Die neue Lust aufs RadBoom bei Fahrradhändlern im ganzen Kreis

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Zumindest bei einem Flashmob eroberten Fahrräder die für Autos gebauten Straßen in Bergisch Gladbach.

Zumindest bei einem Flashmob eroberten Fahrräder die für Autos gebauten Straßen in Bergisch Gladbach.

  • „Es wird gekauft und repariert wie noch nie“ – Fahrradfahren erlebt gerade einen neuen Boom.
  • Viele Fahrradhändler und auch Fahrradreparaturen kommen gar nicht mehr hinterher.
  • Doch schon nach der Corona-Zeit könnte das alles wieder vorbei sein - glauben zumindest einige.

Rhein-Berg – Die Mobilitätswende hat begonnen. Könnte man jedenfalls meinen, angesichts der Warteschlangen vor den Fahrradgeschäften. „Es wird gekauft und repariert wie noch nie“, sagt Thomas Kölsch, Besitzer von Velo-Kölsch in Gladbach. Er hat neue Mitarbeiter in der Werkstatt eingestellt, seine Frau aus der Buchhaltung für den Verkauf umgeschult – aber es reicht derzeit alles nicht, um den Ansturm zu bewältigen. Kölsch: „Wir arbeiten zwölf Stunden und mehr und die Nerven liegen manchmal blank.“

Das ist auch gut in der Schloßstraße in Bensberg zu verfolgen. Vor dem Geschäft „Cycle-M“ diskutieren die Kunden über lange Wartezeiten. „Sechs Wochen soll ich auf die Reparatur warten, das ist doch alles irre“, schimpft eine junge Frau, die zum Geschäft gekommen ist, weil es telefonisch immer nur ein Besetzeichen gab. „Die Situation ist tatsächlich irre“, findet auch Klaus Molitor, der derzeit seine Sätze meist so beginnt: „Fassen sie sich kurz, hier ist die Hölle los.“ Er kann zwar verärgerte Kunden verstehen, sagt aber:. „Wir können nicht mehr als arbeiten.“ Corona hat den Fahrradhändlern einen ungeheuren Schub verpasst. „Viel zu stark, dass macht keinen Spaß mehr“, sagt auch Kölsch. Schließlich müsse für eine fachkundige Beratung Zeit investiert werden. Ein bis zwei Stunden seien völlig normal – Zeit, die er im Augenblick gar nicht habe.

Viel zu tun hat Klaus Molitor in Bensberg.

Viel zu tun hat Klaus Molitor in Bensberg.

Er und seine Kollegen berichten von Kunden, die das Rad als Transportmittel zur Arbeit einsetzen wollen. Oder von Kunden, die das Geld für den Sommerurlaub nun in Fahrräder investieren. Und die Händler berichten von Gladbacher Unternehmen, die ganz gezielt ihre Mitarbeiter beim Kauf eines solchen E-Bikes unterstützen. 90 Prozent der verkauften Fahrräder seien E-Bikes. 2500 Euro und schnell mehr kostet so ein Rad. Bernhard Werheid vom „Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club“ (ADFC) verfolgt die Entwicklung aufmerksam. „Corona wird die Mobilität verändern“, sagt er. Aus Angst vor der Enge in öffentlichen Verkehrsmitteln würden vielen Menschen umsteigen. „Bus und Bahn waren Verbündete mit dem Rad für die Verkehrswende – das sieht jetzt etwas anders aus.“ Werheid glaubt daran, dass Corona eine Art Initialzündung ist. „Das ist der Beginn eines lang anhaltenden Trends.“

Kölsch glaubt an tiefes Loch

Da ist der Händler Kölsch nicht so sicher. „Ich befürchte, dass wir in einigen Monaten in ein Loch fallen“, sagt er. Dann, wenn der Bedarf an den relativ teuren E-Bikes gedeckt ist. „In dem Tempo, wie im Augenblick verkauft wird, kann es jedenfalls nicht weiter gehen.“ Allein schon deshalb, weil es Lieferengpässe gibt.

Der Radhersteller Diamant in Sachsen etwa musste Kurzarbeit anmelden, weil die Zulieferketten nach Asien gestört sind. Wer heute ein Fahrrad exakt nach seinen Wünschen konfiguriert – also Rahmenhöhe, Stärke des Motors und dann auch noch Farbe und Design –, der wird entweder auf eine Auslieferung in einigen Monaten vertröstet, oder es müssen Kompromisse eingegangen werden. Auch die Hersteller haben Corona nicht kommen sehen und können die Kapazitäten nur langsam dem Bedarf anpassen.

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Aber was ist der Bedarf tatsächlich? Das wird kontrovers diskutiert. Der Verbund Service und Fahrrad, eine Organisation des Rad-Fachhandels, fordert eine schnelle Verbesserung der Fahrradinfrastruktur. Eine Forderung, die in Bergisch Gladbach besonders gut nachvollziehbar ist. Im Ranking des ADFC schneidet Gladbach Jahr für Jahr sehr schlecht ab. Fahrradhändler Kölsch: „Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass es in dieser Stadt wirklich eine Lobby für Fahrräder geben wird.“ Und deshalb könnte die Entwicklung auch so aussehen: Die Gladbacher kaufen teure Räder, ärgern sich über schlechte Radwege und wenn die Corona-Krise vorbei ist, fährt man lieber im Bus – noch lieber im Auto. Aber eben auf keinen Fall mit dem Rad. Bei dieser Sichtweise bringt Corona den Händler ein einmaliges Peak, mehr nicht.

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