Dauner-Lieb im InterviewBensbergerin neue Präsidentin des NRW-Verfassungsgerichts

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Eng verbunden ist Barbara Dauner-Lieb mit ihrer Lehrtätigkeit an der Uni Köln und ihrem Wohnort Bensberg.

Eng verbunden ist Barbara Dauner-Lieb mit ihrer Lehrtätigkeit an der Uni Köln und ihrem Wohnort Bensberg.

  • Dies ist ein Text aus unserem Archiv. Er erschien ursprünglich am 3. Juni 2021.

Rhein-Berg – Sie ist die neue Präsidentin des NRW-Verfassungsgerichtshofes: Professor Dr. Barbara Dauner-Lieb. Die 66-jährige Juristin lebt in Bensberg. Sie spricht offen über Fragen zu ihrer Wahl, ihre Leidenschaft zu unterrichten, Heimatgefühle und Erinnerungen an die Papierfabrik Zanders.

Wie fühlen Sie sich nach der Wahl in das höchste Richteramt des Landes?

Barbara Dauner-Lieb: Sehr ungewohnt. Das Amt ist eine große Ehre, aber auch eine Verpflichtung. Ich werde gebundener sein und mich an neue formale Abläufe halten müssen. Mein Plan war eigentlich, meine Freiheit zu genießen, unter anderem mit einem langen Urlaub in diesem Sommer.

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Sie hatten sich nicht für das Amt beworben?

Dauner-Lieb: Sicher nicht! Es war ein Politikum. Als plötzlich klar war, dass Andreas Heusch als Kandidat keine Mehrheit mehr hatte, begann die Suche. Das ging alles wahnsinnig schnell, und ich hatte kaum Zeit zu überlegen.

Obwohl Sie ein klares Votum bei der Wahl erhalten haben – 164 von 182 Stimmen – gelten Sie als Kompromisskandidatin. Hat Sie das als Frau gestört?

Dauner-Lieb: Ich bin ein politischer Kompromiss bei dieser Präsidentenwahl, kein Kompromiss in meiner Eigenschaft als Frau. In meiner beruflichen Laufbahn habe ich zum Thema Frau und Feminismus sehr viel erlebt. Es würde ein Buch füllen. Deshalb: Lieber Quotenfrau als gar nicht mitspielen!

Für welche Fähigkeiten werden Sie als Richterin geschätzt?

Dauner-Lieb: Ich kann gut integrieren und Leute zusammenbringen. Jeder weiß, ich bin konservativ, aber nicht parteikonservativ. Liberal mit grünen und rosa Tupfen. Man hört mich.

Der Gerichtshof

In seinem Wirken ist der Verfassungsgerichtshof (VGH) für die Bürger aktiv und wichtig, ist aber fachlich oft schwer zu überblicken. Das richterliche Gremium ist Gericht und Verfassungsorgan zugleich und hat seinen Sitz in Münster. Der Gerichtshof setzt sich zusammen aus der Präsidentin, dem Vizepräsidenten und fünf weiteren Mitgliedern.

Als Verfassungsorgan tritt der Verfassungsgerichtshof gleichberechtigt neben Landtag und Landesregierung und ist diesen gegenüber unabhängig. Sichtbar für die Bürger war der Gerichtshof beispielsweise mit seiner Entscheidung 2019, dass die Stichwahlen bei Kommunalwahlen bleiben. In 2020 waren viele Rechtsfragen von der Corona-Pandemie geprägt. 36 Verfassungsbeschwerden lagen laut Gericht vor, in denen sich Beschwerdeführer gegen die Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen gewandt hatten. (dr)

www.vgh.nrw.de

Ihr Alter ist für Sie kein Thema?

Dauner-Lieb: Null! Mein Leben ist das, was ich mache. An den Ruhestand habe ich bisher nicht gedacht. Und die Vorlesungen an der Uni sind für mich keine stressige Arbeit.

Apropos Uni: Sie sind im Jahr 2019 für Ihre besonderen Lehrideen mit dem Landeslehrpreis ausgezeichnet worden. Was bedeutet Ihnen die Ehrung?

