Kandidaten im StreitgesprächReichlich Zündstoff vor Stichwahl in Kürten

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CDU-Kandidat Marc Beer ist Herausforderer bei der Stichwahl in Kürten.

CDU-Kandidat Marc Beer ist Herausforderer bei der Stichwahl in Kürten.

  • Am 27. September treten der amtiernde Bürgermeister Willi Heider (parteilos) und sein Herausforderer Marc Beer (CDU) in einer Stichwahl um das Bürgermeisteramt von Kürten gegeneinander an.
  • Bereits 2014 ging es für die beiden Kandidaten in die Stichwahl. Damals gewann Willi Heider das Bürgermeisteramt.
  • Vor der Wahl haben sich Guido Wagner und Claus Boelen-Theile mit den beiden Anwärtern auf ein Streitgesrpäch getroffen.

Kürten – Es ist nicht zum ersten Mal, dass die beiden in einer Stichwahl gegeneinander antreten: Wie bereits bei der Bürgermeisterwahl 2014 geht es für Willi Heider (parteilos, 62) und Marc Beer (CDU, 46) am 27. September um das Kürtener Bürgermeisteramt, in das Willi Heider vor sechs Jahren eingezogen ist. Mit den beiden Kandidaten, die sich seit Jahren kennen und per Du sind, haben Guido Wagner und Claus Boelen-Theile gesprochen.

Herr Beer, warum glauben Sie, dass die Stichwahl diesmal anders ausgeht als 2014?

Beer: Ich geh’ immer positiv in solche Situationen. Und, Willi, das ist es jetzt nicht auf dich gemünzt, sondern hängt vielleicht mit dem Amt zusammen, aber 52 Prozent der Wähler waren nicht einverstanden, wie es in Kürten gelaufen ist. Und dann ist es ja eine einfache Rechnung, die man aufmachen kann.

Heider: Ob man sagen kann, 52 Prozent sind mit der Arbeit des Bürgermeisters und der Verwaltung nicht einverstanden, weiß ich nicht. Dass ich bei fünf Kandidaten im ersten Wahlgang fast die Hälfte der Stimmen bekommen habe, zeigt, finde ich, nicht, dass die Menschen unzufrieden mit meiner Arbeit oder der der Verwaltung waren.

1. und 2. Wahlgang

Bei der Bürgermeisterwahl am 13. September erhielt Amtsinhaber Willi Heider (parteilos) 48,76 Prozent (4794 Stimmen). Auf Marc Beer (CDU) entfielen 24,92 Prozent (2450 Stimmen). Zur erforderlichen 50-Prozent-Mehrheit fehlten Willi Heider 122 Stimmen. Am 27. September treten beide in einer Stichwahl an. (cbt)

Wo sehen Sie die größten Unterschiede zwischen Ihnen beiden als Kandidaten?

Beer: Wir sind uns vielleicht im Menschlichen ziemlich ähnlich, was Politik oder Verwaltung angeht, trennt uns schon einiges.

Was denn?

Beer: Vieles dauert einfach zu lange. Bestes Beispiel ist das Buswartehäuschen in Bechen, da hat es 14 Monate gedauert, bis es stand. Da bauen andere ein ganzes Haus.

Herr Heider, dauert es tatsächlich zu lange im Rathaus ?

Heider: Beim Buswartehäuschen steckt der Teufel im Detail. Da waren Abstimmungen mit der IG Bechen erforderlich. Mir ist es wichtig, da auch die Bürger mit einzubeziehen. Es bringt ja nichts, irgendwas auf die Schnelle da hinzusetzen. Dass es letztlich 14 Monate gedauert hat, ist sehr lange. Aber im Großen und Ganzen arbeitet die Verwaltung gut und effizient.

Beer: Dann die Orga-Untersuchung, die wir mit großer Mehrheit beschlossen haben. Sie hat Defizite aufgezeigt, die Umsetzung dauert einfach zu lange.

Heider: Dass es so lange gedauert hat, war der Krankheit des Gutachters geschuldet, der ein halbes bis ein dreiviertel Jahr ausgefallen ist. Dann kam Corona dazwischen.

Beer: Aber gerade in Corona-Zeiten hätte man das wunderbar aufarbeiten können. Es muss ja auch was für die Bürger und Bürgerinnen herauskommen. Das Einzige, mit Verlaub, Willi, was herausgekommen ist, sind Beförderungen. Die Verwaltung als Dienstleister kommt viel zu wenig raus.

Heider: Gerade die Orga-Untersuchung, bei der die Organisationsstruktur der Verwaltung durchleuchtet wurde, hat klar gezeigt, dass vier bis sechs Stellen zusätzlich zu besetzen sind, um überhaupt die Aufgabenflut bewältigen zu können. Es kommen ja immer neue Aufgaben für die Gemeinde dazu. Vieles kann da jetzt umgesetzt werden.

