PendlerDroht Bergisch Gladbach der verkehrstechnische Super-GAU?

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Bergisch Gladbach – Glaubt man Dr. Ulrich Soénius, dem stellvertretenden Hauptgeschäftsführer der IHK Köln, so droht dem Rheinisch-Bergischen Kreis und im speziellen der Stadt Bergisch Gladbach der verkehrstechnische Super-GAU.

„Wir sind an der Belastungsgrenze. Die Region ist gnadenlos verstopft und der Pendlerverkehr ist aktuell nicht mehr in den Griff zu bekommen“, sagte Soénius in einem Vortrag, zu dem ihn die IHK Köln, die Kreishandwerkerschaft sowie die Initiative "Leben und Arbeiten in Bergisch Gladbach" ins Gebäude der Kreishandwerkerschaft eingeladen hatte.

Ulrich Soénius (2.v.r.) mit Vertretern von IHK, Kreishandwerkerschaft und der Initiative "Leben und Arbeiten in Bergisch Gladbach".

Ulrich Soénius (2.v.r.) mit Vertretern von IHK, Kreishandwerkerschaft und der Initiative "Leben und Arbeiten in Bergisch Gladbach".

„Stadtentwicklung im regionalen Kontext“ hatte der Spezialist in Sachen Standortpolitik seinen Vortrag überschrieben. Rund eine Stunde referierte der promovierte Historiker über Verkehr, Stadt- und Wohnraumentwicklung und über die Bedürfnisse der Industrie.

Stadt-Land-Gefälle

„Die Bevölkerungszahl im Rheinisch-Bergischen Kreis wird bis zum Jahr 2040 stagnieren“, erläuterte das IHK-Vorstandsmitglied. Allerdings mit einer Einschränkung: Die Stadt Bergisch Gladbach werde wachsen, der ländliche Teil des Kreises werde Bewohner verlieren.

„Die Wohnraumnachfrage in der Stadt wird wachsen, und wir müssen mit Leerstand in ländlichen Regionen rechnen“, sagte Soénius. Es sei mit einem enormen Entwicklungsdruck sowohl bei Wohnraum als auch bei Industrieflächen zu rechnen und damit auch mit einer erhöhten Verkehrsbelastung.

Alternative zur Entlastung

„Der Autobahnzubringer ist eine gute Alternative zur Entlastung überlasteter Achsen und notwendig für die Stadt“, erklärte der Standortprofi den Zuhörern. Es können nicht angehen, dass eine Minderheit Entscheidungen blockiere. Auch zusätzliche Anschlüsse an die Autobahn 4 seien notwendig.

Dann bekam die Politik ihr Fett weg. „Lösungen werden seit Jahren verschleppt und nicht vorangetrieben. Allerdings sind es nicht die Bürgermeister, sondern die politischen Parteien in Ausschüssen und Räten, die blockieren“, schimpfte Soénius. Seine Empfehlungen für die Stadt Bergisch Gladbach und die Region: Zweigleisiger Ausbau der S-Bahnlinie 11 mit zwei Bahnsteigen am S-Bahnhof, Ausbau des Haltepunktes Duckterath, Autobahnzubringer über den Bahndamm und zusätzliche Autobahnauffahrten.

Mobilitätsverhalten überdenken

Der Ausbau des Kölner Autobahnrings, die Ortsumgehung Overath, der Neubau der Leverkusener Autobahnbrücke und die geplante Rheinquerung im Kölner Süden würden ein Übriges zur Entlastung des Rheinisch-Bergischen Kreises und speziell der Stadt Bergisch Gladbach beitragen, führte er aus. Generell müsse aber auch jeder Einzelne sein Mobilitätsverhalten überdenken und ändern. Der Individualverkehr müsse deutlich zurückstecken zugunsten öffentlicher Verkehrsmittel. Soénius: „Wenn wir mehr Lebensqualität in den Innenstädten wollen, muss der Autoverkehr raus aus dem Stadtkern.“

Probleme sieht der Standortplaner für die Region auch in der Entwicklung der Gewerbeflächen. Seit 1994 hätten die entwickelten Flächen stagniert. Fast täglich erhalte er Anfragen nach Industrieflächen. „Die Investoren haben die Taschen voller Geld, aber es ist keine Fläche vorhanden. Auf der anderen Seite hat das Baugewerbe jetzt schon die Auftragsbücher voll, aber in der Region fehlt es an Personal“, erläuterte Soénius.

Mangel an bezahlbaren Wohnraum

Es fehle sowohl an Gewerbeflächen als auch an bezahlbarem Wohnraum. Wer an Wohnraum denke, müsse auch an Arbeitsplätze denken und umgekehrt. Die Kommunen seien für die Entwicklung von Gewerbeflächen und Wohnbebauung verantwortlich, aber das „Kirchturmdenken“ müsse endlich aufhören. Die Bürgermeister seien durchweg offen, auch hier seien die Räte das Problem. Interkommunale und strategische Zusammenarbeit sei künftig notwendig. Die Bezirksregierung habe deutlich signalisiert, sie werde notfalls die Kommunen zwingen, sich abzustimmen. „Es ist sicher, dass es so nicht weitergeht.“

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