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Klopfen an der HimmelstürStockhausen-Konzert in Kürten zeigt Transzendenz

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Schlagzeuger Stuart Gerber klopft mit verschiedenen Holzschlägeln an die Himmelstüre, bis sie sich öffnet.

Schlagzeuger Stuart Gerber klopft mit verschiedenen Holzschlägeln an die Himmelstüre, bis sie sich öffnet.

Kürten – „Der Inhalt meiner Stücke war immer religiös, nicht nur bei Werken mit religiösen Texten. Der transzendentale Charakter war und ist immer da“, soll Karlheinz Stockhausen einmal gesagt haben. Im ersten Teilnehmerkonzert der diesjährigen Stockhausen-Tage in Kürten ist diese Aussage offensichtlich. Zumindest beim ersten Stück.

Aus dem Zyklus „Klang“, an dem er bis zu seinem Tod 2007 arbeitete, hörte man die vierte Stunde, die „Himmelstür“, als eröffnendes Stück. Allerdings nicht von einem Teilnehmer, sondern von Stuart Gerber, dem Schlagzeuger, der auch die Uraufführung am 13. Juni 2006 in Italien spielte.

Struktur bleibt musikalisch

Eine Tür mit sechs verschieden klingenden Holzfeldern, vor der eine Bodenplatte liegt, ist das Instrument. Die Geschichte: Ein Schlagzeuger klopft mit verschiedenen Holzschlägeln an die Himmelstüre, bis sie sich öffnet. Dabei geht er durch Stimmungen wie „vorsichtig“, „bittend“, „erregt“ oder „böse“. Gerber spielt dabei mit einer sensationellen Virtuosität.

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Es entwickelt sich jedoch kein lineares Theaterstück, bei dem der Protagonist alles erdenkliche tut, bis sich die Türe schließlich öffnet. Die Struktur bleibt musikalisch. Die Einteilung in zwei mal sieben Gemütsstimmungen prägt den Klang. Nachdem sich die Türe geöffnet hat, verschwindet der Schlagzeuger und spielt auf Tamtams, Becken und Hihats weiter, ein Höllenlärm, bis eine Sirene einsetzt und ein kleines Mädchen (Matilda Schulz) aus dem Publikum kommt und würdevoll durch die Türe geht. Es wird leiser, das Stück endet. Langer Applaus, für diese eindrucksvolle Musik.

Letzter Schliff für Teilnehmer

Auf diesem musikalischen Niveau ging es weiter. Die Teilnehmer der Stockhausen-Kurse sind reife Künstlerinnen und Künstler. Sie lassen sich hier den letzten Schliff für die Interpretation von Stockhausens Musik geben.

So auch Gabriel Jones, der das Klavierstück X aus dem Jahre 1954, in der Überarbeitung von 1961, spielte. In dem Stück werden gegensätzliche Materialien verarbeitet. Dem extremen Tempo steht ein langes Ausklingenlassen gegenüber, hohen Klängen ganz tiefe oder laute extrem leisen. Der Kontrast ist prägend, und Jones vermag diesen in besonderer Wiese zu präsentieren. Eine Besonderheit sind die langen „gefärbten“ Pausen. Der Pianist hebt die Dämpfer einiger Tasten, spielt dann kurz andere Töne und in der anschließenden Pause klingen dann die mitschwingenden Saiten des Flügels, ehe diese im Nichts entschwinden. Nach Herbert Henck, einem ausgewiesenen Spezialisten für Neue Musik, geht es Stockhausen darum, Extreme in Verbindung treten zu lassen.

Bewegung und Tanz

Nach der Pause wird „AVE“ gespielt, ein Stück für Bassetthorn und Altflöte. Es stammt aus seiner Oper „Montag“ aus „Licht“ und entstand 1984. Hier interagieren die beiden Solistinnen Laura Faoro (Altflöte) und Roberta Gottardi (Bassetthorn) nicht nur musikalisch, sie bewegen sich, sie tanzen und spielen. Dabei setzen sie Stockhausens Idee um, den Tonraum in Viertel- und Achtelschritte aufzuteilen, satt in die üblichen Halbtonschritte. Sie bringen Zischlaute und Tonsilben hervor und erweitern das Spektrum ihrer Instrumente erheblich. Es scheint keine Grenzen zu geben, alles wirkt spielerisch. Doch Gesten und Musik sind vorgegeben.

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Das Ganze klingt wie eine endlose Melodie, wie eine sich fortspinnende Erzählung, in Töne gegossen. Behutsam unterstützten Kathinka Pasveer und Juan Andrés Verdaguer die Musiker des Abends mit ihrer perfekten, unaufdringlichen Klangregie.

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