Dauner-Lieb: Mir sind meine Studierenden einfach wichtig. Ich möchte sie auch in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit weiterbringen. Sie sollen kritisch reflektieren und gute Texte schreiben können. Und ich versuche, den jungen Leuten Impulse zum Lernen zu geben.

Was macht den Schwerpunkt Ihrer Lehrtätigkeit im Vertrags- und Gesellschaftsrecht aus?

Dauner-Lieb: Der Examenskurs. Seit zehn Jahren bereite ich zusammen mit zwei Kollegen den gesamten Stoff für das erste juristische Staatsexamen für die Studierenden auf.

Wie ist es für Sie, digital zu unterrichten?

Dauner-Lieb: Ganz unproblematisch läuft es mit den Zoom-Konferenzen. Es ist etwas völlig anderes, als im Hörsaal zu stehen. Ich nehme den einzelnen Studenten via Konferenz mehr wahr, als wenn er in den vielen Reihen der Zuhörer sitzt. Trotzdem fehlt uns allen natürlich die reale Begegnung.

Ist Bensberg Heimat für Sie?

Dauner-Lieb: Total! Mein Mann und ich haben uns 1985 unser Haus gekauft, in dem ich immer noch gerne lebe. Ich gehe jeden Donnerstag auf den Markt, kaufe in den Bensberger Geschäften regelmäßig ein. Ich bin hier wirklich sehr verwurzelt.

Wie haben Sie Ihre Jugend in Bergisch Gladbach erlebt?

Dauner-Lieb: Meine Eltern haben in der Romaney gebaut. Mein Abitur habe ich am Nicolaus-Cusanus-Gymnasium gemacht.

Zur Person

Die Rechtsprofessorin Barbara Dauner-Lieb ist geboren in Hamburg, aufgewachsen in Köln und Bergisch Gladbach. Seit 2000 hat sie den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und Europäische Privatrechtsentwicklung an der Universität zu Köln inne. 2005 bis 2007 war sie Prorektorin und forcierte die Gründung des China-Büros der Uni Köln.

Ein Schwerpunkt ihrer Forschung ist das Familien- und Erbrecht, ihr besonderes Interesse gilt den Familienunternehmen. An den Verfassungsgerichtshof des Landes NRW mit Sitz in Münster ist sie 2006 gewählt worden. 2018 folgte ihre Wiederwahl für eine weitere Amtszeit von zehn Jahren bis 2028.

Die 66-jährige Juristin war mit dem 2017 verstorbenen Professor Manfred Lieb verheiratet. Sie hat mit ihm drei Stiefkinder und einen gemeinsamen Sohn. (dr)

Auch mit der Papierfabrik Zanders sind Sie verbunden. Wie war es für Sie dort zu arbeiten?

Dauner-Lieb: Unfassbar viele Erfahrungen habe ich bei Zanders gemacht. Es fing Anfang der 70er Jahre damit an, dass ich als Schülerin dem damaligen Chef der Feinpapier AG Peter Dauscha in den Sprachen Englisch und Französisch geholfen habe. Ich durfte damals mal seinen Z 1 fahren, als ich gerade den Führerschein hatte. Großartig!

Was war der Z1?

Dauner-Lieb: Z 1 lautete das Kennzeichen und stand für Zanders 1. Es war ein großer Mercedes.

Wie hat sich Ihr Berufsleben dann weiter entwickelt?

Dauner-Lieb: Nach Studium und Promotion habe ich sechs Jahre von 1986 bis 1991 die Rechtsabteilung bei Zanders geleitet und ich hatte Prokura. Ich war die erste Frau in einer solchen Position.

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Was empfinden Sie, wenn bei Zanders nun das Licht ausgeht?

Dauner-Lieb: Das nimmt mich mit. Ich erinnere mich an so viele Details aus Verwaltung und Produktion. Es tut schon weh.

Diese Karriere hat Sie nicht von Ihrem Wunsch abgehalten, zu unterrichten?

Dauner-Lieb: Absolut nicht. Seit mehr als 20 Jahren habe ich den Lehrstuhl für Gesellschafts- und Bürgerliches Recht an der Universität Köln. Ich brenne einfach für diese Arbeit.

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