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Blick hinter die KulissenDie verborgenen Hallen unter der A4

Lesezeit 4 Minuten
Hallen unter der A4_1

Die verborgenen Hallen unter der A4

  • Klaus Albrecht ist Ingenieur von der Abteilung Brückenbau des Landesbetriebs Straßen NRW.
  • Er hat unserem Autor Guido Wagner die verborgenen Hallen der A4 gezeigt.
  • Aufrecht gehen konnten die beiden nur wenige Meter.

Overath – Die schwere Metalltür ächzt, als Klaus Albrecht sie öffnet. Hinter uns geht es steil hinunter ins Holzbachtal, über uns rattern Lastwagen über die Dehnungsfuge auf die Holzbachtalbrücke der A4 zwischen Overath und Untereschbach – vor uns liegt ein dunkler Gang. Klaus Albrecht zückt seine Taschenlampe. Der Ingenieur von der Abteilung Brückenbau des Landesbetriebs Straßen NRW kennt das Innenleben der Brücke, die bis Ende des Jahres verstärkt und saniert wird – und er weiß auch um ihre Geheimnisse.

Während oben in der Baustellenabsperrung eine Betonpumpe in Stellung gebracht wird, ist er durch eine Tür in der Lärmschutzwand und auf einem schmalen Pfad hinunter unter die Brücke gestiegen und hat eine Tür in dem Betonbau geöffnet, auf dessen Widerlagern die Brücke aufliegt. Aus dem Inneren des Gangs dringt unerwartet warme Luft. Klaus Albrecht leuchtet die Dehnungsfuge ab, die oben auf der Fahrbahn den Übergang von der Rampe auf die eigentliche Brücke markiert. Jeder Lastwagen, der über die Metallabdeckung fährt, lässt es darunter im Gang kräftig donnern.

Lager der Brücke werden regelmäßig überprüft

„Eine 100 Meter lange Stahlbetonbrücke dehnt sich bei einer Erwärmung um ein Grad Celsius um etwa einen Millimeter aus“, erklärt Albrecht. Und die Holzbachtalbrücke ist mehr als 400 Meter lang. Kein Wunder, dass auch die Lager der Brücke regelmäßig überprüft werden. Alle sechs Jahre wird jeder Quadratzentimeter der Brücke von einem Hauptprüfer unter die Lupe genommen, im dritten Jahr dazwischen gibt’s eine weitere Prüfung und jedes Jahr eine Begehung.

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Apropos: Aufrecht gehen kann Klaus Albrecht nur wenige Meter, dann zwingen ihn Schutzabdeckungen in die Knie. Er steckt die Taschenlampe in die Tasche, der Lichtkegel strahlt nun an die Betondecke. Der Ingenieur steigt eine Leiter hinauf, passiert auf Knien einen Durchlass und steht plötzlich in einer riesigen Halle. Flügelkammer nennen Experten diesen Raum. Albrecht leuchtet in eine Ecke. An der Wand sind Buchstaben zu sehen: „I love Heike 1979“, daneben ein Peace-Zeichen, etwas weiter ein Hakenkreuz.

Brücke in Zahlen

1971 ist die Holzbachtalbrücke der A4 errichtet worden.

423 Meter lang ist die Brücke über das Holzbachtal.

22 von 5,74 Meter bis 29,50 Meter hohe Betonpfeiler tragen die Brücke.

80 Elefanten bringen zusammen das Gewicht von 440 Tonnen auf die Waage, dessen Kraft auf jeden der diese Woche neu betonierten Ankerblöcke unter der Holzbachtalbrücke wirkt.

„Früher war das hier noch nicht verschlossen“, sagt Albrecht und stößt mit seinem Sicherheitsschuh gegen einen alten Grillrost, der offenbar von Feiern in den 70ern zeugt. „Bei Velbert habe ich mal eine Brücke begangen, in der offenbar jemand einen Heiratsantrag gemacht hatte“, erzählt der Brückenexperte: „Ein von Teelichtern gesäumter Weg führte durch das Innere der Brücke und mündete in Teelichter, die in Herzform aufgestellt waren.“

Lüftungen werden eingebaut

Die Luft ist stickig. Das soll sich bald ändern. Im Rahmen der Sanierung würden Kernbohrungen durch die Außenwand getrieben und Lüftungen eingebaut, sagt Albrecht und tritt den Rückweg an. Tageslicht und Frischluft tun gut nach einem Ausflug in die Unterwelt der A4.

Auf den Gerüsten unter den Längsträgern der Talbrücke, den sogenannten Stegen, sind mittlerweile mehrere Mitarbeiter einer Spezialfirma damit beschäftigt, die Holzverschalung für Betonankerblöcke zu kontrollieren, die heute gegossen werden sollen. An ihnen sollen später Stahltrossen befestigt werden, die die Brücke verstärken und ihre Lebenszeit um mindestens 20 Jahre verlängern sollen (siehe „Wie eine Brücke verstärkt wird“).

Oben auf der Brücke kontrolliert Bauleiter Michael Czaja den gerade angelieferten Beton, der mit der Betonpumpe durch Schläuche in die Verschalung unter der Brücke gepumpt werden soll. Konsistenz, Schadstoffresistenz und Wasser-Zement-Wert müssen optimal abgestimmt sein, sie entscheiden über Festigkeit und Belastbarkeit der gegossenen Ankerblöcke, an denen später je zwei Stahltrossen befestigt werden.

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Jedes dieser Spannglieder wird mit 2160 Kilonewton belastet. „Das entspricht etwa 220 Tonnen“, erklärt Albrecht. „Auf einen Ankerblock wirkt also die Kraft von 440 Tonnen – oder 80 Elefanten“, sagt der Ingenieur lächelnd und steigt wieder den Pfad hinauf zur A4. Für die nächsten Jahre der Holzbachtalbrücke sollte diese Verstärkung erst mal reichen...

Wie eine Brücke verstärkt wird

Die Ankerblöcke, die in dieser Woche an den Stegen (Trägern) der Holzbachtalbrücke betoniert wurden, sind Teil der Maßnahmen, um die Brücke zu verstärken. An den Blöcken werden an der Außen- und der Innenseite der beiden langen Stege unter der Brücke je zwei Stahltrossen montiert.

„Vergleichen kann man das mit einem Gummiband“, sagt Klaus Albrecht von Straßen NRW und holt neben einem Gummiring einige Zuckerwürfel aus der Tasche. „Das ist der Beton“, sagt der Bauingenieur und legt die Zuckerstückchen neben einander und verbindet sie mit Klebeband. Die Konstruktion ist mäßig stabil, bis Albrecht den Gummiring um die Zuckerwürfel-Reihe spannt: Nun bilden diese einen stabilen Stab. „So ähnlich verstärken wir mit Spannstahl die Brücke.“

Die Verstärkung ist nötig, weil der Verkehr und insbesondere die Menge und das Gewicht von Lastwagen seit dem Bau der Holzbachtalbrücke im Jahr 1971 stark zugenommen hat. 2,4 Millionen Euro investiert der Landesbetrieb Straßen NRW in die Verstärkung und Sanierung der Holzbachtalbrücke.

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