Prozess in Bergisch GladbachFreispruch für verbotenes Rennen durch Rösrath

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Das Amtsgericht in Bergisch Gladbach-Bensberg

Bergisch Gladbach/Rösrath – Wenn von „verbotenen Kraftfahrzeugrennen“ die Rede ist, denkt man an skrupellose junge Männer, die in gestohlenen oder gemieteten PS-starken Sportwagen mit klangvollen Namen und noch klangvolleren Auspuffen durch die großen Städte rasen oder vor der Polizei flüchten.

Aber nicht an 55-jährige psychisch kranke Arbeitslose, die auf alten Mopeds mit ausladenden Lenkbewegungen über die Bleifelder Berge brettern.

Schuldunfähig, aber aktuell nicht gefährlich

Bernd G. (Name geändert), gelernter Maschinenschlosser aus Rösrath, hat das gemacht - und wurde freigesprochen. Das aber nicht, weil die Justiz plötzlich ihr Herz für Raser entdeckt hätten, sondern weil ein Psychiater ihm einerseits Schuldunfähigkeit bescheinigte, ihn andererseits aber nicht für so gefährlich hielt, dass er eine Klinik-Einweisung empfohlen hätte.

Gestartet hatte Bernd G. seine „Höllenfahrt“ am 24. Juni 2020 um 23.44 Uhr in Rösrath. Seine verwegene Polizeiflucht bei Tempo 60 über Gemeindestraßen und Feldwege scheiterte aber und er kassierte eine Anzeige: für die rücksichtslose Fahrweise und weil er ohne Führerschein, aber unter Cannabis-Einfluss gefahren war.

Alkohol und Marihuana

Knapp vier Wochen brauste erneut auf einem motorisierten Zweirad durch die Kleinstadt, dieses Mal mit 1,88 Promille. Als die Polizei seine Wohnung durchsuchte, fand sie 19 Gramm Marihuana sowie einen Joint.

Über seinen Verteidiger ließ Bernd G. die Vorwürfe umgehend einräumen, wobei der Jurist darauf hinwies, dass G. in einem Fall auf einem nur 1,5 PS starken Moped von 1957 unterwegs gewesen sei. Wichtiger als die PS-Zahl war allerdings der Sachverständige: Er bescheinigte eine schwere und langjährige seelische Störung mit schizomanischen und schizodepressiven Episoden.

Gehobene Stimmung und Größenideen

Kennzeichen einer schizomanischen Episode ist eine gehobene Stimmung, die von ausgeprägtem Selbstbewusstsein und Größenideen begleitet wird, und in einer solchen Phase habe sich der Angeklagte zur Tatzeit befunden. Über ausreichende Impulskontrolle und Steuerungsfähigkeit habe er nicht mehr verfügt und sei als schuldunfähig anzusehen.

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Die Krankheit werde bleiben, so der Gutachter weiter, der Angeklagte sei aber zu seiner Mutter in den Westerwald gezogen. Noch wichtiger als deren Fürsorge sei, dass Bernd G. dort im ambulanten Betreuten Wohnen sei und überdies eine Psychiaterin ein Auge auf ihn und seinen Medikamentenspiegel habe.

Schizomanische Episoden kommen nicht über Nacht

Daher, so der Gutachter, sei nicht davon auszugehen, dass sich unbemerkt neue, womöglich gefährliche schizomanische Episoden entwickelten: „Das passiert nicht über Nacht, sondern kündigt sich an.“ Auch spreche der Erfahrung dafür, dass die manischen Episoden im Alter seltener würden. „Insofern ist die medizinische Prognose positiv“, schloss der Gutachter.

Dem Urteil des Psychiaters schloss sich das Gericht an. Bernd G. wurde freigesprochen, gleichwohl wurde eine 18-monatige Führerscheinsperre gegen ihn ausgesprochen. Die „Hummel“, das Moped von 1957, wurde eingezogen.

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