Dreister BetrugFalscher Soldat erschleicht sich sechsstellige Summe – Opfer erzählt

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Ein angeblicher Soldat

Ein angeblicher Soldat hat sich das Vertrauen der Frau erschlichen.

  • Lisa Müller aus Bergisch Gladbach ist blind vor Liebe und wird schwer betrogen.
  • Über Instagram kontaktiert sie ein Mann, der sich ihr Vertrauen erschleicht und sie um eine hohe Geldsumme bringt.
  • Die Polizei warnt am „Tag des Kriminalitätsopfers“ vor solchen Betrügern – und Lisa Müller erzählt ihre Geschichte, um andere vor diesem Schicksal zu bewahren.

Bergisch Gladbach – Die meisten werden schon einmal vom sogenannten „Enkeltrick“ gehört haben. Ganze Banden nutzen dabei die Gutmütigkeit alter Menschen schamlos aus. Genau diese Banden haben in den letzten Jahren ein neues „Geschäftsfeld“ erschlossen. Ein Geschäftsfeld, welches eigentlich eine Emotion ist, vermutlich sogar die stärkste von allen: Es ist die Liebe. Ahnungslose Opfer wähnen sich beim Betreten von Chatrooms im siebten Himmel, sie werden von ihren vermeintlichen Verehrern emotional abhängig gemacht und daraufhin finanziell geradezu ausgeschlachtet.

Dass nur wenige Fälle bekannt werden liegt vor allem daran, dass kaum ein Betroffener über sein Leid sprechen möchte. Denn neben dem finanziellen Ruin bleibt vor allem eines: Schamgefühl. Auch Lisa Müller, die eigentlich anders heißt, wurde Opfer der Betrugsmasche, welche die Polizei „Romance Scamming“ (to scam = betrügen) nennt. Um andere für das Thema zu sensibilisieren, erzählte sie am Montag auf dem Gladbacher Polizeirevier ihre Geschichte.

Es begann mit einer harmlosen Nachricht auf Instagram. Als sie die auf Englisch verfasste Nachricht liest, ahnt sie noch nicht, was der Absender mit ihr machen wird. Er sei ein US-Soldat und momentan im afghanischen Kabul stationiert, schreibt er. Lisas Fotos würden ihm gefallen, sie fühlt sich geschmeichelt, und die beiden kommen ins Gespräch. „Er wirkte auf seinen Fotos nicht wie ein Schönling, sondern wie ein ganz normaler, sympathischer Mann“, sagt Lisa. Bei Polizeibeamten, die sich mit dem Thema des „Scammings“ befassen, hätten vermutlich bereits zu diesem Zeitpunkt die Alarmglocken geklingelt. Kleine, unscharfe Fotos, englische Sprache, pathetischer Schreibstil - Scammer agieren oft nach dem selben Schema, sagt Sheila Behlert, Pressesprecherin der Gladbacher Polizei.

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Die Gespräche der beiden werden so intensiv, dass John, so nennen wir den angeblichen Soldaten in diesem Artikel, ihr sagt, in ihr seinen Seelenverwandten gefunden zu haben. Um Lisa war es da bereits geschehen: Ohne den Mann jemals in echt gesehen zu haben, hat sie sich in den angeblich in Deutschland lebenden, geschiedenen Mann verliebt. Wer nun denkt, Lisa Müller sei einfach nur naiv, gutgläubig und urteilslos, der irrt sich. Als kaufmännische Angestellte in einem mittelständischen Betrieb hat sie ein gutes Einkommen, steht fest im Leben und ist eine attraktive Frau in ihren Fünfzigern. „Ich war sprichwörtlich blind vor Liebe“, sagt Lisa heute.

Fünf Wochen nach dem Erstkontakt schreibt John, er habe ein großes Problem. „Er sagte mir, ich sei die einzige, die ihm helfen könne, da er nur mir vertraue“, erinnert sich Lisa. Sie fühlt sich unter Druck gesetzt, willigt aber ein. „Ich dachte mir: Da ist jemand der mich versteht, mich liebt und dringend Hilfe braucht“, sagt sie. Ein folgenschwerer Fehler - denn ab diesem Zeitpunkt bricht ein wochenlanger Psychoterror über Lisa ein.

Das Geld lagert angeblich auf einer Bank in Großbritannien

„Er sagte mir, dass er kein Bankkonto besitze und sein ganzes Geld deshalb in einer versiegelten Box in Großbritannien gelagert hätte.“ Diese Box befinde sich in den Händen einer Firma, die Lisa im Gespräch mit dieser Zeitung die „Company“ nennt. John teilt ihr mit, dass diese Box innerhalb von zwei Tagen nach Deutschland transportiert werden müsse - gelinge dies nicht, sei der gesamte Inhalt unwiederbringlich verschwunden. Lisa glaubt ihm die Geschichte, sie vertraut ihm zu 100 Prozent. Ein echtes Telefonat haben die beiden noch immer nicht geführt, dennoch nimmt sie den Auftrag Johns, die Kiste nach Deutschland zu transportieren, an. „Die Company schrieb mir daraufhin Mails, in denen sie mich dazu aufforderte, Geld für die Unterlagen zu bezahlen, die für die Einfuhr dieser Box nötig seien.“ Lisa lässt sich darauf ein. Sie überweist einen dreistelligen Betrag auf das Konto der rätselhaften Firma.

So erkennen sie Scammer im Netz

■ Kontaktaufnahme über soziale Netzwerke (z.B. Facebook)

■ Scam-Männer geben sich meist als gutsituierte Weiße aus (Ärzte, Geschäftsleute, Soldaten)

■ Scam-Frauen tarnen sich meist als Geschäftsfrauen oder Krankenschwestern aus Osteuropa

■ Scammer nutzen gestohlene Fotos sehr attraktiver Menschen und agieren meist auf englisch

■ Fotos sind klein und unscharf

■ Treffen kommen de facto nicht zustande; Scammer halten ihre Opfer oft wochenlang hin

■ Kurz vor einem treffen passieren dem Scanner dramatische Ereignisse, woraufhin das Opfer Geld überweisen soll

■ Senden Sie fremden niemals Nacktfotos, Ausweispapiere oder Geld

„Ein Musterbeispiel von Romance Scamming“, sagt Sheila Belehrt. Der oder die Täter bauen eine enge Verbindung zum Opfer auf und fallen diesem dann plötzlich mit einem dramatischen Ereignis in die Haustür, erläutert die Polizeibeamtin. „Spätestens dann, wenn der vermeintliche Schwarm Geld verlangt, sollte einem klar werden, dass es sich um einen Betrüger handeln muss“, so Sheilert.

Lisa wird es nicht klar. Auch dann nicht, als die Company weitere, immer höher werdende Zahlungen für Dokumente verlangt. Für jeden Geldbetrag erhält sie scheinbar offizielle Papiere von britischen und deutschen Ämtern. „Die Betrüger agierten hochprofessionell“, sagt Behlert. Die Dokumente seien kaum von echten zu unterscheiden gewesen. Schließlich bekommt Lisa einen Brief von der Polizei. Sie soll als Zeugin in einem Fall der Geldwäsche aussagen. „In diesem Moment wurde mir klar, dass ich betrogen wurde.“ Ihre Bank hatte zuvor einen auffälligen Zahlungsverkehr auf das entsprechende Konto registriert und dem LKA gemeldet, die hatte sich an die Polizei in Bergisch Gladbach gewendet. Bei der Traumabewältigung versuche sie nun, ihren Humor nicht zu verlieren. Die sechsstellige Summe, die sie der „Company“ überwies, bleibt allerdings verschwunden.

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