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Gedenken an Unfallopfer5.000 Motorradfahrer demonstrieren in Altenberg für Rücksicht

Lesezeit 4 Minuten
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In einem kilometerlangen Konvoi fuhren die Motorradpiloten mit Polizeibegleitung vom Verteilerkreis im Süden von Köln zum Bergischen Dom nach Odenthal-Altenberg.

Altenberg – Warm eingepackte Motorradfahrer mit lauten Motoren und beeindruckenden Maschinen steuerten am vergangenen Samstag getreu dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ in Richtung Altenberg. An der 40. Gedenkfahrt der Motorradfahrer von Köln zum Altenberger Dom nahmen an die 5000 Motorradfahrer teil und demonstrierten für mehr Rücksichtnahme im Straßenverkehr.

Auch wenn das Wetter den einen oder anderen dazu veranlasste, das Motorrad doch stehen zu lassen, füllte sich Parkplatz des Altenberger Märchenwalds am Samstag rasch. Motorradfahrer standen in Gruppen zusammen, trafen alte Bekannte wieder und tauschten Geschichten über die nun vergangene Saison aus. Zum Abschluss der Saison zieht die Gedenkfahrt seit Jahren Motorradfahrer aus der Region an, die gemeinsam verstorbener Freunde gedenken. Die Fahrt gilt auch als inoffizielles Saisonende, da einige Fahrer ihre Fahrzeuge für die Wintermonate, also von November bis März, abmelden und so am Samstag ihre letzte Tour unternahmen.

Wer es mit dem Korso bis nach Altenberg geschafft hatte, der konnte am abschließenden Gottesdienst im Bergischen Dom teilnehmen. Unter dem Motto „Herz“ gestaltete Pfarrer Ingolf Schulz eine ökumenische Veranstaltung und bot allen Motorradfahrern die Chance, an verunglückte und verstorbene Freunde zu denken und diese zu würdigen. Hierzu hatte jeder die Möglichkeit, die Namen der ihm bekannten Verstorbenen in eine Liste einzutragen, so dass für jeden eine Kerze angezündet wurde. Passend zum Thema des Gottesdienstes ging die Kollekte an das Projekt „kinderherzen.de“, das versucht, herzkranken Kindern ein Leben zu ermöglichen.

Der Gottesdienst ließ auch sonst das Motorrad nicht außen vor, Pfarrer Schulz hatte im Vorhinein Lieder umgetextet und für den Anlass sogar komponiert. Tatsächlich sorgten Gitarre und Schlagzeug für rockige Töne und erfüllten den gut besuchten Dom.

Schulz sprach in seiner Predigt sowohl die schwierigen Situationen, mit denen sich jeder Biker auf den Straßen konfrontiert sieht, als auch die schönen Seiten des Motorradfahrens an. Seine Texte trafen dabei ins Schwarze, erinnerten die Biker an schöne Erlebnisse und ermöglichten auch den wenigen Gottesdienstbesuchern, die nicht regelmäßig Motorrad fahren, einen Einblick in das Seelenleben eines Bikers: „Ich habe die Welt erfahren – zweimal ’rum und noch viel mehr! Nach Karte, aus dem Bauch – mal kreuz und mal quer. Ich habe die Welt gesehen: Sie ist wirklich wunderschön! Am Rand des Weges stehen tolle Menschen – ich bleibe gerne steh’n.“

Vier Fragen

Vier Fragen an Pfarrer Ingolf Schulz.

Wie ist die Bilanz der vergangenen Saison? Was genau versteht man eigentlich unter einer Motorrad-Saison?

Die Bilanz aus der vergangenen Saison kann leider erst im folgenden Jahr wiedergegeben werden, denn erst beim Gedenkgottesdienst werden Listen verteilt, auf denen die Anwesenden eintragen können, welche Freunde sie verloren haben. Allerdings ist das nicht nur auf diejenigen beschränkt, die in diesem Jahr bei einem Motorradunfall gestorben sind. Wir machen für jeden Kerzen an, hier wird keiner ausgeschlossen.

Was bedeutet das?

Die Saison bezeichnet die Zeit von April bis Oktober, am Wochenende ist für die meisten die letzte Fahrt des Jahres, denn viele melden ihr Motorrad von November bis März ab. Es gibt aber auch ganz viele, die sich nicht abmelden, da die Winter mittlerweile nicht mehr so sind, dass wir nicht mehr fahren können. Ich kann mich noch an das Jahr 1978 erinnern, da sind die Motorradfahrer am Totensonntag im Schneetreiben hier angekommen.

Welche Verbindung haben Sie zum Motorradfahren?

Ich bin kein Heizer, für mich waren Motorräder immer ein Alltagsfahrzeug und kein Spielzeug fürs Wochenende. Ich habe 1976 meinen Führerschein gemacht und habe seitdem immer Motorräder gehabt, daher würde ich sagen, dass mein Erfahrungshorizont mittlerweile relativ groß ist. Ich hatte auch schon einige Unfälle, habe bisher aber immer Glück gehabt und hatte nur einen Kratzer.

Was waren Ihre beeindruckendsten Erlebnisse als Motorradfahrer?

Für mich ist das Highlight, anderen Menschen zu begegnen und irgendwo draußen in der Natur zu sein, am Ende der Welt, dort wo häufig Motorradtreffen stattfinden. Ich habe immer das Gefühl gehabt, beispielsweise auf Reisen, schneller und direkter in Kontakt mit Menschen zu kommen. Man war nicht so abgekapselt, wie in einem Auto. Ein besonderes Ereignis ist für mich immer der Motorradwintertreff, bei dem Verrückte wie ich, bewusst in den Schnee fahren. Solche Treffen finden häufig in Niederbayern statt und dort sind Biker aus ganz Europa vertreten.

Das Gespräch führte Amelie Wolf.

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