Igel-NothilfeEhrenamtlerin versorgt 150 bis 160 Tiere jährlich in Rhein-Berg

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Auch Kraulen gehört dazu: So sieht Hilfe für die kleinen Stacheltiere aus.

Auch Kraulen gehört dazu: So sieht Hilfe für die kleinen Stacheltiere aus.

Rhein-Berg – Die aufregende Nacht, die Brenda und Hugo bevorsteht, beginnt im Badezimmer. Die Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit verbringt das Duo mit Trockenübungen in Dusche und Wanne. Die Wintermonate hat das junge Igel-Paar bei einer ehrenamtlichen Pflegerin verbracht, ohne deren Engagement die beiden nicht überlebt hätten. Jetzt sollen sie wieder ausgewildert werden. Dass Hugo unterernährt war, sieht man ihm ebensowenig an wie Brenda die schwere Verletzung, die ihr ein Rasentrimmer zugefügt hatte, der ihren Winterschlaf unter einer Hecke abrupt beendete. Der wenige Monate alte Stachelträger schleppte sich über die Straße in Richtung des Gartens, in dem er auf die Welt gekommen war, wo er Ende Januar Hilfe fand.

„Igel sind manchmal Schweine“

„Das war Rettung in letzter Minute“ sagt die Frau von der Igel-Nothilfe, die die Wunde reinigte und Brenda sofort mit Schmerzmitteln und Antobiotika versorgte. Ein Anruf bei „Dogman Tierhilfe e.V.“ hatte den Kontakt zu der Ehrenamtlerin hergestellt, die aus Kapazitätsgründen nicht namentlich in Erscheinung treten möchte. Rund 150 bis 160 Stachelträger versorgt sie im Durchschnitt pro Jahr. Manchmal muss sie Neuzugänge ablehnen. Ein Großteil des Gehalts ihres Teilzeitjobs fließt in das Engagement; ab und zu gibt es auch Spenden für Tierfutter und Medikamente. Bevor sie morgens zur Arbeit geht, werden die Behausungen gesäubert.

„Igel sind manchmal Schweine“, lacht die 45-Jährige, und jeder habe einen anderen Charakter. Kunigunde war die Erste, mit der ihr Einsatz vor fünf Jahren begann. Verletzungen zu kurieren ist ebenso zeitintensiv wie Igelbabys hochzupäppeln. Alle paar Stunden muss gefüttert, die Verdauung angeregt und kontrolliert werden. Bei der Geburt sind die (zunächst weißen) Stacheln übrigens noch unter der Haut.

Nach ihrer Genesung (zu der von den Gästen gerne auch ein Menü aus Rührei und Katzenfutter genommen wird) sollen die Tiere tunlichst wieder dort ausgewildert werden, wo sie herkommen. Brenda hat das Glück – und Hugo darf mitreisen. Die Rückfahrt geht im Pappkarton mit Zeitungsschnipseln über die Bühne, zwischen denen man sich buchstäblich einigeln kann. In der ausbruchsicheren Wanne wagt Hugo dann den ersten Blick – und „taucht“ direkt wieder ab. Brenda wartet gelassen nebenan in der Duschkabine. Als es dunkel wird, beginnt die Kartonprozession in Brendas „Kindergarten“, wo Öffnungen in die Pappen geritzt werden und Futter ausgelegt wird.

Garten nicht komplett aufräumen

Uhu, Dachs, Marder und Fuchs gehören zu den natürlichen Feinden der Igel. Zunehmend gefährlich wird den ebenso putzigen wie nützlichen Gesellen jedoch der Mensch. Igelfreunde appellieren an Gartenbesitzer, unaufgeräumte Ecken mit Laub und Ästen als Unterkünfte anzubieten, auf insektenfreundliche Bepflanzung zu achten und vor dem Einsatz von Rasentrimmern und Motorsensen die zu schneidenden Bereiche vorsichtig mit einem Rechen abzusuchen. Igel halten ihren Tagesschlaf gerne im hohen Gras, unter Hecken, Büschen und Bodendeckern, laufen bei Gefahr nicht weg, sondern rollen sich ein. Mähroboter, die Käfer, Würmer und Schnecken häckseln, nehmen ihnen nicht nur die Nahrung, sondern sind, wenn sie auch nachts laufen, eine tödliche Gefahr für die Stacheltiere.

Auch Gelbe Säcke, wenn sie nicht erhöht gelagert werden, können zur Todesfalle werden. Auf Nahrungssuche verfangen sich manche Tiere in Joghurtbechern oder finden vor der Abfuhr nicht mehr den Weg aus dem Sack. (kme)

www.pro-igel.de

Die Spannung steigt – auch außerhalb der Kartons. Brenda ist die Erste, die ihre Nase nach draußen reckt und schnüffelnd die Gegend checkt. Offenbar gefällt ihr, was sie riecht; es dauert nicht lange, bis sie ein paar Futterbrocken nimmt und sich ins Gebüsch verkrümelt. Hugo traut dem Braten noch nicht. „Das ist wie beim Menschen, die Frauen sind die Mutigeren“, kommentiert eine Nachbarin.

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Brenda hatte das Glück, dass es in den Tagen, als sie verletzt durch die Gegend lief, kalt war und sich so keine Fliegen auf die Wunde setzen konnten, erklärt die Frau von der Igel-Nothilfe, die immer wieder schlimme Verletzungen sieht, hervorgerufen durch Rasentrimmer und Mähroboter, die Nasen abschlagen oder Beine abtrennen. Viele, die zu ihr gebracht werden, kann sie retten. Manchmal kommt allerdings jede Hilfe zu spät. Und wer nicht gefunden wird, „verreckt elendig“.

Bei Brenda sind die Wunden zwar verheilt, aber offensichtlich hat die horrormäßige Begegnung, die vermutlich unter einer Hecke stattfand, ein Trauma ausgelöst. „Manchmal schreckt sie schreiend aus dem Schlaf hoch, obwohl sie keine Schmerzen mehr hat“, sagt ihre Retterin. Dass jeder Igel einen Namen bekommt, habe nichts mit Vermenschlichung zu tun, sondern diene der Dokumentation für die Tierärztin. Kaum waren Brenda und Hugo ausgezogen, bekam die Ehrenamtlerin schon den nächsten Notfall angeliefert: Ein Igel, der mit einem Vorderbein in einer Rattenfalle eingeklemmt war.

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