Wohnhaus geplantEhemaliges Stadtarchiv soll abgerissen werden – nicht denkmalwürdig

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Über dem Eingangsportal thront eine Arbeiterfigur, die erhalten bleiben soll.

Über dem Eingangsportal thront eine Arbeiterfigur, die erhalten bleiben soll.

  • Die Geschichte des Alten Arbeitsamts reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück
  • Eine Vielzahl an An- und Umbauten haben das Gebäude im Laufe der Zeit „verunstaltet“
  • Die Rheinisch-Bergische Siedlungsgesellschaft plant Ankauf des Grundstücks, Abriss der Immobilie und Neubau eines Wohnhauses

Bergisch Gladbach – Häuser haben ihre Geschichte und ihre Geschichten. Manche Gebäude werden durch ihre Vergangenheit denkmalwürdig, andere nicht. Das Alte Arbeitsamt, jetzt auch ehemaliges Stadtarchiv, hat eine Geschichte, die laut Professor Dr. Michael Werling bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht.

Der Vorsitzende des Bergischen Geschichtsvereins Rhein-Berg hat sich umfassend mit der Historie des Hauses Hauptstraße 310 auseinandergesetzt. Sein Fazit: Das Alte Arbeitsamt ist nicht denkmalwürdig. Werling bestätigt damit die Auffassung der Stadt, die das seit einigen Monaten leerstehende Haus zur Verwertung freigeben möchte.

Die Rheinisch-Bergische Siedlungsgesellschaft plant Ankauf des Grundstücks, Abriss der Immobilie und Neubau eines Wohnhauses. Aus der Anwohnerschaft gab es zuletzt Bedenken, das Bauvolumen könne „zu klotzig“ ausfallen, eine Unterstützer-Liste mit rund 100 Unterschriften liegt im Rathaus.

Verunstaltungen durch An- und Umbauten

Werling erinnert insbesondere an „eine Vielzahl von An- und Umbauten“, die am Haus in den vergangenen Jahrzehnten vorgenommen worden seien. Der Denkmalpflegeplan der Stadt und auch die Denkmalpfleger im Rheinland hätten aufgrund dieser „Verunstaltungen“ das Gebäude nicht als denkmalfähig beurteilt. „Demzufolge darf dieser Kubus auch abgerissen und überplant werden.“ Der „Entwurf“ eines massigen Neubaus, der von den Anliegern als eine Art Mahnung angefertigt worden sei, diene deshalb nicht der Sache.

Im Stadtarchiv ist Werling der Geschichte des Hauses nachgegangen. Der erste Bau auf dem Grundstück sei demnach schon 1883 als „Villa Schlünkes“ entstanden. Architekt war der Steinhauermeister und Bauunternehmer Hubert Lob (1840-1889) aus Lindlar. „Es handelte sich um eine zweigeschossige Villa im Landhausstil, die mit einem Walmdach abgedeckt war.“ Zur Straße hin sei ein breiter Fachwerkgiebel aufgesetzt gewesen. 1914/15 habe der bekannte Gladbacher Architekt Peter Will einen Erkeranbau hinzugesetzt.

1936/37 kam es dann zur entscheidenden Veränderung: der Verschmelzung des benachbarten Arbeitsamtes mit der bürgerlichen Villa. Aus Sparsamkeitsgründen, so Werling, sei das Gemäuer der alten Villa in den Bau des Arbeitsamtes integriert worden. Werling beschreibt: „Dach und Giebel wurden abgebrochen, Fensteröffnungen an den Langseiten vermauert und neue Öffnungen in die schon vorhandenen Wände eingemauert.“ Der Gladbacher Architekt Wilhelm Neumann habe diese Veränderungen geplant.

Das Archiv zur Nazi-Zeit

Aus dem März 1933, also kurz vor dem Großumbau, datiert ein historisches Foto, das den damaligen Arbeitsamtsdirektor Peter Walterscheidt vor dem Gebäude in einer Traube von Menschen zeigt. Der Amtsleiter, den Nazis als Mitglied der SPD verhasst, war von „Hilfspolizisten“ aus seinem Büro gezerrt worden und musste ein Schild mit der Aufschrift „Ich bin ein Parteibuchbonze“ tragen. Anschließend kam er in Haft und verlor alle Dienstansprüche. Das Walterscheidt-Foto ist eine der bekanntestens Aufnahmen aus der NS-Zeit in Bergisch Gladbach.

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Das Häuser-Ensemble, wie es die Gladbacher heute kennen, entstand Anfang der 1950er-Jahre. Das Gebäude des Arbeitsamtes sei damals um vier Fensterachsen deutlich nach Osten erweitert worden, beschreibt der Historiker. Ende 1951 sei dieser letzte Umbau geplant, 1952 ausgeführt worden. Im Zustand von 1952 befindet sich das Gebäude noch heute, von der alten Villa ist nichts mehr erkennbar. Bis 1986 war das Haus als Arbeitsamt im Eigentum des Rheinisch-Bergischen Kreises, die letzten 32 Jahre nutzte es die Stadtverwaltung als Standort des Archivs. Seit dem Umzug der Archivare in das Gustav-Lübbe-Haus in Heidkamp im März steht das Gebäude leer.

Der über die Jahre entstandene Mix aus mehreren Gebäuden könne niemals den vom Denkmalschutz eingeforderten exemplarischen Charakter haben, die Architektur des Alten Arbeitsamts sei weder modellhaft noch beispielhaft, meint Werling. Beim Umbau Mitte der 1930er Jahre habe sich in Ansätzen die Formensprache der nationalsozialistischen Architektur gezeigt, mit einer pathetisch-monumentalen Architektur. „Am ehemaligen Arbeitsamt und späteren Archivgebäude ist von dieser entrückten Einschüchterungsarchitektur allerdings so gut wie nichts zu lokalisieren.“ Auch gebe es keine künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründe, um in die Liste der Baudenkmale aufgenommen zu werden.

Nach einem Abriss wird allerdings nicht alles verschwinden vom Bauensemble: die über dem Eingangsportal thronende Arbeiterfigur des Kölner Bildhauers Wolfgang Waller (1884-1964) aus dem Jahr 1936 bleibt erhalten. Die Stadt stelle sie vor dem Hausabriss sicher, sagt Werling. Im Anschluss werde sie auf Kosten des Bergischen Geschichtsvereins Rhein-Berg restauriert und dann vor dem neuen Gebäude der Arbeitsagentur an der Bensberger Straße mit entsprechenden Erläuterungstafeln aufgestellt werden.

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