir Sie richtig verstehen, fordern Sie, die bisherigen Planungen komplett zu beenden. Sie wollen für das gesamte Projekt einen Neustart.

Stein: Darauf kann es hinauslaufen. Es ist eine ernsthaft zu erwägende Option ist, das bisherige Vergabeverfahren aufzuheben. Der Hauptausschuss wird über unsere Verwaltungsvorlage, an der wir aktuell noch arbeiten, entscheiden. Diesem noch der Politik vorzulegenden Vorschlag will nicht nicht vorgreifen.

Dann fassen wir kurz die Ergebnisse der Präsentation im Fachausschuss zusammen: Die Realisierung des Entwurfs des Architekturbüros Auer Weber kostet nach den jüngsten Schätzungen 81,9 Millionen Euro. Möglicherweise auch 30 Prozent mehr. Weder die Anforderungen durch den Digitalisierungsschub, noch die Ansprüche des ökologischen Bauens berücksichtigt der Entwurf. Ganz davon zu schweigen, dass die Verwaltung personell derzeit überhaupt nicht in der Lage ist, ein solches Großprojekt zu begleiten.

Keine Fraktion hat im Fachausschuss diesen Tatsachen widersprochen. Die Fakten sind wie sie sind und weglaufen geht nicht.

Es geht hier um Gladbachs größtes städtebauliches Projekt, das komplett gegen die Wand gefahren wurde. Wo sind die Fehler gemacht worden? Wer sind die Verantwortlichen?

Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden. Ich werde mich nicht daran beteiligen, nun die Schuldigen zu suchen und an den Pranger zu stellen. Alle sind heute sicher schlauer. Wer hätte vor fünf Jahren auch nur ansatzweise diesen Digitalisierungsschub durch die Corona-Krise vorhergesagt? Wir müssen nach vorne schauen. Der Bürgermeister Frank Stein hat jetzt die Aufgabe, das Projekt des neuen Stadthauses zu einem Erfolg zu machen. Es ist gut, dass das Projekt noch in einem Stadium ist, in dem das notwendige grundsätzliche Hinterfragen noch rechtlich und tatsächlich möglich ist.

Wieder neu planen, wieder neue Berechnungen. Bei Bauprojekten muss man doch irgendwann anfangen, ständig verändern sich die Voraussetzungen.

Sicher, aber bei dem Projekt des Stadthauses haben sich die Voraussetzungen sehr grundsätzlich geändert. Die Bürgerschaft hat einen Anspruch darauf, dass auch wir als Verwaltung uns selbstkritisch überprüfen. Es ist geplant worden und es sind Entscheidungen getroffen worden, die sich heute als problematisch herausstellen. Die Kernfrage lautet, ob wir die nötigen Veränderungen in den jetzigen Prozess unterbringen können oder ob ein grundsätzlicher Neustart notwendig ist. Also ob der Entwurf von Auer Weber Grundlage der weiteren Planung sein kann.

Und?

Wir prüfen das derzeit final und werden dem Hauptausschuss einen Vorschlag dazu machen. Ich will nicht verschweigen, dass es beachtliche Argumente für einen grundsätzlichen Neustart gibt. Auf jeden Fall kann ich Ihnen sagen, dass weder die Sanierung der alten Stadthäuser eine Option für mich ist, noch ein Neubau auf dem Zanders-Gelände. Alle anderen Optionen müssen wir prüfen. Und das werden wir sehr gewissenhaft tun.

Warum sprechen Sie nicht direkt mit dem Büro von Auer Weber vor der Sitzung und loten die Möglichkeiten von Veränderungen im Entwurf aus? Der Entwurf hat einen städtebaulichen Wettbewerb gewonnen und alle Beteiligten, Architekten, Verwaltungsfachleute und die Politik waren hellauf begeistert. Die Rede war vom großen Wurf.

Öffentliche Auftraggeber wie die Stadt sind im Zuge der Vergabe von Aufträgen an deutlich strengere Regeln gebunden als Privatpersonen. Auch Änderungen sind nicht ohne weiteres möglich. Wir haben eine versierte Fachkanzlei mandatiert, an deren Expertise ich mich orientieren werde. Natürlich habe ich Auer Weber über den aktuellen Diskussionstand informiert. Alles weitere werden wir nach der Sitzung des Hauptausschusses sehen.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Metten fordert neue Gespräche mit Auer Weber, um den Entwurf zu retten.

Auch diese Option prüfen wir derzeit noch einmal. Sie wirft allerdings erhebliche juristische Probleme auf. Wir müssen sorgsam vorgehen, um hier auf der sicheren Seite zu bleiben.

Wie hoch ist denn der bisher entstandene Schaden?

Bis jetzt hat die Stadt rund 600 000 Euro in die Planungen investiert. Und bevor Sie jetzt fragen: Zu möglichen Ansprüchen von Auer Weber im Falle eines kompletten Neuanfangs kann es von mir zum jetzigen Zeitpunkt keine öffentliche Aussage geben. Das werden wir im nichtöffentlichen Teil des Hauptausschusses beraten.

Die Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeiter in den alten Stadthäusern …

. die sind schlicht eine Zumutung. Unabhängig von der weiteren Vorgehensweise zum Neubau müssen wir etwas für die alten Stadthäuser tun, natürlich mit Blick auf die zeitlich begrenzte weitere Nutzungsdauer. Ich stehe mit dem Personalrat in einem engen und guten Kontakt. Alle weiteren wichtigen Entscheidungen sind mitbestimmungspflichtig. Das ist auch richtig so.

Aber ehrlicherweise können Sie den Kollegen keinerlei genauen Zeitpunkt nennen, wann sie auf bessere Arbeitsbedingungen in einem neuen Stadthaus hoffen können.

Das ist richtig. Ich kann seriös dazu keine Aussage machen. Ich kann versprechen, dass wir – unterstützt durch eine möglichst schnell zu mandatierende externe Projektsteuerung - sehr konzentriert und akribisch für gute Lösungen im Sinne der städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten werden. Wir werden für die alten Stadthäuser nach machbaren Verbesserungen suchen. Und alles daran setzen, so schnell wie möglich einen realistischen Zeitplan für das neue Stadthaus vorlegen zu können.

Gibt es irgendetwas, was sie im Augenblick bei den Planungen für das Stadthaus optimistisch stimmt?

Ja, nämlich die große Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit, mit der sich alle Akteure in Politik und Verwaltung den erkannten Problemen stellen.

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