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Das Gladbacher „Eh da- Gefühl“Alexander Brändle über Standort und Perspektive der FH

Lesezeit 7 Minuten
Alexander Brändle leitete die Fachhochschule der Wirtschaft in Gladbach.

Alexander Brändle leitete die Fachhochschule der Wirtschaft in Gladbach.

Frisch saniert ist der denkmalgeschützte Gronauer Bahnhof, wenn die Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) am heutigen Samstag von 9.30 Uhr bis 14 Uhr zum Tag der offenen Tür einlädt. Doch am Standort in der Stadt, die stolz auf ihre Bildungseinrichtungen sein könnte, ist nicht alles eitel Sonnenschein. Über Wahrnehmungsdefizite, Zukunftsperspektiven und die Gefahr, dass die FHDW einmal abwandern könnte, hat Guido Wagner mit ihrem Leiter Dr. Alexander Brändle gesprochen.

Mit der Sanierung des früheren Gronauer Bahnhofs hat der Trägerverein der Fachhochschule der Wirtschaft und des b.i.b. International College in den Standort Bergisch Gladbach investiert. Ist das eine Investition in die Zukunft?

Natürlich, wir sind ja seit 1996 hier am Ort. Und es ist natürlich eine Investition in die Zukunft, auch wenn Bergisch Gladbach im Kern sonst ja kein Selbstläufer ist.

Alles zum Thema Karl-Josef Laumann

Zur Person

Dr. Alexander Brändle (51) ist als Dozent seit 2011 für die Fachhochschule der Wirtschaft an den Standorten in Mettmann und Bergisch Gladbach tätig gewesen, bevor er 2015 Leiter in Bergisch Gladbach wurde. Vor seiner Hochschultätigkeit war Brändle zwölf Jahre für den Konzern Microsoft tätig, national und international bis hin zur Produktentwicklung am Hauptsitz in den USA. Der gebürtige Hannoveraner hat Elektrotechnik mit Schwerpunkt Prozessinformatik studiert und darin promoviert. Seine Doktorarbeit schrieb er über Künstliche Intelligenz. Alexander Brändle ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Warum?

Na ja, wir haben im Vergleich zur Metropole Köln nicht ganz das Nachtleben, wie junge Menschen sich das wünschen. Wir haben hier andere Vorteile: eine hohe Lebensqualität, natürlich die Nähe zur Metropole, eigene Parkplätze vor Ort und das eigene Wohnheim, was im Vergleich zu Köln auch sicher ein Standortvorteil ist . . .

Das klingt nach einem „Aber . . .“

Ich würde jetzt übertreiben, wenn ich sagen würde: Der in direkter Nachbarschaft von der Stadt eingerichtete zentrale Wertstoffhof wäre auch ein Standortvorteil. Da würde ich mir manchmal schon wünschen, dass die Stadt auch die Bedürfnisse ihrer Hochschule im Vorfeld mit berücksichtigt. Wir haben jetzt zumindest im Nachhinein eine Lösung bei den Öffnungszeiten gefunden, damit unsere Studenten nicht schon frühmorgens durch den Lärm aus dem Bett geworfen werden.

Städte wie Solingen haben jüngst Anstrengungen unternommen, überhaupt erst einmal Hochschulstandort zu werden.

(lächelt) Ja, hier in Bergisch Gladbach hat sich vielleicht schon so etwas wie ein „Eh da“-Gefühl eingestellt. Man denkt einfach, die Fachhochschule ist „eh da“.

Das klingt aber nicht, als sei das eine Selbstverständlichkeit.

Der Bildungssektor ist hart umkämpft. Auch wenn wir als gemeinnützige Hochschule nicht so kommerzgetrieben sind, wie andere Bildungsanbieter, müssen wir aber natürlich trotzdem dafür sorgen, dass wir unsere Kosten decken können. Das alleine gebietet uns ja schon die Gemeinnützigkeit.

Sie haben anders als staatliche Hochschulen keine öffentliche Finanzierung im Rücken?

Wir finanzieren uns ausschließlich aus Studiengebühren, die zu einem großen Teil von unseren Partnerunternehmen aus der Wirtschaft übernommen werden, damit die Menschen, die bei uns studieren, möglichst keine oder wenig Studiengebühren bezahlen müssen, und in jedem Fall einen guten Anschluss ins Berufsleben finden.

Wie hoch ist der Anteil Ihrer Studierenden, die anschließend einen guten Job bekommen?

Wir haben Übernahmequoten von 90 bis 95 Prozent. Wer bei uns anfängt zu studieren, hat mit großer Wahrscheinlichkeit anschließend auch einen Arbeitsplatz sicher.

Das heißt, in der Wirtschaft der Region sehen Sie sich gut verwurzelt?

In jedem Fall. Mit rund 150 Partnerunternehmen! Dadurch wissen wir auch immer, was am Markt gefordert ist. Und durch unsere Größe sind wir dann auch agil genug, das auch schnell in Bildungsangebote umzusetzen. Dazu war gerade jüngst die Systemakkreditierung ein richtiger Ritterschlag.

Worum handelt es sich dabei?

Das ist die höchste Auszeichnung, die man in Deutschland als Hochschule bekommen kann. Man traut uns jetzt zu, dass das Bildungsangebot, wie wir es gestalten, den Vorgaben der Ministerien und der Prüfungsorganisationen, die eine Hochschule regelmäßig durchläuft, entspricht.

