Rhein-BergRainer Deppe erlebt an seinem letzten Tag im Landtag ein politisches Beben

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Rainer Deppe nach seiner letzten Rede. Auch Reul und Heinen-Esser applaudieren.

Rainer Deppe nach seiner letzten Rede. Auch Reul und Heinen-Esser applaudieren.

  • Guido Wagner hat Rainer Deppe an seinem letzten Tag als Landtagsabgeordneter begleitet
  • Zur selben Zeit stand Ministerin Heinen-Esser schwer in der Kritik für ihren Mallorca-Urlaub
  • Eine Reportage über Abschiede

Rhein-Berg/Düsseldorf – Dass es nicht nur seine letzte Rede im Landtag nach 17 Jahren als rheinisch-bergischer Abgeordneter sein würde, sondern der Tag auch ein ganz anderes politisches Beben mit sich bringen würde, das ahnte Rainer Deppe am Donnerstagmorgen noch nicht. Um acht Uhr steht er an der Sicherheitsschleuse des Landtags an.

Dass er das Gebäude vor nicht mal sechs Stunden verlassen hat, weil das Plenum rekordverdächtig bis nach 1 Uhr in der Nacht getagt hatte, lässt sich Rainer Deppe nicht anmerken. Die Nacht über ist der Politiker, der seit dem Tod von Holger Müller Rhein-Bergs einziger Abgeordnete in Düsseldorf ist, in der Landeshauptstadt geblieben, hat im Hotel übernachtet, um sich die Heimfahrt nach Overath zu sparen.

Früh da sein will er wegen der ökumenischen Andacht, zu der in Sitzungswochen donnerstags früh eingeladen wird. Heute gibt’s einen besonderen Segen für die ausscheidenden Abgeordneten, zu denen neben Deppe auch seine Frau Margret Voßeler-Deppe gehört, die direkt gewählte Abgeordnete im Kreis Kleve ist. Beide genießen die Momente der Besinnung im Andachtsraum, für dessen Einrichtung Deppe lange gekämpft hat.

Alles zum Thema Herbert Reul

Nur der Praktikant kommt nochmal ins Büro

Viel Ruhe ist nach der Andacht nicht mehr. Der 65-Jährige holt sich ein Brötchen auf die Hand und eilt in sein Büro im sechsten Stock. „Schöne Aussicht, aber leider auch weit weg vom Sitzungssaal“, sagt er augenzwinkernd. Noch bevor der Tee aus der kleinen Schrankküche fertig ist, ruft der Sitzungsbeginn. Deppe schließt das Büro ab. Es ist bereits halb verwaist. Sein Büroleiter Benjamin Möller hat bereits eine neue Stelle angetreten, lediglich Politikstudent Tobias Thelen aus Bergisch Gladbach, der zurzeit ein Praktikum bei Deppe absolviert, wird später noch ins Büro kommen.

Im Eilschritt geht’s ins Plenum. Der Vormittag steht dort ganz im Schatten des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur „Hochwasserkatastrophe“, der seinen Zwischenbericht vorlegt. Die Opposition fordert den Rücktritt der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, Ursula Heinen-Esser (CDU), weil diese kurz nach der Flut zurück in ihren Urlaub auf Mallorca geflogen ist und dort unter anderem mit Kabinettskollegen den Geburtstag ihres Mannes gefeiert hat, während daheim Flutopfer um Angehörige trauerten.

Heinen-Esser schloss Rücktritt zuerst aus

Als Rainer Deppe in einer Sitzungspause kurz in sein Büro will, wird er von Kameras und Journalisten vor dem CDU-Fraktionsgeschäftszimmer überrascht. Er bleibt stehen. Offenbar eine eilig anberaumte Pressekonferenz. Ministerin Heinen-Esser kommt, erklärt, sie könne verstehen, dass ihr Flug nach Mallorca als „unsensibel“ gewertet werde. Ob sie zurücktreten werde, wollen Journalisten wissen. Die Politikerin spricht von den großen Aufgaben, die aktuell zu bewältigen seien. Klartext: Kein Rücktritt.

