Gegen das VergessenGertrud Kampmann pflegt Stolpersteine in Bergisch Gladbach

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Gegen das Vergessen: Die 90-jährige Gertrud Kampmann kümmert sich um die Mahnmale in ihrer Stadt.

Gegen das Vergessen: Die 90-jährige Gertrud Kampmann kümmert sich um die Mahnmale in ihrer Stadt.

Bergisch Gladbach – Nicht einmal zehn mal zehn Zentimeter sind als Spur von ihrem Leben geblieben. Dort, wo man sie in der Zeit des Nationalsozialismus nicht mehr haben wollte, wo sie von Nazis aus ihren Häusern gezerrt und hinaus geprügelt wurden, um in Konzentrationslager deportiert zu werden, dort erinnern auch in Bergisch Gladbach kleine in den Boden eingelassene Metallplaketten an das Leben von jüdischen Mitbürgern: An die kargen Daten ihres Lebens - und wo es gewaltsam endete.

Mit Putzlappen und Politur

Acht solcher Stolpersteine, eine Initiative des Künstlers Gunter Demnig, kann man in der Stadt aufspüren. Dass die Namen darauf nicht wie Erinnerungen verblassen, dafür sorgt regelmäßig Gertrud Kampmann. Mit Putzlappen und Politur reinigt die 90 Jahre alte Paffratherin in regelmäßigen Abständen die ihr bekannten Messingtafeln auf den Gehwegen von Schmutz und Witterungsspuren.

Stolpersteine

Der Künstler Gunter Demnig hat im Jahr 2008 für die ab 1942 auf dem Gelände des Stellawerks an der Bensberger Straße /Richard Zanders Straße im Zusammenhang mit der Judenverfolgung zwangsinternierten und von dort deportierten Menschen Stolpersteine verlegt. Er ließ sie an den letzten frei gewählten Wohnorten der Verfolgten in den Boden ein.

Für Dr. Erich Deutsch (+ 1944 Theresienstadt) an der Altenberger Dom-Straße 128

Ernst Danzig (+ 1942) und Erna Kahn (1942 deportiert nach Theresienstadt, dann Auschwitz) an der Ecke Bensberger Straße/Scheidtbachstraße

Henriette Zimmermann (deportiert 1942 nach Treblinka; für tot erklärt), Ahornweg 9

Elise und Reinhold Joschkowitz (Reinhold überlebte das KZ Theresienstadt, Elise kam dort 1944 zu Tode), An der Tent 2

Harry Freymuth (+1944 Theresienstadt) an der Hüttenstraße 40 sowie für Gertrud Stockhausen in Bärbroich 17, die 1941 in der Tötungsanstalt Hadamar dem „Euthanasie“-Programm der Nazis zum Opfer fiel.

In Bergisch Gladbach brannte 1938 in der sogenannten Reichspogromnacht keine Synagoge. Dies hatte allerdings nicht den Grund, dass hier Juden besser behandelt wurden als anderswo in Deutschland. Es lag schlicht daran, dass in der Stadt keine Synagoge existierte. Denn die Zahl von Menschen jüdischen Glaubens in der Bevölkerung war gering und beinahe an den Fingern einer Hand abzuzählen.

Bilder für immer

In Potsdam hingegen, wo Gertrud Kampmann aufwuchs, gab es eine jüdische Gemeinde, deren Synagoge im November 1938 lichterloh brannte. Aus den Fenstern von Häusern, in denen Juden wohnten, wurden Möbelstücke geworfen, Menschen schrien und weinten – Bilder, die das damals acht Jahre alte Mädchen Gertrud nie mehr loslassen sollten.

„Ich kann bis heute nicht verstehen, dass so etwas passiert ist; und ich verstehe auch nicht, dass es immer noch Antisemitismus gibt“, sagt die rüstige Seniorin und blickt auf den Namen von Dr. Erich Deutsch, dessen Daten in der Einfahrt zum Parkplatz der Sparkasse in Schildgen im Boden eingelassen sind - just dort, wo das Fachwerkhaus mit der Praxis des Arztes gestanden haben soll.

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Schon der Name des Medizinalrates war für die Nazis ein Affront. Erich Deutsch widersetzte sich erfolgreich dem Versuch, ihn zu zwingen, seinen Familiennamen abzulegen. Der Verschleppung entging er jedoch nicht. 1944 wurde er im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet. „Ich möchte, dass die Bergisch Gladbacher nicht vergessen, dass es auch hier in der Stadt jüdische Bürger gab“, sagt Gertrud Kampmann.

Nur wenige Quellen erzählen vom Leben der Verfolgten. Und so weiß auch Gertrud Kampmann fast nichts über das Leben dieser Menschen. Verbunden fühlt sie sich ihnen trotzdem.

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