Europawahl 201910 Orte, in denen die Europäische Union im Bergischen zu spüren ist

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Wagner Landschaft RB

Typisch bergisch: Die grße Dhünn-Talsperre in Kürten.

  • Viele Menschen spüren den Einfluss der Europäischen Union nicht.
  • Die Redaktion hat im Bergischen zehn Beispiele gefunden, die das Gegenteil beweisen.
  • Dabei profitiert der Kreis aber nicht immer von der Gemeinschaft.

Rhein-Berg – Leicht gesagt: Europa beginnt direkt vor unserer Haustür. Aber woran erkenne ich, was ohne Entscheidungen in Brüssel oder Straßburg bei uns im Bergischen vielleicht gar nicht gäbe? In einer Serie spürt die Lokalredaktion dieser Frage nach – und hat sich zum Auftakt auf den Weg durch die Region gemacht. Mit einem imaginären EU-Detektor – einmal quer durchs Verbreitungsgebiet.

Die durchlässige Dhünn

Gemächlich plätschert die Dhünn in Odenthal-Osenau der Wupper und mit ihr dem Rhein entgegen. Das war nicht immer so. Noch vor 15 Jahren stürzte sie hier und weit der Straße zwischen Odenthal und Schildgen – über ein Wehr. Was dem Dhünn-Wasser Anlass zu einem tauschenden Bergab bot, war für Wanderfische auf dem Weg flussauf ein unüberwindliches Hindernis.

2008 schleifte der Wupperverband das Wehr und setzte damit ein Vorgabe der EU-Wasserrahmenrichtlinie um. Mittlerweile ist etwa der Lachs bereits in die Wupper und ihre Nebenflüsse zurückgekehrt. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie prägt das Bergische unterdessen noch an einer Reihe weiterer Orte: Wie das Einzugsgebiet der Großen Dhünn-Talsperre, Deutschlands zweitgrößter reiner Trinkwassertalsperre, gegen Verunreinigung geschützt wird, regelt sie ebenso mit wie die Reinigung von Abwässern in Kläranlagen wie am Bergisch Gladbacher Beningsfeld, im Kürtener Dürschtal, oder eben in Odenthal-Osenau, in Sichtweite des geschliffenen Dhünn-Wehrs.

Alles zum Thema Herbert Reul

Wiesen und Felder im Bergischen

Herrlich, die Odenthaler und Kürtener Höhen: Diese Wiesen und Felder! Typisch bergisch eben. Nicht ganz. Was hier wächst, wie es angebaut, geerntet oder abgefressen wird – regeln oftmals Vorgaben, aber auch Bewirtschaftsungsprämien, die in Brüssel ihren Ursprung haben. Der größte Teil des EU-Haushalts geht in die Landwirtschaft, und diese prägt auch die Landschaft in Rhein-Berg maßgeblich.

Hähnchenschutz bei „Hähnchen Ewald“

Durch den Kreis zu wandern, macht hungrig, gut dass die Kultgaststätte „Hähnchen Ewald“ im Kürtener Weiler Selbach gleich aufmacht. Urig, lecker und typisch bergisch. Nicht ganz. Was hier auf den Teller kommt, muss strengen europäischen Vorgaben entsprechen. Zum Schutz der Verbraucher. Chlorhühnchen, wie sie in den USA erlaubt sind, haben hier keine Chance.

EU-Chips in Kuhohren

Weiter geht es Richtung Kreisstadt. Bei Herrenstrunden läuft uns ein Hund über den Weg – ganz ohne Herrchen oder Frauchen. Ob der kleine Racker wohl ausgebüxt ist? Ihn nach Hause zu bringen, ist kein Problem: Dank des EU-Chips unter seinem Fell kann ein Tierheim oder Tierarzt rasch die Daten des Vierbeiners auslesen und den Besitzer ermitteln. Auch die Kühe auf der Weide nebenan tragen übrigens EU-vorgeschriebene Marken im Ohr.

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Der bergische Weg

Jetzt aber raus aus der Stadt. Oder besser mitten hinein in deren grüne Mitte: Durch das Gladbacher Waldgebiet der Hardt verläuft der Bergische Weg, ein vom Deutschen Wanderverband zertifizierter Fernwanderweg, der wie die übrigen Routen des Bergischen Wanderlands zu einem guten Teil aus Fördergeldern des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) finanziert wurde: Wegweiser, Bänke, Markierungen – ohne Mittel aus Brüssel hätte es das touristische Projekt wohl nicht gegeben.

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