Streit um 7. Biontech-DosisWie das NRW-Ministerium schnelleres Impfen blockiert

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Der  Pfizer-BioNTech wird mit einer Spritze aufgezogen. In Rhein-Berg würde man gerne spezielle Spritzen nutzen, um eine 7. Dosis aus den Ampullen zu bekommen.

Rhein-Berg – Während im gesamten Land um jede Impfdosis gekämpft wird, um mit der Corona-Schutzimpfung schneller voranzukommen, wird ausgerechnet im NRW-Gesundheitsministerium offenbar auch am genauen Gegenteil gearbeitet. Zwar hat ein Ministeriumssprecher der Redaktion am Freitag erneut bestätigt, dass eine Entscheidung über die Verwendung der vom Kreis beschafften Spezialspritzen für das Bergisch Gladbacher Impfzentrum noch nicht getroffen sei, scheint man hinter den Kulissen alles für eine Absage vorzubereiten – mit teils erstaunlichen Argumenten.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) selbst hat diese Woche in der CDU-Landtagsfraktion nach Informationen aus Teilnehmerkreisen bereits keinen Zweifel daran gelassen, dass das Ministerium die Verwendung der Spritzen, mit denen sich laut Leitendem Impfarzt Dr. Hans-Christian Meyer kontinuierlich aus jeder Biontech/Pfizer-Impfstoffampulle die vom Ministerium grundsätzlich genehmigte siebte Impfdosis ziehen ließe, nicht zulassen werde. Dabei wiesen zu diesem Zeitpunkt Mitarbeiter aus Laumanns Ministerium den Sachverhalt nach Informationen dieser Zeitung auch intern als „noch nicht entscheidungsreif“ aus.

Sonderzulassung für Zero-Residual-Spritzen offenbar gar nicht benötigt

Aufhorchen lassen unterdessen zentrale Argumente, die Laumann bei den CDU-Politikern des Landtags bereits für eine Ablehnung ins Feld geführt haben soll. Diese fokussieren sich unter anderem auf die Frage der Haftung, die das Ministerium beim Einsatz der Spritzen im Gladbacher Impfzentrum übernehmen würde. Ein zentraler Punkt ist dabei die medizinproduktrechtliche Bewertung der vom Kreis beschafften Zero-Residual-Spritzen. Nach Angaben des Ministeriums sei vom Hersteller beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Sonderzulassung beantragt worden, diese aber „nicht erteilt“ worden.

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Eine Nachfrage dieser Zeitung bei dem Bundesinstitut in Bonn zeichnet allerdings ein komplett anderes Bild: „Es ist keine Sonderzulassung beantragt worden, weil diese Spritzen eine solche gar nicht benötigen“, erläutert ein Sprecher. Das Bundesinstitut werde lediglich in solchen Fällen aktiv, in denen ein dringend benötigtes Produkt noch keine CE-Zertifizierung als Zugangsvoraussetzung für den Markt habe. „Eine solche CE-Zertifizierung haben die Zero-Residual-Spritzen aber schon und damit auch die Marktzulassungsvoraussetzung für den gesamten europäischen Markt“, so der Sprecher. