Abo

Führung durch Bergisch GladbachWarum Staub die „wichtigste Sache der Welt“ sein kann

Lesezeit 3 Minuten
Staubwolke Symbol

Ein Traktor zieht beim Striegeln auf einem abgeernteten Getreidefeld eine große Staubwolke hinter sich her. (Symbolbild)

Bergisch Gladbach – „Staub ist die wichtigste Sache der Welt.“ Dieser Meinung ist zumindest Dr. Wolfgang Stöcker. Die meisten Teilnehmer des Kultursommers 2021 mussten über diese Aussage jedoch erstmal schmunzeln und nachdenken.

Mit einem Teil seines sogenannten „Internationalen Staubarchivs“ machte Stöcker sich bei Sommerwetter auf zu einer Freilufterkundung rund um Bergisch Gladbachs Marktplatz: Vom Rathaus ging es zur St. Laurentius und Gnadenkirche, dann am Gasthaus Paas und am Bergischen Löwen vorbei, bis zum Kunstmuseum Villa Zanders.

Schlangenhaut aus Fidel Castros Camp auf Kuba

Bei manchen Stationen ergänzte der Staubliebhaber interessante Geschichten der Stadt mit Geschichten aus seinem eigenen Leben. Der gebürtige Bergisch Gladbacher gründete 2004 das „Internationale Staubarchiv“. Ein Projekt, das, wie er sagt, eine Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft darstellt. Auf seinen Führungen erkundet er mit seinen Gruppen die Zusammenhänge zwischen den „großen Bedeutungen und Linien der Geschichte und den darin überall zu findenden Sprüngen, Rissen und Nebenschauplätzen“.

Was natürlich nicht fehlen durfte, waren einige Staubproben aus seinem Archiv. Besonders viel Begeisterung erntete die Schlangenhaut aus einem Fidel-Castro-Camp auf Kuba. Auch wenn diese noch kein Staub ist: Irgendwann wird alles zu Staub, sagt Stöcker. Und genau das begeistert ihn an seiner Arbeit. Wie viel Staub es in Bergisch Gladbach gibt und in welchen entlegenen Ecken sich dieser Staub ablagern kann, überraschte viele.

Ästhetische Brüche überall im Stadtbild

Direkt am Marktplatz, den Wolfgang Stöcker auch das „Wohnzimmer der Stadt“ nennt, gibt es viele kleine und große Details, die vielen bis dahin noch nicht aufgefallen sind. Wie zum Beispiel den Feigenbaum, der sich direkt neben dem Rathaus breit macht. „Den habe ich noch nie gesehen, dabei bin ich schon so oft hier vorbeigelaufen“, sagt eine Besucherin.

Führung

Die Führung „Das Reich der kleinen Dinge – Der andere Blick“ findet im Rahmen des Kultursommers 2021 noch einmal am 24. September um 17 Uhr statt. Treffpunkt ist der Konrad-Adenauer-Platz in Bergisch Gladbach. Eintritt frei.

Der Kultursommer 2021 findet in fünf Kommunen des Rheinisch-Bergischen Kreises statt. In Bergisch Gladbach gibt es bis Mitte Oktober zahlreiche kostenfreie Veranstaltungen aus den Bereichen Literatur, Musik und Performance im gesamten öffentlichen Stadtraum. (hwi)

Auch direkt hinter dem Rathaus findet Stöcker eine Situation vor, die ihn begeistert. Neben den alten Fenstern, die noch mit festen Gitterstäben aus alten Gefängniszeiten ausgestattet sind, hängt ein modernes Halteverbotsschild. Dieser ästhetische Bruch sei überall in Bergisch Gladbach zu sehen. „Innerhalb von drei Metern ändert sich das Stadtbild“, sagt Stöcker. Und genau das gefällt ihm auch so sehr an seinem „Schäbbisch Gläbbisch“. Auch wenn es, wie Stöcker ironisch sagt, manchmal „ästhetisch anspruchsvoll“ sei.

Laurentiuskirche stand mal andersherum

Besonders schön findet er die „Nebenräume Bergisch Gladbachs“, wie er sie nennt. Das sind die kleinen versteckten Orte, an denen man gerne mal vorbeigeht, ohne sie zu bemerken. Denn an diesen Orten findet man „tolle Perspektiven, aus denen man die Stadt zuvor noch nicht gesehen hat“, schwärmt Stöcker. Vor allem seien dort überall kleine Details versteckt, die die Geschichte der Stadt erzählten – auch wenn die Geschichte manchmal nicht auf den ersten Blick erkennbar ist.

Das könnte Sie auch interessieren:

So konnte Stöcker seine Begleiter mit der Botschaft überraschen, „dass die Laurentiuskirche früher einmal genau andersherum stand“. Tatsächlich wurde die Kirche 1845 bis 1847 auf dem Standort der alten Kirche nach Plänen des Kölner Architekten von Matthäus Biercher neu gebaut. Turm und Chor wechselten damals sozusagen die Seiten.

KStA abonnieren