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Yüksel Pazarkaya aus BensbergBrückenbauer zwischen deutscher und türkischer Kultur

Lesezeit 4 Minuten
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25 Jahre lebte Pazarkaya in Stuttgart, wo seine drei Kinder zur Welt kamen. Heute wohnt er in Bensberg.

  • 1958 kam Yüksel Pazarkaya nach Deutschland, um Chemie zu studieren.
  • Seine Werke erscheinen in deutscher und türkischer Sprache. Außerdem übersetzt er deutsche Klassiker ins Türkische.
  • Seit 1986 ist er mit seiner Frau im Rheinland zu Hause.

Bergisch Gladbach – Brücken zwischen deutscher und türkischer Kultur baut Yüksel Pazarkaya. Der Schriftsteller und Übersetzer, der seit 1986 in Bensberg lebt, ist in der Türkei bekannter als in Deutschland. Profiliert ist er dort auch als Germanist: Er macht die deutsche Literatur für türkische Leser zugänglich, hat die Werke berühmter Autoren, auch Goethe oder Lessing, ins Türkische übersetzt.

Alle Gedichte von Rilke ins Türkische übersetzt

Eine herausragende Leistung ist, dass er sämtliche Gedichte von Rainer Maria Rilke in seine Muttersprache übertragen hat – zehn Jahre habe er daran gearbeitet, berichtet Pazarkaya. 2012 erschienen die Rilke-Gedichte im Cem Verlag: in zwei Bänden mit insgesamt 1340 Seiten.

Dass Pazarkayas Wort bei Verlagen und Redaktionen Gewicht hat, lässt sich auch daran ablesen, dass die regierungskritische Istanbuler Tageszeitung Cumhuriyet kurz vor Weihnachten sieben von Pazarkaya übersetzte Gedichte des Hoffnungsthaler Autors Matthias Buth druckte, sie erschienen auf einer Doppelseite in der wöchentlichen Literaturbeilage (wir berichteten).

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Pazarkaya schreibt Essays, Bücher und Theaterstücke

„Ich habe auch sehr viele türkische Dichter ins Deutsche übersetzt“, berichtet Pazarkaya – auch Nazim Hikmet und Aziz Nesin. Hinzu kommen seine eigenen Werke, Lyrik und Prosa. Zur Bandbreite von Pazarkayas Schaffen gehören auch Essays, Kinderbücher oder ein Theaterstück wie „40 Jahre – leicht gesagt“.

Es handelt von einem Mann und einer Frau, „die vor 40 Jahren als Arbeitskräfte nach Deutschland kamen und als Menschen geblieben sind“, wie der Klappentext zur Buchausgabe des 2007 erstmals aufgeführten Schauspiels verrät. Inzwischen blickt der 79-jährige Autor auf über 100 veröffentlichte Bücher zurück, rund die Hälfte davon sind eigene Schriften.

Seine eigenen Werke schreibt Pazarkaya auf Türkisch und Deutsch. So hat er auch seinen Roman „Ich und die Rose“ in „zwei Fassungen“ geschrieben. Ein eigenes Werk in eine andere Sprache zu übertragen sei anders als das Übersetzen von Texten fremder Autoren, erklärt Pazarkaya: „Da ist man freier.“ 2002 erschien die deutsche Ausgabe im Hamburger Rotbuch Verlag, beim Lesen entwickelt sich rasch ein Sog. Charakteristisch sind kurze, schlichte Sätze, die erkennen lassen, dass der Autor sich auch auf Lyrik versteht.

Die Geschichte dreht sich um einen Ich-Erzähler, der nach mehr als zehn Jahren in Deutschland erstmals wieder in seine türkische Heimat reist und das Land neu entdeckt, mit neuen Augen sieht. Das Geschehen wirkt alles andere als alltäglich, Pazarkaya gelingt eine überzeitliche Perspektive, es geht um allgemeine menschliche Erfahrungen. Für Pazarkayas Ich-Erzähler wird die Reise in die alte Heimat zur Selbstsuche, wie er erklärt: „Ich weiß nicht einmal, wer ich bin...“

1986 kam er mit seiner Frau nach Köln

1940 in Izmir geboren, kam Pazarkaya 1958 zum Chemie-Studium nach Deutschland. Später stieg er auf Germanistik um und promovierte über ein Fachthema, die „Dramaturgie des Einakters im 18. Jahrhundert“. 1966 übersetzte er erstmals ein Buch ins Deutsche, „Poesie“ von Orhan Veli Kanik, erschienen bei Suhrkamp.

25 Jahre lebte Pazarkaya zunächst in Stuttgart, wo er auch seine aus Istanbul stammende Frau kennenlernte und seine drei Kinder zur Welt kamen. 1983 schrieb er das Drehbuch für die zwölfteilige Fernsehserie „Unsere Nachbarn, die Baltas“, die von Türken in Deutschland handelte und 1983 in der ARD ausgestrahlt wurde.

1986 kam Pazarkaya nach Köln, wo er für die türkische Redaktion des WDR tätig war – bis zu seiner Pensionierung 2003. Im Rheinland lernten er und seine Frau Deutschland von einer ganz anderen Seite kennen. „Wir sind in beiden Städten sehr gerne“, sagt er über Stuttgart und Köln – trotz der deutlich anderen Mentalität der Bewohner.

Grenzgänger zwischen schwäbischer und rheinischer Kultur

„Es hat uns gewundert, diese Unterschiede zu erleben“, erzählt Pazarkaya. Er wurde damit nicht nur Grenzgänger zwischen Türkei und Deutschland, sondern auch zwischen schwäbischer und rheinischer Kultur. Er ist deutscher Staatsbürger und Mitglied des türkischen und des deutschen PEN-Zentrums.

Zum Wohnen in Bensberg sagt Pazarkaya: „In Bensberg sind wir zu Hause, Ausflüge machen wir nach Köln.“ In seinem Ruhestand zieht es Pazarkaya und seine Frau auch wieder in die Türkei – dorthin, wo sie den europäischen Nachbarn am nächsten ist, auf einer Insel westlich der Dardanellen: „Wir genießen den westlichsten Punkt der Türkei.“

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