Nach mehr als 30 JahrenPrägender Gladbacher Pfarrer geht in den Ruhestand

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Thomas Werner Bergisch Gladbach

Thomas Werner im Kirchgarten der evangelischen Gnadenkirche.

Bergisch Gladbach – Ob’s das Erfolgsprojekt der Kirchenkneipe „Quirl’s“ ist, das Jugend-Kulturzentrum Q1, die Open-Air-Konzerte an der Evangelischen Gnadenkirche oder manche politische Diskussion mit Gesprächspartnern von Gregor Gysi bis Joachim Gauck – Bergisch Gladbach hätte in den vergangenen drei Jahrzehnten anders ausgesehen, wenn er nicht dagewesen wäre.

Heute um 17 Uhr verabschiedet sich Thomas Werner nach mehr als drei Jahrzehnten als Pfarrer der evangelischen Gnadenkirche – wie es seine Art ist, nicht mit Hochglanzeinladung und steifem Empfang, sondern offener Runde für alle vor der Kirche.

Gladbacher Pfarrer wollte Menschen auf Augenhöhe begegnen

„Mir war es immer wichtig, gemeinsam mit den Menschen unterwegs zu sein – auf Augenhöhe“, sagt der 64-jährige Seelsorger, der 1992 einen bürgerlich-konservativen Pfarrbezirk übernahm, der sich „im Umbruch“ befand, wie sich Werner im Gespräch mit dieser Zeitung erinnert. „Ich habe hier eine aufgeschlossene Mitarbeiterschaft angetroffen, die bereit war, im Respekt vor gewachsenen Strukturen nach neuen Wegen insbesondere in der Jugend und Familien zu suchen.“

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Der in Südafrika geborene Sohn eines evangelischen Pfarrers hatte Theologie in Heidelberg, Berlin und Bonn studiert, war Vikar in Köln Deutz, später am Eigelstein und in Köln-Klettenberg tätig und dann Pastor im Sonderdienst in sozialen Brennpunkten von Essen. „Ich bin ein echtes Kohlenpott-Kind“, sagt Thomas Werner noch heute.

Wechsel nach Gladbach war neuer Lebensabschnitt

Der Wechsel nach Gladbach war ein neuer Lebensabschnitt, Sohn Sebastian war kurz zuvor geboren worden, knapp drei Jahre später komplettierte Tochter Charlotte die junge Familie von Kirsten Korfkamp-Werner und Thomas Werner im Gladbacher Pfarrhaus am Quirlsberg, von dem aus der Seelsorger rasch Impulse setzte.

Aber keineswegs mit der Brechstange. Im Gegenteil: „Im ersten Jahr gucken, im zweiten fragen und im dritten »was sagen« und mit der Mitarbeiterschaft gemeinsam etwas entwickeln“, beschreibt Werner seine Herangehensweise in der neuen Gemeinde, die für ihn schon damals eine „Perle der rheinischen Kirche“ gewesen sei: „Vom Gelände, von den Möglichkeiten hier mitten in der Stadt, aber auch von den Menschen her.“

Gladbach: Seit 1995 Open Air Quirl

Und: Nachdem bereits 1992 das erste Ökumenische Gemeindefest aus der Taufe gehoben war, stand in Werners drittem Jahr an der Gnadenkirche nicht nur der Mobile Soziale Hilfsdienst und die Aktion „Kunst und Gnadenkirche“, sondern auch das Konzept der Initiative Quirl zur Förderung ökumenischer und kultureller Aktivitäten in Bergisch Gladbach: Seit 1995 findet von Mai bis September jeden Sonntag „Open Air Quirl“ vor der Gnadenkirche statt, zudem Quirl-Kultur mit Konzerten, Kunst, Theater und Kabarett.

Auch in den politischen Diskurs mischten sich Pfarrer Werner und seine Mitstreiter an der Gnadenkirche mit Veranstaltungen und Taten ein. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse war ebenso zu Gast wie Rupert Neudeck, der Begründer der Organisation Cap Anamur/Deutsche Notärzte. Und ganz praktisch fand auch das Netzwerk Wohnungsnot und die Schuldnerberatung Rhein-Berg an der Gnadenkirche ein erstes Zuhause. Doch die Gnadenkirche und ihre Umgebung sollten nicht nur Anlaufstelle für Hilfesuchende sein, sondern auch über die Gottesdienste hinaus Treffpunkt für alle.

Gemeindeschwester-Büro in Gladbach als lebendigster Ort

„Der lebendigste Ort war damals das Gemeindeschwester-Büro“, erinnert sich Werner. „Wir wollten ein Café, mit offener Café-Arbeit und dann gab es da nebenan die Kneipe »Schmidt am Dom« . . .“ Es war ein kleines Husarenstück, wie Werner 1997 den Kauf der Immobilie einfädelte, im folgenden Jahr eröffnete das „Quirl’s“, das sich rasch zum wichtigen Szenelokal der Kreisstadt entwickelte.

Noch im selben Jahr übernahm die Kirchengemeinde auch die Trägerschaft des Q1 Jugend-Kulturzentrums, gründete eine Kinderstiftung „Quirl“, die Kinder- und Jugendakademie „Q1stein“.Die Förderinitiative „Mensch und Arbeit“ zur Beschäftigung Arbeitsloser kam ebenso hinzu wie das Kinderbüro und der städtische Spieleverleih übernommen und das „Mehrgenerationenhaus Bergisch Gladbach“ aufgebaut wurden. „Das alles sind sicher Visitenkarten unserer Gemeinde“, sagt Thomas Werner und schaut in den Kirchgarten, den er mit seinem Team während der Corona-Zeit zum neuen Gottesdienst- und Veranstaltungsort weiterentwickelte. Dann setzt der 64-Jährige ruhig hinzu: „Aber die vielen kleinen Begegnungen, das, was die Menschen in ihren Herzen bewegt hat, das war das, was mich am meisten erfüllt hat.“

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So hinterlässt der Seelsorger, der schon ein bisschen stolz ist, „immer mehr Taufen und Aufnahmen als Trauerfälle und Austritte“ gehabt zu haben, eine lebendige Gemeinde. Wer seine Nachfolge antritt ist noch offen. Thomas Werner reist in seinem Resturlaub erst einmal nach Südafrika. „Um Luft zu holen und mich neu zu orientieren“, sagt Werner. „Ich hänge den Talar an den Nagel, aber bleibe den Menschen als Christ verbunden“, verspricht der Seelsorger und wünscht seiner Gemeinde, das Erreichte engagiert weiter zu entwickeln. „So wie es uns immer wichtig war: nicht »ja, aber«, sondern immer »ja, gerne.“

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