Borkenkäferplage in Rhein-BergDas Ende des Fichtenwaldes

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Kahlschlag im Lerbacher Wald: Die gefällten Bäume liegen kreuz und quer, als hätten Riesen Mikado gespielt.

Kahlschlag im Lerbacher Wald: Die gefällten Bäume liegen kreuz und quer, als hätten Riesen Mikado gespielt.

  • Die Förster in Rhein-Berg sprechen von einer Katastrophe bei der Borkenkäferplage.
  • Pausenlos arbeiten sie daran, die befallenen Fichten aus dem Wald zu bringen.
  • Mittlerweile sind so viele Bäume betroffen, dass die Forstarbeiter mit dem Abtransport nicht mehr hinterherkommen. Ein Besuch.

Rhein-Berg – Diesen Sommer bestimmt nicht das Rauschen der Blätter an den Bäumen das Leben im Wald, sondern das Surren der Kettensägen. Die Situation ist wirklich ernst. „Die Borkenkäferplage ist eine Katastrophe, ein echtes Horrorszenario“, sagt Wolfgang Blass, Revierförster in Bergisch Gladbach. Mit dem Abholzen und Abtransport der kranken Fichten kommen die Forstarbeiter nicht hinterher. „Selbst aktuelle Schäden zu beheben, schaffen wir nicht“, berichtet sein Kollege aus Kürten, Revierförster Raik Gröning.

Mondlandschaft aus Baumstümpfen und -stämmen

Blass stoppt sein Auto auf einem Waldweg im Lerbacher Wald: Vor ihm liegt eine Mondlandschaft aus Baumstümpfen und -stämmen auf dem Erdboden, ringsherum verteilt Sägemehl und braune Nadeln, die frischen Schnitte sind mit roten Zahlen markiert. Noch vor kurzem standen die Fichten hierdicht an dicht, lange Reihen spitzer Wipfel. „Sie fehlen jetzt auch als Schutz für andere Bäume“, sagt Blass und deutet auf eine abgeknickte Teenager-Buche. Das Bäumchen konnte dem Wind nicht trotzen.

Die Killer zwischen Baum und Borke haben in Bergisch Gladbach bereits 30 Hektar Fichtenwald vernichtet. Besonders schlimm ist es im Lerbacher Wald, in der Hardt in Moitzfeld sowie in den Wäldern an der Saaler Mühle und an der Diepeschrather Mühle, sagt Blass.

In Kürten ist es überall schlimm: „Die Fichte ist hier flächendeckend verteilt“, sagt Gröning, im Gemeindegebiet gelten jetzt schon 60 Hektar als zerstört. „Und das ist erst der Anfang“, meint Gröning. Sehr trockene und heiße Sommer wie der vergangene schwächten diese Baumart: „Da haben Schädlinge leichtes Spiel.“ Einmal vom Borkenkäfer befallen, sind die Fichten nicht mehr zu retten, sie sterben ab.

Inzwischen stürzen sich die winzigen Schädlinge sogar schon auf andere Baumarten wie die Douglasie oder die Buche, erzählt Blass und klingt dabei besorgt. „Wir können nur abwarten, ob sich diese Baumarten besser gegen die Schädlinge wehren können.“ Die Baumrinde einer Fichte sei nur ein Zentimeter dünn, die Rinde anderer Baumarten sei stärker, damit steige auch die Chance zu überleben. Der Anteil von Fichten liegt im Gladbacher Wald bei 15 Prozent, in Kürten bei 30 Prozent.

Duft lockt Käfer in die Falle

Die Landesanstalt Wald und Holz NRW dokumentiert den Befall der Bäume, verursacht durch die Fichtenborkenkäfer Buchdrucker und Kupferstecher. „Borkenkäfer-Monitoring“ nennt sich das Ganze. Zur Erfassung der Käferdichte sind auch im Wald von Kürten-Hove je zwei Fallen platziert. Angelockt werden die Käfer mit Lockstoffen: „Fliegt der Käfer die Falle an, fällt er durch den Schlitz in einen Auffangbehälter und kommt nicht mehr heraus“, erklärt Förster Raik Gröning, Revierförster in Kürten.

Einmal in der Woche meldet Grünberg seine Fangzahlen an die Landesanstalt, um den Überblick zu behalten, wie sich die Käferpopulation entwickelt. Ein Messbecher erleichtert die Zählung. Auf der Risikokarte im Internet, ist das ganze Bergische Land mit der höchsten Gefährdungsstufe rot gekennzeichnet. (ub)

www.wald-und-holz.nrw.de

Das Handy von Förster Blass klingelt ständig. Oft sind es Bürger, die sich beschweren, der Wald sehe „so unaufgeräumt“ aus. „Aber es gibt derzeit einfach nicht genug Transportunternehmen, die die Stämme zu den Sägewerken bringen“, erklärt Blass. Deshalb stapeln sich am Rand vieler Waldwege die Hölzer in langen Reihen und in die Höhe. „Alles längst vermessen und verkauft, aber es kann nicht abgeholt werden“, erzählt Blass.

Immer wieder Kritik an den Forstarbeitern

Ein weiterer Vorwurf, den Blass und seine Kollegen sich häufig anhören müssen: Hinter dem Fällen der Bäume stünden rein wirtschaftliche Interessen der Waldbesitzer. „Das ist absoluter Quatsch. Wir machen das doch hier nicht zum Spaß“, ärgert sich Blass, „wir bemühen uns, ohne Kahlschläge zu wirtschaften, und jetzt sind wir gezwungen genau das zu tun.“ Abgesehen davon sei der Holzpreis im Keller.

Vor einem Jahr habe der Preis für Fichtenholz noch bei rund 100 Euro pro Kubikmeter gelegen, inzwischen habe sich der Wert halbiert. Viele Eigentümer müssten sogar draufzahlen, rechne man alle Logistikkosten inklusive Verschiffung nach China zusammen. In Europa werde man das Borkenkäferholz derzeit nicht los.

Im Herbst hoffen die beiden Förster mit dem Nachpflanzen anfangen zu können. Aber ob die Baumschulen, wenn es soweit ist, ausreichend Setzlinge vorrätig haben, bezweifelt Blass. Die Nachfrage wird groß sein.

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Der Wagen von Förster Blass kommt jetzt in einem Waldstück zwischen Bärbroich und Oberselbach zum Halt. Ein ganzer Hügel vollkommen kahl. „Viele Fichten erwischt es in ihrem besten Alter, mit 60 bis 80 Jahren“, berichtet Gröning. Die rötlich-bräunliche Farbe der kranken Baumkronen, die fahlen Stämme am Waldrand wirken fast gruselig. Manche stehen schon schief, drohen umzukippen. Allein aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht müssen sie so schnell wie möglich gefällt werden.

Gröning ist überzeugt: „Der Klimawandel ist in Deutschland angekommen. Deshalb müssen wir heute schon Bäume pflanzen, die für die zukünftigen Bedingungen geeignet sind.“ In Frage kämen Buche, Douglasie, Weymouth-Kiefer, Esskastanie, Lärche, Walnuss, Traubeneiche oder Rot-Eiche. Ein gemischter Wald minimiere das Risiko: „Wenn eine Baumart keinen Erfolg hat, kann es immer noch die andere schaffen“, meint Blass. Die meisten Waldbesitzer wüssten das inzwischen.

Vielleicht hat Blass recht, und die Borkenkäferplage hat auch irgendwie sein Gutes. Die Fichten machen Platz für andere Baumarten. In den Lücken fällt das Licht bis auf den Boden. Der Nachwuchs gedeiht dort besonders gut. Zeit für einen Neubeginn.

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