Grün statt Grau in OdenthalNRW-Umweltministerin Heinen-Esser besichtigt Musterbeet

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Den versteinerten Vorgarten seines Hauses in Holz hat Torsten Brämer klimagerecht umgestaltet.

Den versteinerten Vorgarten seines Hauses in Holz hat Torsten Brämer klimagerecht umgestaltet.

Odenthal – Den Nachbarn ständig zu zeigen, wie viel Schotter man hat, ist nicht gut fürs Klima – fürs gesellschaftliche ebenso wenig wie fürs natürliche. Dennoch sieht man immer mehr Vorgärten, in denen statt Gras, Erde und Pflanzen, Beton, Kies und Schotter das Bild bestimmen und noch vorhandene Beete mit Folie ausgelegt werden, damit auch ja kein unerwünschtes Kraut die angedachte Ordnung stört. Von Odenthal aus soll den „Gärten des Grauens“, wie sie von Umwelt- und Naturschützern genannt werden, nun der Garaus gemacht werden – mit weltweiter Beachtung und ministerieller Unterstützung.

NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser hatte sich eigens in den Ortsteil Holz aufgemacht, wo Torsten Brämer den Trend umgekehrt und den buchstäblich versteinerten Vorgarten, den er bei seinem Einzug vor zehn Jahren vorgefunden hatte, klimagerecht umgestaltet hat. Der 53-Jährige ist ein Gartenfreak von Kindesbeinen an.

Ministerium hofft auf Signal von Odenthal übers Land

Seitdem sein Uropa ihm in einer Zechensiedlung in Bochum das Gärtnern nahegebracht hatte, hat er immer einen kleinen Grünbereich um sich, notfalls auf Balkon und Fensterbank. Vor sieben Jahren gründete er die Onlinegemeinschaft „Wir sind Garten“, betreibt die gleichnamige Homepage sowie einen Facebook-Account mit mehr als 150.000 Followern aus der ganzen Welt. Vor einem Jahr hat der Sozialwissenschaftler sein Hobby zum Beruf gemacht und ist nun Odenthals erster „Gardening Influencer“.

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Die Ministerin jedenfalls war ebenso angetan von dem Engagement Brämers wie Dezernent Martin Stein als Stellvertreter des Bürgermeisters und Udo Sievering. Der Bereichsleiter Energie bei der Verbraucherzentrale NRW, die mit einem von Heinen-Essers Ministerium geförderten Programm für „Mehr Grün am Haus“ wirbt, hofft, „dass ein kleines Signal von Odenthal übers Land geht.“

Rüdiger Ramme: Garten löst Auto als Statussymbol ab

Denn eins betonten alle Beteiligten: Wer seinen Vorgarten versiegele, müsse nicht nur damit rechnen, dass der Kanal bei Starkregen überläuft, weil das Wasser nicht versickern kann, sondern schädigt auch die Artenvielfalt und das Klima. Den meisten sei gar nicht bewusst, was sie damit anrichten, betonte die CDU-Ministerin. Zwar verbiete das Landesbaugesetz in Neubaugebieten die Versiegelung unbebauter Bereiche und gibt Kommunen die Möglichkeit, entsprechende Satzungen zu erlassen; von Strafen wie erhöhten Abwassergebühren hält sie jedoch nichts.

„Ich bin Kölnerin, ich zwinge meiner Umwelt nicht meinen Willen auf und laufe auch nicht mit erhobenem Zeigefinger durch die Siedlung.“ Sie gehe lieber mit gutem Beispiel voran und gestalte ihren Garten so, dass die Nachbarn sagen „Mensch Ulla, super, so was will ich auch haben.“ Rainer Deppe, Landtagsabgeordneter der CDU, und stolzer Besitzer begrünter Dachflächen, sieht in dem Faible für Grauschleier im Grünen auch eine gesellschaftliche Entwicklung; Agraringenieur und TV-Gärtner Rüdiger Ramme hat gar den Eindruck, der Garten sei dabei, das Auto als Statussymbol abzulösen. Ordentlich aussehen solle er, aber keine Arbeit machen. Um ins Schwitzen zu kommen, gehe man lieber joggen als Rasen zu mähen oder Laub zu harken.

Hochbeete zur Eigenversorgung weiter im Trend

Vom „Garten des Grauens“ zum „Garten des Schauens“ war es ein langer Weg, auf dem sich der Hauseigentümer Brämer vom Gartenexperten Ramme beraten ließ. „Früher wurde der Vorgarten hier gesaugt“, hat der Wahl-Holzer von den Nachbarn erfahren. Als er die Platten vor dem Haus bis auf den Eingangsbereich entfernen ließ, kam darunter verdichteter Schotter zum Vorschein, der sich im Sommer so stark erhitzte, dass selbst Trockenheit liebende Pflanzen keine Chance hatten.

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40 Zentimeter tief musste der Boden ausgekoffert und mit neuer Erde befüllt werden, um aus Grau Bunt zu machen. Brämer und Ramme haben das Stückchen Erde nicht nur dem Klimawandel angepasst, sondern es so bepflanzt, dass der Bereich in zwei Jahren kaum noch Pflege bedarf. Lavendel, Herbstastern, Sonnenhut und Gräser stehen jetzt im Mittelpunkt; zu jeder Jahreszeit soll dem Betrachter etwas blühen und Insekten Nahrung finden.

Auch Hochbeete zur Eigenversorgung sind nach wie vor ein Trend und im Holzer Beispiel-Garten ein Feld, das Ehefrau Simone Kerner beackert, die als Professorin für Modemanagement an einer privaten Hochschule arbeitet. Nach Odenthal hat es das Paar übrigens aus einem simplen Grund gezogen: „Wir wollten dem Laubbläser-Terror in der Leverkusener Waldsiedlung entfliehen.“

Vorgartenwettbewerb

Ein Baustein ist auch der Vorgartenwettbewerb „Pflanzen statt Schotter“, der in Bergisch Gladbach und Kürten auf den Weg gebracht worden ist. Denn Verwaltungen können nicht per Satzung die geschotterten Vorgärten einfach verbieten. Der Gladbacher Erste Beigeordnete Harald Flügge erläutert: Paragraph 8 der Landesbauordnung steht im Wege. Dort wird zwar betont, dass entsprechende Flächen „wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen und zu begrünen und zu bepflanzen sind“. Im Nachsatz, so Flügge, werde auf Erfordernisse einer anderen „zulässigen Verwendung“ hingewiesen. Vor diesem Hintergrund fehle in Nordrhein-Westfalen derzeit die Rechtsgrundlage für eine Anti-Schotter-Satzung. (cbt)

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