Händler sind massiv verärgertFolge der Herkenrather Straßensperrung

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Bauarbeiten an der L289 in Herkenrath

Bergisch Gladbach – Der Mitarbeiter vom Abwasserwerk ist an diesem Morgen auch vor Ort. Kontrolle der Baustelle. Große gusseiserne Gullydeckel sind schon geliefert, sie warten auf den Einbau. Baumaschinen rattern.

Tag drei der Großbaustelle an der Landstraße 289 in Herkenrath. „Was soll ich machen? Es muss ja offenbar sein“, sagt eine Mutter ziemlich genervt. Sie zieht schnell mit ihrer Tochter an der Hand weiter. Zu Fuß statt mit dem Auto. Das Auto stehe im Dorf, anders gehe es nicht. „Schauen Sie mal auf die Baustelle“, empfiehlt Johannes-Gerd Welzing. Er muss am Morgen zur Physiotherapie, und die Praxis liegt mitten in der Baustelle.

„Ja, mein Auto steht unten an der Kreissparkasse“, sagt er. Skeptisch blickt er auf die Bauarbeiter. Viel los sei gerade nicht, „typisch für Gladbach“, meint er. Auch auf der Schloßstraße in Bensberg dauere es mit den Planungen „ewig“. Am Montag kam ein Kunde zum Wein- und Feinkostlädchen „Nico Vini e Piu“von Nico Valenzano. Strassen 108, mitten in der Baustelle. Am Dienstag seien es zwei Kunden gewesen.

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Kein Ausgleich von der Stadt

Der Geschäftsführer nimmt es schicksalhaft. „Wir haben Corona überstanden. Dann überstehen wir auch das.“ Einen wirtschaftlichen Ausgleich bekomme er nicht von der Stadt. „Wenn ich von der Sperrung früher erfahren hätte, hätte ich meinen Kunden das gesagt.“ Einen Karton mit Weinflaschen schleppe niemand zum weit weg geparkten Auto.

Das sagt die Stadt

Einen wirtschaftlichen Ausgleich für die Händler kann es laut Stadt nur geben, „wenn eine Maßnahme grob fahrlässig oder vorsätzlich in die Länge gezogen wurde.“ Bei zweimal drei Wochen Bauzeit dürfte das „wohl kaum zum Tragen kommen“, und es gebe keine Anzeichen auf Verzögerungen oder Erschwernisse, betont Sprecher Martin Rölen. Individuelle Lösungen würden angestrebt. Die Händler hätten „sicherlich zurzeit keine einfache Situation.“

 Was bei der Erörterung aber auch unbedingt beachtet werden müsste: „Es werden keine Anliegerbeiträge erhoben, der Ausbau der Straße wird rein aus öffentlichen Mitteln finanziert.“

20 Prozent Rabatte gibt Valenzano für die Zeit der Sperrung, er schließt sein Geschäft immer schon nachmittags. Viel früher als sonst. Was ihm fehlt, ist der Durchgangsverkehr. „Die Leute kommen von der Arbeit und halten bei mir an“, erklärt er. Heute aber komme kein einziges Auto. Er will tapfer durchhalten.

Seit Montag ist voll gesperrt, der Abschnitt von Ball bis Braunsberger Feld ist für drei Wochen zu, bis 16. Juli. Danach rückt die Baustelle in den nächsten Abschnitt vor, vom Braunsberger Feld bis Silberkauler Weg. Wieder drei Wochen Sperrung, vom 18. Juli bis 9. August. Die ältere Dame, die mit ihrem Hund an der Baustelle spaziert, hat während der Sperrung einen anderen Tagesrhythmus. „Mein Pflegedienst kommt eine Stunde später.“ Weil weite Umleitungen zu fahren seien, erklärt sie.

„Was muss, das muss“, meint sie. Seit Montag gelangen Anwohner, je nach Bausituation, nur zu Fuß durch die Baustellenbarriere zu ihren Grundstücken. Das hatte die Stadt vorab zugesagt. „Ich hab’ kein Auto. Alles ok“, findet ein junger Mann, der mit zwei Beuteln Leergut zum Edeka-Markt in der Nähe unterwegs ist. Der Markt liegt außerhalb der Sperrzone, er ist von Bensberg aus problemlos erreichbar. Weniger Betrieb ist dennoch.

„Ich hab’ die Hälfte an Waren dabei“, sagt Muhammed. Er steht im Verkaufswagen der „Rheinischen Goldhähnchen“, dienstags und donnerstags gibt es die Hendl auf dem Parkplatz am Getränkemarkt. Weniger Umsatz, kaum Autofahrer, die schnell mal anhalten: Der „Goldhähnchen“-Mann erwartet kräftige Einbußen. Eingeschränkte Öffnungszeiten hat auch die „Engels“-Bäckerei der Bäckereikette Felder. Das Geschäft liegt neben dem Weinlokal, die Situation ist vergleichbar. „Nichts zu tun“, berichtet Mitarbeiterin Anna Fonk. So bleibe ihr als einzige Aufgabe, den Verkaufsraum zu putzen.

Die Bäckerei hat auch für ihre Herkenrather Filiale die Verkaufszeiten verkürzt. Ein Aushang empfiehlt, zur Bäckerei im Dürscheider Edeka-Markt zu fahren. Für Ortskenner sei der Markt über die Bärbroicher Straße und Gronewald weiter erreichbar, sagt Wein-Händler Nico Valenzano. „Aber das wissen nur die wenigsten.“ Die Sperr-Info sei viel zu kurzfristig gekommen, meint er. Statt einer Flasche oder zwei Flaschen hätten seine Kunden dann einen Vorrat anlegen können. Um eine einzelne Flasche Wein zu kaufen, mache niemand den Weg durch die Baustelle.

Kfz-Schrauber jammert

„Ein Alptraum“, kommentiert man in der Kfz-Werkstatt gegenüber die Sperrsituation. Kundschaft komme nicht mehr. Die „Star“-Tankstelle hat die Segel gestrichen und komplett geschlossen - wem soll sie Kraftstoff verkaufen? „Zum Glück habe wir Online-Verkauf und unsere Stammkunden“, sagt Alexandra Broich vom Futtermittelgeschäft Futterkonzept. Über den Asselborner Weg und eine geöffnete Zufahrt sei das Geschäft auch weiter erreichbar. Weniger Umsatz habe sie dennoch.

Besser früher erfahren

Auch Alexandra Broich kritisiert die Informationspolitik der Stadt. Wenn man von der Sperrung früher erfahren hätte, wären Mitarbeiter in Urlaub gegangen. „Jetzt machen wir das Beste draus.“ Abgefräst ist das südliche Teilstück der Landstraße bereits, der Unterbau wirkt heftig beeinträchtigt mit seinen Dellen und Löchern. Bauarbeiter hantieren am Morgen an den Abflüssen, Bagger fahren Split hin und her.

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