Beer: Ich meine, es läuft nicht alles rund. Nehmen wir als Beispiel die Großbaustelle der Wasserleitung in Biesfeld, da hätten die Bürger mehr Informationen gebraucht. Solche Sachen ärgern mich. Wir müssen viel mehr Drive in die Verwaltung kriegen. Da muss mehr Dampf in den Kessel.

Heider: Ich denke, gerade in der Corona-Zeit haben wir gezeigt, dass wir für den Bürger da sind. Andere Verwaltungen haben da komplett zugemacht. Wir haben direkt Termine angeboten. Jeder konnte die Mitarbeiter erreichen. Dass sich eine Verwaltung immer verbessern kann, liegt auf der Hand, aber da arbeiten wir auch dran.

Was sind denn die entscheidenden Themen für die Wahl?

Beer: Es gibt nicht das große Thema, eher viele kleine. Das Ehrenamt, sage ich. Da ist leider erst durch Anträge der Politik, auch der CDU, das Bewusstsein gekommen, dass man Vereinen in Corona-Zeiten helfen muss, etwa den Sportvereinen. Sie müssen nachweisen, dass sie Hilfe brauchen, gar keine Frage. Wir müssen diese ganze Ehrenamtsarbeit viel mehr fördern.

Heider: Man kann nun wirklich nicht sagen, dass die Gemeinde das Ehrenamt aus dem Blick verloren hat. Es war mir sehr wichtig, jeden Verein zu unterstützen. Und soweit ich Einladungen der Vereine bekommen habe, habe ich das als Bürgermeister auch wahrgenommen und die Vereine wertgeschätzt in ihrer Arbeit. Zur finanziellen Vereinsförderung: Vor 20 Jahren sind im Zuge der Haushaltssicherung freiwillige Leistungen komplett herausgestrichen worden. In den letzten Jahren sind wir halbwegs in der Lage, solche Leistungen wieder anzubieten. Das ist letztlich auch eine Sache der Politik.

Beer: Entschuldigung, wenn ich hier einhake. Auch der Bürgermeister darf das tun, er darf nicht nur reagieren, er muss auch agieren.

Heider: Bislang sind die Gelder sehr strikt von der Kommunalaufsicht rausgestrichen worden.

Bei der Sportpauschale hat es zuletzt Veränderung gegeben.

Heider: Sie hat es ja vorher auch gegeben, das ist vertraglich geregelt gewesen. In der Diskussion mit den Vorständen der Vereine ist über die Höhe der Förderung gesprochen worden.

Beer: Dann nehmen wir den Punkt Klima und Umweltschutz. Das sind für uns enorm wichtige Themen. Ich glaube, wir müssen alle völlig umdenken. Die Leute wollen nicht mehr, dass auf Teufel kommt raus gebaut wird. Ich glaube, wir sind uns der Verantwortung bewusst, dass wir den Großstädten Entlastung bringen sollen. Aber die Bürger und Bürgerinnen wollen es nicht.

Herr Heider, in Kürten scheint es ja in der Bevölkerung noch ein relativ größeres Einvernehmen auch zu neuen Baugebieten zu geben?

Heider: Wir haben, außerhalb der Corona-Zeiten, regelmäßig Treffen mit allen Vorständen der IGs in den einzelnen Orten. Ich glaube, wenn wir die Verantwortlichen überzeugen, werden Dinge von den Bürgern akzeptiert. Wenn ich nochmal die Gelegenheit dazu bekomme, würde ich als Bürgermeister auch diesen Kontakt weiter pflegen. Wenn wir den Blick für eine maßvolle Entwicklung der Gemeinde verlieren, werden wir in Zukunft Schwierigkeiten mit Infrastruktureinrichtungen wie zum Beispiel Schulen und Kindergärten bekommen.

Ein wichtiges Thema in Kürten ist zurzeit ja auch die anstehende Sanierung der Gesamtschule – für die Gemeinde ein Großprojekt mit einem erheblichen Finanzrahmen . . .

Beer: „Finanzen“ ist mein Stichwort. Ich habe mich die letzten Jahre bei der Jahresrechnung enthalten. Das war kein Misstrauen gegenüber dem Bürgermeister, sondern weil die Finanzplanung meines Erachtens nicht zukunftsorientiert ist.

Was hat das mit der Sanierung der Gesamtschule zu tun?

Beer: Wir konzentrieren uns alle auf die Sanierung der Gesamtschule, aber wir haben auch noch andere Schulen, die in Teilen saniert werden müssen. Dass da keine Rückstellungen gebildet werden, in Zeiten von Millionenüberschüssen, geht in meinen Kopf nicht rein. Jedes Unternehmen freut sich, Überschüsse auszuweisen und macht Rückstellungen. Wenn ich mir die Toiletten in den Turnhallen ansehe, ist das schon eine Katastrophe. Man hört immer: Wir sind dran, das zu erarbeiten. Aber da sind wir drei Jahre dran. Wenn ich für die Toilettensanierung einen Unternehmer beauftrage, geht der eine Stunde durch und hat dann die Kosten der Sanierung. Da brauche ich keine drei Jahre. Lieber Willi, das geht so nicht. In Bechen kann gar nicht mehr warm geduscht werden.