Das heißt, Sie können Ihre Studiengänge selbstständig entwickeln und auch einführen?

Richtig, wir können den Prozess jetzt komplett selbst steuern und sind damit noch flexibler, um auf Anforderungen reagieren zu können. Letztens war NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart hier, um unseren Absolventen ihre Urkunden zu übergeben. Er hat in einem Interview gesagt: Private Hochschulen sind so etwas wie die Schnellboote in der Deutschen Bildungslandschaft, weil sie sich zeitnah an neue Bedingungen anpassen können.

Wird das Schnellboot an seinem Standort in Bergisch Gladbach bisweilen unterschätzt?

Da müssen Sie vielleicht besser mal unseren Bürgermeister fragen. Aber das Beispiel des Wertstoffhofes zeigt, dass es durchaus Dinge gibt, bei denen uns die Stadt noch positiver unterstützen und frühzeitiger hören könnte.

Mit dem Rheinisch-Bergischen Kreis scheinen Sie stärker an einem Strang zu ziehen?

Das ist wirklich eine vorbildliche Zusammenarbeit und auch auf Landesebene herausragend. Jüngst war NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann hier und hat sich die Arbeit des Kreises im Bereich Übergangsmanagement Schule – Beruf angesehen. Da sind wir als Hochschule auch mit vertreten. So findet etwa der „Tag der Studienorientierung“, bei dem alle Schüler des Kreises Berufsinformationen erhalten können, bei uns im Haus statt. Bei der jüngsten Veranstaltung hatten wir 14 Hochschulen hier, bei denen sich die anwesenden 1200 Schüler informieren konnten. Weitere gute Kooperationen mit dem Kreis sind die Zusammenarbeit bei MINT-Projekten, mit denen Schüler stärker an Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik herangeführt werden, und beim Aufbau eines digitalen Bildungszentrums, an dem neben dem Kreis unter anderem auch die Kreishandwerkerschaft beteiligt ist.

Ihre Studienräume sehen bereits heute wie ein digitales Bildungszentrum aus: Keine Tafeln mehr, stattdessen White-Boards, Laptops und per WLAN auch mit dem Smartphone ansteuerbare Videobeamer.

(lächelt) Ja, nicht nur das Gebäude ist auf dem neuesten Stand. Und trotzdem wird es immer schwerer, interessierten Nachwuchs im Bereich der Informatik zu finden.

Woran liegt das?

Diese Kompetenzen werden in den Schulen nur unzureichend behandelt. Was nicht Schuld der Schulen ist, denn die müssen ja mit dem auskommen, was ihnen vom Land zur Verfügung gestellt wird. Aber da helfen wir, wo es geht, mit Hilfestellung und Starthilfe.

Was erwarten Sie diesbezüglich vom neuen Digitalpakt und der Förderung aus Bundesmitteln?

Er ist ein neuer Schritt, weil damit erstmals der Bildungsföderalismus durchbrochen wird, aber ich denke, es wird noch eine ganze Zeit dauern, bis Schulen davon etwas sichtbar erhalten. Und: Der Digitalpakt wird sich in erster Linie um die Infrastruktur kümmern müssen. Das ist ein wichtiger erster Schritt, aber im zweiten Schritt muss man diese Infrastruktur auch mit Inhalten füllen. Wir als FHDW bieten jedenfalls heute Vorkurse an, um die Schüler bei ihren Wissensständen abzuholen.

Wo sehen sie die weitere Entwicklung der FHDW?

Entwickeln kann man sich nur evolutionär. Es ist ganz wichtig, das aber an Stellen zu tun, die auch sinnvoll sind. Dazu gehört es, dass wir uns an neue Berufsbilder herantasten. Zum Beispiel haben wir jetzt einen Studienschwerpunkt mit dem Namen Cyber Security ins Leben gerufen. Die Entwicklungen dazu liefen natürlich schon, bevor die bösen Nachrichten von Hackerangriffen in den Nachrichten waren. Ein zweiter neuer Schwerpunkt beschäftigt sich unter dem Namen Data Science damit, wie man aus Daten, Geschäftsmodelle und Nutzen für Unternehmen ziehen kann – und das nicht nur in der sogenannten New Economy, sondern gerade auch in dem bestehenden Mittelstand.

Wie selbstverständlich ist es, dass die „Eh da“-Hochschule FHDW bei ihrer weiteren Entwicklung am Standort Gladbach bleibt?

Am Ende ist es wichtig, ein attraktives Angebot in einem attraktiven Umfeld zu bieten, gerade wenn sich in dem Umfeld viele Bildungseinrichtungen tummeln. Die Metropole Köln ist da ein sehr aktiver Bildungsbereich, der wächst. Dadurch werden auch die Randgebiete interessanter, aber in erster Linie zum Wohnen, und nicht notwendigerweise zum Arbeiten.

Was heißt das für den Hochschulstandort Bergisch Gladbach?

Wir haben jetzt ja stark investiert in den Standort, aber das heißt nicht, dass der Standort in Stein gemeißelt ist. Wenn wir dadurch weiter erfolgreich am Markt besehen können, dann bleiben wir natürlich gerne. Wenn nicht, muss man auch über Optionen nachdenken . . .

Wäre auch eine Verlagerung denkbar?

Ausgeschlossen ist nichts, aber an diesem Samstag zeigen wir beim Tag der offenen Tür erst einmal, was wir hier am Standort können. (red)

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