Drohnen, InfrarotSo retten Odenthaler Rehkitze, bevor der Mähdrescher sie tötet

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48 Rehkitze konnte der Verein Wildtierrettung Rhein-Berg e.V. im vergangenen Jahr schon retten.

Odenthal – Sie machen sich fast unsichtbar; tief hineingeduckt zwischen hohe Wiesengräser liegen im Frühjahr Rehkitze in ihrem Versteck. Doch was jahrhundertelang eine gute Überlebensstrategie war, ist in Zeiten motorisierter Mähdrescher zur tödlichen Gefahr geworden.

Jahr für Jahr werden tausende junger Kitze bei der ersten Mahd ab Mitte April übersehen, von den Messern der großen Maschinen getötet oder grausam verstümmelt. Um diese Tragödien auf den Feldern rund um Odenthal zu vermeiden, haben Landwirte, Jäger und Naturschützer im August 2021 den Verein Wildtierrettung Rhein-Berg gegründet.

Der Tod von Rehkitzen soll verhindert werden

Zu ihnen gehören auch Judith Hecker und ihr Sohn Benjamin Severin-von Polheim. „Das Bild eines zerstückelten Kitzes ist einfach grauenhaft“, sagt Judith Hecker. Ein fürchterlicher Anblick auch für eine passionierte Jägerin wie sie. „Das ist Tierleid, das verhindert werden kann.“

Aber auch für Landwirte sei die Situation belastend. „Die fahren über ein Meer von Gras und sehen die toten Tiere oder das, was von ihnen übrig ist, oft erst, wenn sie das Gras wenden oder schon Milane und Bussarde über dem Feld kreisen.“

Drohnen suchen die Wiesen aus der Luft ab

Um den Tod in der Wiese zu verhindern, setzt der Verein auf die Hilfe einer Drohne mit Wärmebildkamera. Aus einer Höhe von 50 Metern sucht das Gerät am Morgen vor der Mahd systematisch die Wiese ab. „So können wir sehr schnell erkennen, an welcher Stelle ein Kitz, manchmal auch ein Hase liegt, sagt Benjamin Severin-von Polheim.

Für diesen Zweck hat der hauptamtliche Feuerwehrmann extra den großen Drohnen-Führerschein gemacht. Er navigiert die Helfer durch das hohe Gras bis zum Nest. „Ohne Drohne hätte man da kaum eine Chance“, sagt von Polheim. „Manchmal tritt man schon fast auf dem Kitz, bevor man es sieht.“

Handschuhe verhindern, dass das Kitz später nach Mensch riecht

Mit Handschuhen und viel Gras wird das Kitz dann geborgen, am Feldrand im Schatten abgelegt und mit einem luftdurchlässigen Wäschekorb geschützt. Handschuhe und Gras sind unverzichtbar, damit das Kitz später nicht nach Mensch riecht und von der Mutter abgelehnt wird. „Die Ricke hält sich im Hintergrund, findet aber ihr Kind wieder“, sagt Judith Hecker.

Die Drohne sei zur Rettung der Tiere das effektivste Instrument, meint ihr Sohn. Althergebrachte Vergrämungstechniken der Jagdpächter und Landwirte, die Tiere mittels Lärm, Licht oder Raubtiergeruch aufzuscheuchen, seien der Drohne klar unterlegen.

2021 konnten 48 Rehbabys gerettet werden

Früher habe man ein bis zwei Hektar am Tag durchsuchen können, mit der Drohne schaffe man zwei bis vier Hektar pro Stunde. Die Rettungsbilanz der vergangenen Saison: 110 Hektar abgesucht und 48 Kitze gerettet. „Im letzten Jahr hatten wir eine Wiese, da waren sieben Kitze drin. Da mussten wir nochmal los und weitere Wäschekörbe holen.“

Wie viele Tierbabys die Helfer retten können, hängt maßgeblich von der Anzahl der zur Verfügung stehenden Drohnen ab. Bisher verfügt die Wildtierrettung in Odenthal nur über ein einziges dieser Fluggeräte. „Ausgestattet mit der Wärmebildtechnik kostet eine Drohne rund 6.500 Euro“, sagt von Polheim.

Eine zweite Drohne könnte die Zahlen verdoppeln

Mit einem zweiten Gerät könnte man doppelt so viele Tiere retten. Daher sammelt der Verein, der sich heute auch auf dem Parkplatz des Rewe-Marktes im Zentrum präsentiert, gerade Geld für eine zweite Drohne. „Wir suchen auch ehrenamtliche Helfer, gerade auch Drohnenpilotinnen und -piloten oder solche, die es werden möchten“, wirbt der Verein auf seiner Homepage. Die Ausbildungskosten übernehme der Verein.

Land fördert Drohnenkauf

Fördergeld

Etwa 100.000 Kitze, so die  Schätzung,  werden  jedes Jahr in Deutschland durch Mähdrescher getötet. Weil sich  der Einsatz von Drohnen  bei der Tierrettung bewährt hat, fördert das Land NRW wie schon 2021 die Anschaffung entsprechender Geräte.  Insgesamt 100.000 Euro stellt das  Umwelt - und Landwirtschaftsministerium den Kreisjägerschaften zur Verfügung. Gefördert werden maximal 80 Prozent. (spe)

Die Wildtierretter sind im Umkreis von 20 Kilometern um Odenthal im Einsatz. Landwirte können gegen eine Spende diesen Rettungsdienst für Kitze auf ihren Feldern in Anspruch nehmen. „Wichtig ist, dass wir rechtzeitig von der bevorstehenden Mahd auf einer Wiese erfahren, damit wir die Termine gut koordinieren können“, erklärt Judith Hecker (telefonisch unter 0177 64 04 118, weitere Infos auf der Homepage).

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Und dann heißt es für sie und die übrigen Helfer früh aufstehen: Weil die Wärmebildtechnik nur gut funktioniert, wenn der Unterschied zwischen Außentemperatur und Körperwärme möglichst groß ist, klingelt der Wecker schon um 4 Uhr.

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