Streit mit Ganey-Tikva-VereinLutz Urbach: „Ich habe gemerkt, es geht nicht mehr“

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Streit um Ganey Tikva-Verein

Das Kunstwerk der israelischen Künstlerin Orna Ben-Ami auf dem Ganey-Tikva-Platz in Bergisch Gladbach heißt „Key to Fri­end­ship“. Mit der Freundschaft zwischen der Stadt und dem Ganey-Tikva-Partnerschaftsverein ist es aber erst einmal vorbei.

Bergisch Gladbach – Bürgermeister Lutz Urbach sprach mit Matthias Niewels über den Streit um den Ganey-Tikva-Verein.

Am Donnerstag findet eine Mitgliederversammlung des Ganey-Tikva-Vereins statt. Sie haben erklärt, dass dieser Verein nicht mehr der Ansprechpartner für die Städtepartnerschaft mit Ganey Tikva ist. Wie kam es zu der Entwicklung?

Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich die Entwicklung sehr bedaure. Jeder, der sich ein wenig auskennt, weiß, wie wichtig mir die Partnerschaften nach Beit Jala (Westjordanland, Anm. der Redaktion) und Ganey Tikva (Israel, Anm. der Redaktion) sind. Jetzt ist der Punkt gekommen, wo auch ich anerkennen muss, dass es einfach nicht mehr passt. Der Ganey-Tikva-Verein hat sich in den vergangenen Monaten immer mehr als konstruktiver Ansprechpartner für eine Städtepartnerschaft verabschiedet und seinen Fokus auf die Bekämpfung von Antisemitismus gelegt. Auch werden aus meiner Sicht verstärkt Positionen einer radikalen Israelpolitik verfolgt. Vor allem aber hat der Verein sich der vom Stadtrat gewünschten konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Beit-Jala-Verein entzogen.

In der Pressemitteilung haben Sie auf einen Ratsbeschluss verwiesen.

Genau. Im Juli 2012 hat der Rat beschlossen, trilaterale Beziehungen aufzubauen und das ehrenamtliche Engagement für diese Städtepartnerschaften zu bündeln. Für dieses Ziel wurden die beiden Partnerschaftsvereine gegründet. Der Beit-Jala-Verein und der Ganey-Tikva-Verein. Letzterer setzt nun seine Schwerpunkte anders.

Das sieht der Verein aber anders. Er spricht davon, dass die Bekämpfung von Antisemitismus in Bergisch Gladbach ein wichtiger Teil der Arbeit des Ganey-Tikva Partnerschaftsvereins sei. Und er fühlt sich von einer Presseerklärung der Stadt überrumpelt. Dabei ging es um eine gemeinsame Veranstaltung, die ja gerade die Zusammenarbeit der beiden Vereine wieder beleben sollte.

Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass der Verein bereits seit Jahren gemeinsam mit der evangelischen Kirche am Heilsbrunnen den Holocaust-Gedenktag begeht und zum Gedenken an die Reichspogromnacht einlädt. Das ist bereits aktive Arbeit zur Bekämpfung des Antisemitismus. Hier ging es aber um etwas ganz anderes. Wir haben mit Michal Fürst, dem Vorsitzenden des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, und Dr. Yazid Shammout, dem Vorsitzenden der  Palästinensischen Gemeinde Hannover, diskutiert. Aus meiner Sicht ein Gespräch mit vielen guten Ansätzen. Wir haben an einer gemeinsamen Presseerklärung gearbeitet und tatsächlich war diese mit der Vereinsvorsitzenden komplett abgestimmt. Von Überrumpelung kann also überhaupt keine Rede sein. Dann hat der Ganey-Tikva-Verein seine Zustimmung zurückgezogen und hat mich aufgefordert, den Mantel des Schweigens über dieses Treffen hüllen. Für mich nicht nachvollziehbar und für mich auch keine Alternative, mit der Informationspolitik über ein solches Treffen umzugehen. Deshalb habe ich mich dann auch entschieden, die Pressemitteilung zu veröffentlichen.

Lutz Urbach

Bergisch Gladbachs Bürgermeister Lutz Urbach

Und das war der Grund, die Zusammenarbeit aufzukündigen.

Sagen wir so: Es war der Schlusspunkt. Ich habe gemerkt, es geht nicht mehr. Der Ansatz, keine Weltpolitik betreiben zu wollen, sondern sich ausschließlich um die Begegnung von Menschen zu kümmern, wird nicht mitgetragen.

Aber ist es tatsächlich nicht unrealistisch Menschen aus Palästina und Israel zusammenzubringen und nicht über die Siedlungspolitik oder Terrorismus zu sprechen?

Natürlich kann und will das niemand ausklammern. Aber wir, auf der deutschen Seite mit unseren Partnerschaftsvereinen, machen das eben nicht zum Thema. Wir wollen Menschen erst einmal zusammenbringen und Brücken bauen.

Und was spricht dagegen, das mit einer aktiven Bekämpfung von Antisemitismus zu verbinden?

Das ist nicht die Aufgabe der Partnerschaftsvereine. Ich verweise da gerne noch einmal auf den Ratsbeschluss. Aber ich habe selbstverständlich überhaupt nichts dagegen, wenn sich in Bergisch Gladbach ein Verein zur Bekämpfung des Antisemitismus gründet. Genauso wenig wie ich etwas dagegen habe, sich mit der deutsch-israelischen Geschichte auseinanderzusetzen.

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Gibt es den denn in Bergisch Gladbach erkennbaren Antisemitismus?

Gladbach ist kein Hort des Antisemitismus. Und ehrlich gesagt bin ich auch nicht bereit, ein Nano-Mikroskop herauszuholen und dann doch noch eine Form von Antisemitismus in Bergisch Gladbach zu finden. Und es ist absolut unverantwortlich, dass – wie geschehen – in Ganey Tikva kolportiert wird, dass es hier ein massives Antisemitismus-Problem gibt. Allein deshalb, um unsere Stadt vor solchen unwahren Behauptungen zu schützen, war es wichtig, diesen Schnitt zu machen.

Wie soll es in Zukunft weiter gehen?

Wir werden an den Beziehungen zu Ganey Tikva weiter arbeiten, zurzeit dann eben ohne den Verein.

Wie erklären sie den Menschen in Israel die Lage hier?

Persönlich habe ich noch mit niemanden vor Ort sprechen können, weil ich noch nicht wieder in Israel war. Wir stehen aber selbstverständlich in Kontakt. Die Reaktionen unserer Freundinnen und Freunde in Ganey Tikva waren sehr verständnisvoll. Aber klar, werden wir mit unseren Freunden auch persönlich sprechen und erklären, was hier vorgefallen ist.

Und was erwarten Sie von der Mitgliederversammlung des Ganey-Tikva-Vereins?

Keine großen Überraschungen. Es sind ja etliche Mitglieder aus Protest gegenüber dem neuen Kurs ausgetreten. Man wird also geschlossen auftreten und abstimmen, denke ich.

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