Heider: Das hängt ja mit Legionellen zusammen, und bis vor kurzem waren keine Investitionen möglich.

Beer: Genau, damit fängt es an.

Heider: Man kann nicht einfach Rückstellungen bilden.

Beer: Doch, das kann man, das ist rechtlich möglich. Paragraph 37 der Kommunalhaushaltsverordnung lässt das zu.

Heider: Das ist nur möglich, wenn man konkrete Maßnahmen hat, die in absehbarer Zeit umgesetzt werden.

Beer: So ist es. Konkrete Maßnahmen haben wir genügend.

Heider: Und da kann man die Gemeinde auch nicht mit Unternehmen vergleichen. Unternehmen bilden Rückstellungen, um Steuern einzusparen. Die Gemeinde zahlt keine Steuern. Wir haben in den vergangenen Jahren kontinuierlich die Schuldenlast abgebaut, und von daher sind die Beträge in die allgemeinen Rücklagen eingestellt worden. Sie sind ja nicht verloren.

Als Kämmerer von Lohmar haben Sie, Herr Beer, Schlagzeilen gemacht, weil Sie Projekte gestreckt haben. „Die Aggerbrücke wird noch nicht saniert“ hieß zum Beispiel eine Schlagzeile. Und auch andere Projekte wurden teils um Jahre nach hinten verschoben.

Beer: Das ist richtig, aber selbst mit der Streichung haben wir in Lohmar weit mehr Investitionen in die Infrastruktur als in Kürten. Wir warten in Kürten seit längerem auf eine Liste, wie wir zukünftig die Straßen sanieren können. Eine Straßensanierung kann man auch investiv angehen. Dazu haben wir bislang nichts vorgelegt bekommen. Das sind alles Punkte, die merkt in der Tat auch der Bürger. Jetzt kommt das Hilfsprogramm des Landes, da ist wohl das meiste im Gewerbegebiet Cliev verfrühstückt. Aber das war es ja nicht. Wir haben ja Straßen in Kürten, wenn Sie da drüberfahren, geht Ihnen das Radio aus.

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Heider: Das kann man nicht alles in einen Topf werfen. Jetzt sind wir durch Ratsbeschluss in der Lage, Förderanträge zugunsten der Anlieger für den Straßenbau stellen zu können. Die Maßnahmen sind angemeldet, sie konnten nur zeitlich nicht früher auf den Weg gebracht werden. Natürlich ist noch viel zu tun. Wir haben dem Rat dazu die Vergabe einer kompletten Untersuchung unserer Straßeninfrastruktur vorgelegt. Dann sind wir auch in der Lage, das gezielt Schritt für Schritt abzuarbeiten.

Es gab Zeiten, da haben die IGs in den einzelnen Orten deutlich stärker artikuliert, dass sie die Belange der Bürger von der Politik zu wenig berücksichtigt sehen. Diesbezüglich ist es ruhiger geworden. Ist das ein Beleg dafür, dass die Gemeindeverwaltung die IGs und damit die Bürger heute ganz gut einbindet?

Beer: Das stimmt. Ich hätte mir nur gewünscht, dass auch die Politik in gleichem Maße eingebunden würde. Ich fühle mich in Corona-Zeiten nicht optimal informiert über die Dinge im Rathaus. In Teilen habe ich manches aus der Zeitung erfahren. Der Rat ist auch ein Teil der Verwaltung.

Heider: Es hat zwei Videokonferenzen mit dem Ältestenrat gegeben, die Politik ist immer auf dem Laufenden gewesen. Wenn Informationen in den Parteien nicht weitergegeben werden, liegt das nicht in der Verantwortung der Verwaltung. Meine Tür steht für jede Partei offen, ich informiere alle Fraktionen gleich. Das ist mir sehr wichtig.

Im Wahlkampf ist viel über die Kosten der Gesamtschulsanierung gesprochen worden.

Heider: Alle Projektkosten sind jederzeit nachlesbar, die Berechnungen sind transparent. Mehr können wir nicht machen

Beer: Dafür muss ich in der Tat die Verwaltung loben. Seit der letzten Sitzung sind die Einzelkosten für die Sanierung der Mehrzweckhalle, den Bau der Turnhalle und die Übergangs-Räume auf dem Tisch.

Heider: Wir hoffen auf Fördermittel für Mehrzweckhalle und Turnhalle, drei Millionen Euro für beide Projekte. Der Auftrag aus der Politik ist klar, alle Fördermöglichkeiten sind in Anspruch zu nehmen.

Beer: Ich kann aber nicht einplanen, was ich noch nicht habe. Ein privater Hausbesitzer würde nie so vorgehen.

Was machen Sie, wenn Sie am 27. September nicht gewählt werden?

Heider: Mit 62 ist es keine Schande in den Ruhestand zu gehen. Viele meiner ehemaligen Amtskollegen sind mit 62 schon lange in Pension gewesen.

Beer: Wie bisher, werde ich Kämmerer in Lohmar sein.

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