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Müll-TourismusKürtener wollen mit Wipperfürther Windelcontainer Geld sparen

Lesezeit 3 Minuten
Nur für Windelsäcke aus Wipperfürth freigegeben sind die Container am Bauhof.

Nur für Windelsäcke aus Wipperfürth freigegeben sind die Container am Bauhof.

Kürten – Ein normaler Vormittag an den Windelcontainern am Wipperfürther Bauhof. Sie sind voll, quellen über, mal wieder. Über Nacht haben die Wipperfürther eine ganze Menge Windeln abgeladen. Nur die Wipperfürther?

Beim Anbieter der Sammelstelle, dem oberbergischen Entsorgungsverband ASTO, ist man überzeugt, dass viele Kürtener Bürger dort ihren Windelmüll und sonstige Sachen für die graue Restmülltonne verbotenerweise abladen. Der Grund liege auf der Hand, sagt ASTO-Geschäftsführer Burkhard Rösner: „Weil in Kürten der Müll gewogen wird.“

Die Kürtener versuchten, über die Wipperfürther Windelcontainer ihre eigenen Kosten zu senken. „Unsere oberbergischen Mitgliedskommunen subventionieren den Kürtener Müll“, ärgert er sich.

Müllbehältnisse überfüllt

Hier ist nicht die Rede von einem kleinen Mini-Windelcontainer am Wipperfürther Baubetriebshof. Vor dem Eingangstor hat der Verband ASTO zehn große Sammelcontainer aufgestellt, jeder mit einem Volumen von 1000 Litern, richtig große Behältnisse. „Nach einem Wochenende sind alle voll, und vieles steht noch vor den Containern“, sagt Rösner. Die Dimension, über die hier gesprochen werden müsse, sei gewaltig.

Die Kürtener Behörden wüssten über die Problematik seit langem Bescheid, der Bergische Abfallwirtschaftsverband BAV als Dienstleister für Kürten ebenso. In Kürten versuchten viele Bürger, auf individuelle Weise Kosten zu sparen. Das Müllwiegen sei das gerechteste System. „Aber es funktioniert nicht.“ Warum sonst lasse nur eine Handvoll Kommunen in NRW den Restmüll wiegen?, fragt Rösner rhetorisch.

Bewegung in der „Müll-Frage“ gibt es auch an anderer Stelle. Schon in seiner Haushaltsrede hatte SPD-Ratsherr Jürgen Schmidt vehement für Veränderungen geworben: „Beim Sonderthema Windelmüll muss nachgebessert werden.“

Entsorgung

Die Abkürzung ASTO steht für Abfall-, Sammel- und Transportverband Oberberg, gegründet 1997 von den Kommunen Bergneustadt, Gummersbach, Waldbröl, Wiehl, Wipperfürth und Marienheide. Diese Kommunen haben die Aufgaben der Abfallentsorgung an den ASTO abgetreten. Aufgabe des Verbands ist das Einsammeln und Befördern von Abfällen im Verbandsgebiet.

In Kürten kann der Entsorgungslogistikvertrag, den die Gemeinde mit der Firma Neuenhaus abgeschlossen hat, zum 31. Dezember 2019 mit einjähriger Kündigungsfrist (bis Dez. 2018) beendet werden. (cbt)

Familie, Kranke und ältere Menschen würden stark belastet durchs Windelwiegen. Schmidt kommt auf 350 Windelkinder und 200 inkontinente Personen in Kürten, die mit ihren Windeln ein Drittel bis ein Viertel des gesamten Kürtener Restmülls verursachten.

Gutscheine im Gespräch

In seinen ersten beiden Lebensjahren benötige ein Baby 1000 Kilogramm, also eine Tonne Windeln – was umgerechnet 250 Euro im Jahr an Müllgebühren bedeute. Einen finanziellen Ausgleich könne es mit Gutscheinen geben, mit Babyprämien oder eigenen Windelcontainern. Das Müllwiegen an sich will Schmidt, will die SPD beibehalten. „Es ist gerecht, konkurrenzlos günstig und ökologisch sinnvoll.“ Nur halt bei den Windeln nicht. Auch die Liberalen positionieren sich: Die FDP begrüße die Onlinepetition zur Abschaffung des Müllwiegens, und sie stehe auch der von der CDU angeregten Bürgerfragung offen gegenüber, erklärt der Kürtener Vorsitzende, Michael Becker. Das Müllwiegen sei aus Sicht der FDP „nicht mehr zeitgemäß“, weil es Familien mit Kleinkindern belaste, ebenso wie Haushalte mit pflegebedürftigen Angehörigen.

Durch falsche Sparsamkeit nehme wilder Müll zu, Speisereste landeten fälschlicherweise auf dem Kompost, Grünschnitt in Wäldern. „Das sind alles Fakten, die nicht wegzudiskutieren sind und unsere Meinung bestätigen: Dass Wiegemüllsystem muss weg“, sagt Becker. Fraktionschef Mario Bredow bekräftigt: „Durch das Wiegen werden die belastet, die es am schwersten in unserer Gesellschaft haben.“ Familien und pflegende Angehörige würden bei einer Systemumstellung entlastet.

Die angespannte Haushaltslage verhindere seit 2001 Zuschüsse zur Windelentsorgung, bedauert Bürgermeister Willi Heider. Zuletzt habe die Gemeinde im Jahr 2000 etwa 7 900 Euro bereitgestellt. Die Betroffenen über die Abfallgebühr zu entlasten, sei als Quersubventionierung untersagt.

Der Kürtener Hauptausschuss berät morgen, 16.30 Uhr, über den Antrag der CDU, eine Bürgerbefragung zum Wiegesystem durchzuführen.

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