Rainer Deppe steigt nachdenklich die Treppen in sein Büro hinauf. Als gelernter Landwirt und Umweltpolitiker – in der Fraktion gilt er als der Umweltpolitiker schlechthin – hat er viel mit Heinen-Esser zu tun gehabt. Ihr sei gelungen, was vor ihr kein NRW-Umweltminister geschafft habe: Umweltschutz und Landwirtschaft an einen Tisch zu bringen, sagt er anerkennend. Wie es jetzt mit ihr weitergehen soll? Deppe zieht die Augenbrauen hoch. Er sei froh, nie vor der Entscheidung gestanden zu haben, Minister zu werden. „Man gibt auch sein Privatleben total auf“, sagt der 65-Jährige.

Mehr als 400 Termine pro Jahr wahrgenommen

Viel weniger gearbeitet hat allerdings auch der als bienenfleißig geachtete Abgeordnete wohl kaum. Und das nicht nur in Düsseldorf. Mehr als 400 Termine pro Jahr nahm er auch im Rheinisch-Bergischen Kreis wahr, von Veranstaltungen bis hin zu persönlichen Gesprächen mit Ratsuchenden. „Dass der persönliche Kontakt mit den Menschen in der Corona-Zeit nicht so möglich war, hat mir schon gefehlt“, bekennt Deppe und lächelt: „Dafür gab’s nochmal mehr E-Mails und Anrufe – von teilweise ganz neuen Leuten.“

Der Politiker schaut auf die Uhr. Gleich steht sein Antrag zur stärkeren Förderung von Wald nach den Zerstörungen durch Borkenkäfer und Hitze in den vergangenen Jahren im Plenum an – und seine letzte Rede. Das Thema hat sich Deppe selbst ausgesucht, weil ihm der Wald am Herzen liegt. Ruhig geht er eine Viertelstunde später ans Rednerpult, spricht von der Bedeutung des Waldes unter anderem zur Speicherung von Wasser und CO2 , plädiert für eine Baumprämie, die den Waldbau auf Basis der jeweiligen Speicherung von CO2 fördert.

Auch Innenminister Reul applaudiert

Doch Deppe spricht nicht nur über die Inhalte, die ihm am Herzen liegen, sondern auch darüber, wie wichtig Bürgernähe der Politik ist. „Je stärker jede und jeder von uns in den jeweiligen Städten und Kreisen verankert ist, desto größer ist die Mitwirkung unserer Bevölkerung an der Gesetzgebung und an der politischen Gestaltung des Lebens in Nordrhein-Westfalen“, plädiert der scheidende Politiker.

Als Deppe schließt, gibt es nicht nur Applaus von der Ministerbank, auf der auch Innenminister Herbert Reul sitzt, der bei der Wahl am 15. Mai als Direktkandidat im Wahlkreis antritt, in dem seit 2005 Deppe direkt gewählt wurde, sondern auch Beifall von den anderen Fraktionen. Markus Dieckhoff (FDP) bedankt sich bei der „lebenden Legende unseres Umweltausschusses“ und auch Norwich Rüße (Grüne) bekennt, dass er Deppe „vermissen werde“, bevor auch die Sitzungsleiterin und Landtags-Vizepräsidentin Carina Gödecke (SPD) das hohe Engagement des Kollegen aus dem Rheinisch-Bergischen würdigt.

Heinen-Esser tritt zurück

Allzu viel Zeit, sich darüber zu freuen, bleibt Deppe nicht. Vor dem Plenarsaal ein paar Worte mit Ministerin Heinen-Esser. Worum es ging? Deppe schweigt. Auf dem Weg ins Büro trifft er Britta Götz, eine der ersten Mitarbeiterinnen, die er in Düsseldorf hatte, damals noch in der Bürogemeinschaft mit dem heutigen CDU-Fraktionsvorsitzenden Bodo Löttgen. Jetzt mit sorgenvoller Miene angesichts der Turbulenzen in der CDU. Eine halbe Stunde später eine neue Pressekonferenz. Ursula Heinen-Esser gibt ihren Rücktritt bekannt. Auch wenn er nicht erneut kandidiert, das geht ihm an die Nieren.

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Ob ihm die letzten Tage im Landtag insgesamt schwer fallen? „Ich weiß noch nicht, wie es ohne sein wird. Das war ja mein Leben hier“, sagt er, „aber es war ja meine bewusste Entscheidung. Insofern: für mich gut.“

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