Interview mit Gladbacher Fotograf„Was sich wie Beute verhält, wird auch so behandelt“

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Szene aus dem Buch „Haie haben keine Hände“.

Szene aus dem Buch „Haie haben keine Hände“.

„Haie haben keine Hände - Spannende Erlebnisse mit Haien“ ist der Titel des neuen Buchs von Ralf Kiefner, Unterwasser-Filmemacher und Fotograf aus Bergisch Gladbach. Im Interview mit Jonas Baur erzählt er über seine Arbeit mit den großen Raubfischen.

Wie sind Sie dazu gekommen, ausgerechnet Haie zu filmen?

Kiefner: 1973 war ich mit 16 Jahren im Urlaub auf Fuerteventura und da hatte gerade eine Tauchbasis aufgemacht. Dort habe ich angefangen zu tauchen. Dann bin ich irgendwann mal auf die Malediven geflogen. Dort habe ich mir eine „Über-Wasser-Kamera“ geliehen. Das hat mir so viel Spaß gemacht, da habe ich mir auch eine für unter Wasser geliehen. Zuhause habe ich mir sofort eine eigene Kamera gekauft und versucht, alles darüber zu lernen, was man so lernen konnte.

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Und jetzt zu den Haien.

Nach den ersten veröffentlichten Bildern habe ich zwei Berichte für Unterwasserzeitschriften über Weiße Haie in Südafrika machen sollen. Ich hatte eine vorgefertigte Meinung: Haie sind Monster und Bestien. Steckste den dicken Zeh rein, und der ist weg. Das was man damals von den Filmen kannte, das war auch meine Meinung. Ich bin dann da hingefahren und habe nicht das Verhalten gesehen, was ich erwartet habe. Im Gegenteil.

Was haben Sie denn gesehen?

Die Tiere, die ich gesehen habe, waren sehr vorsichtig, sehr scheu und das hat mich zum Nachdenken gebracht. Das war 1996/1997. Damals waren Haie auch schon vom Aussterben bedroht. Es wurden also damals bereits über 100 Millionen Haie wegen ihrer Flossen getötet. So fing das dann an, dass wir überlegt haben, wie wir zum Schutz der Tiere beitragen können. Unsere Lösung für diese Geschichte war es, das schlechte Image der Haie zu verbessern. Weil wir glauben, dass Menschen eher bereit sind etwas zu schützen, was ein positives Image hat.

Sie sagten, dass jährlich 100 Millionen Haie getötet werden. Wie kommt das?

Durch die aktive Jagd. Es gibt natürlich auch Beifang. Aber vor allen Dingen wird für die Haifischflossen-Industrie entsprechend viel gejagt. Es werden nur die Flossen genutzt. Die werden abgeschnitten, der Rest wird wieder ins Wasser geschmissen. Haie stehen an der Spitze der marinen Nahrungskette und haben eine geringe Reproduktionsrate. Wenn über Jahrzehnte hunderte Millionen Tiere entnommen werden, geht das auf Dauer nicht gut.

Was können Privatpersonen tun, um Haie zu schützen?

Jeder kann in seinem Umfeld etwas machen. Man kann darüber mit seinen Freunden, in der Schule, mit den Kindern, im Job oder auf der Arbeit reden. Oder beim Fischkauf darauf achten, was man kauft. Oft sind Haiprodukte natürlich nicht unter „Haifisch“ im Angebot. Die heißen dann „Schillerlocke“, „Seeaal“, „Kalbsfisch“, „Speckfisch“, „Karbonadenfisch“, „Königsaal“, „Steinlachs“ und „Seestör“. Da kann man natürlich aufpassen.

Ihr neues Buch heißt „Haie haben keine Hände“. Was verbirgt sich hinter dem Titel?

Die meisten Haie haben noch keine Menschen gesehen. Entsprechend wissen sie auch nicht, was das ist. Wenn der Hai mehr über uns wissen will, wird er kommen und uns anstupsen. Und er wird auch mal einen Probebiss ansetzen. Aber! Das ist ganz wichtig, dass man das versteht: Das ist vom Hai nicht böse gemeint und auch kein Angriff.

Wie läuft das alles denn ab?

Er versucht herauszufinden, wer wir sind. Das heißt, wenn der Hai kommt und er möchte einen Probebiss ansetzen dann gibst du ihm die Kamera und hältst sie ihm hin. Der kaut dann ein bisschen auf der Kamera rum und merkt dann, dass das nichts zu fressen ist.

Daher kommt der Titel?

Ja. Wir würden hingehen und jemandem die Hand schütteln, um uns vorzustellen. Aber der Hai kann uns nicht die Hand schütteln, der muss einfach den Probebiss machen. Das ist kein Angriff, er stellt sich im Prinzip nur vor. So deuten wir das. Der Trick liegt einfach darin, dass man sich nicht wie Beute verhält. Denn alles, was sich wie Beute verhält, wird auch so behandelt.

Und wie macht man das, wenn man keine Kamera dabei hat?

Dann schiebt man den Hai einfach mit beiden Händen sanft nach unten oder zur Seite weg. Nicht draufhauen und nicht kämpfen. Man darf dem Tier nicht mit Aggression begegnen. Man ist Gast in deren Revier und sollte sich auch entsprechen respektvoll verhalten.

Haben Sie einen Lieblingshai?

Weiße Haie sind toll, Hammerhaie sind klasse, Tigerhaie. Walhaie sind wieder völlig anders. Da gibt es so viele tolle Tiere.

Ralf Kiefner: Haie haben keine Hände, Verlag Ludwig, 176 Seiten, 29,90 Euro

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