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Experimentalstation in Bergisch GladbachMuseumspläne spalten die Kreisstadt

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An der Experimentalstation Stadtplanung sollen Besucher im neuen Museum neben gestalterischen Rahmenbedingungen spielerisch auch Sicherheitsaspekte in ihrer Stadt auf Knopfdruck verändern können – ein nicht unumstrittener Ansatz.

An der Experimentalstation Stadtplanung sollen Besucher im neuen Museum neben gestalterischen Rahmenbedingungen spielerisch auch Sicherheitsaspekte in ihrer Stadt auf Knopfdruck verändern können – ein nicht unumstrittener Ansatz.

Bergisch Gladbach – Selten haben gute Nachrichten aus dem Rathaus ein solches Beben ausgelöst: Stadtplaner zittern, Bürgerinitiativen tauchen ab und Steuerzahler zetern. Dabei scheint das Projekt auf den ersten Blick noch unverfänglich: ein Experimentalmuseum, das ebenso die römische Frühgeschichte von Gladbach zeigt wie moderne Stadtplanung erlebbar macht. Entstehen soll es auf dem von der Stadt erworbenen Teil des Zanders-Areals an der Bensberger Straße. Am heutigen 1. April sollen die Fraktionen über die Pläne für den ehemaligen Zanders-Parkplatz am Heidkamper Tor informiert werden.

Trotz strikter Geheimhaltung im Rathaus liegen der Redaktion erste Entwürfe bereits vor. Architektonisch einem römischen Kalkofen und einer modernen Papiermaschine nachempfunden, soll der neue Kulturort den Besuchern vor allem Experimentierräume bieten: Im Untergeschoss etwa dürfen sie in Löss und Waldboden selbst nach römischen Relikten graben, wie sie vor einigen Jahren im Lerbacher Wald entdeckt wurden.

Stadtgestaltung mit Dynamit

Im Erdgeschoss geht’s per Experimentalstation ans Eingemachte. „Haben Sie schon mal selbst ausprobiert, wie es sich anfühlt, wenn man eine gewachsene Fußgängerzone komplett ausräumt und nur ganz spärlich bepflanzt?“, fragt ein Planer, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Er zeigt Illustrationen eines abgedunkelten Raums, in dem die Zentren von Schildgen, Refrath, Bensberg, Paffrath und die Stadtmitte der Kreisstadt nachgebildet sind. „Da können Sie als Besucher selbst tätig werden und aus virtuellen Werkzeugen auswählen, um die Stadt neu zu gestalten“, erklärt er: „Bagger, Hacke, Pflanzmaschinen – alles da.“ Was der Experte nicht verrät: In einem ersten Test im Kita-Senioren-Projekt des Heimatvereins haben sich die meisten Testpersonen spontan für Sprengstoff entschieden.

Per Projektion lassen sich die Planungen gleich optisch im Stadtmodell umsetzen und – anders als in der Realität – per Knopfdruck wieder rückgängig machen. „Wäre ja vielleicht auch mal was für die echten Stadtplaner“, sagt der Entwickler.

In der zuständigen Fachabteilung ist man auf Anfrage empört: „Dann überplanen wir demnächst auch mal die Gärten der Besucher in den Wohngebieten – in einem Planspiel.“

Die vereinigte Bürgerinteressenlandschaft (BIL) reagiert auf Anfrage prompt: „Wir werden einfach ein eigenes Rathaus bauen: Sachverstand haben wir genug. Basta.“

Jede Interessengruppe ist bedacht

Solche Kontroversen schocken die Planer nicht. Im Gegenteil: Sie gehören zum Konzept der Museumsmacher. Auch im Stadtplanungsraum lassen sich per Knopfdruck zu erwartende Proteste von Bürgern generieren: Egal ob Baumfreunde, Hundeliebhaber, Barfußläufer, Linksgeher oder Radschieber – jede Interessengruppe ist bedacht. Etwas einsilbig ist allein die elektronisch generierte Reaktion der politisch Verantwortlichen: „Das hatten wir uns anders vorgestellt.“

„Alles Kasperletheater“, versucht Fred M. Pahl die Diskussion als Vertreter der Kulturschaffenden in der Stadt wieder auf den Boden der Sachlichkeit zurückzuholen: „Sollen die doch erstmal die bestehenden Kultureinrichtungen ordentlich ausstatten.“

Bund der Gladbacher Steuerzahler wettert

15,32 Millionen Euro soll das neue Museum kosten. „Die Regionale macht vieles möglich“, heißt es im Rathaus. „Blanke Verschwendung“, wettert Norbert Langenteilen vom Bund der Gladbacher Steuerzahler (BdGSt). Nicht der einzige Haken, den das Projekt Experimentalmuseum noch hat: Die Politik müsste auch noch am heutigen Tag darüber entscheiden. Denn um Mitternacht läuft die „Frist für Musealprojekte im städtebaulichen Konzept interregionaler Zukunftsstrategien geldkonsolidierender Raumperspektiven zielgruppenvernetzender Finanzquellen“ ab. Ein akuter Zeitdruck, den ein leitender Verwaltungsmitarbeiter hinter vorgehaltener Hand skeptisch einordnet: „Normalerweise haben wir solch schnelle Entscheidungen in der Vergangenheit immer nur hinbekommen, wenn es um den Abriss historischer Gebäude ging“, sagt er und wirft die Stirn in Falten: „Aber dann ging’s ja auch nur darum, an den Stellen erstmal nur einen Schotterparkplatz anzulegen – und kein Museum zu bauen . . .“

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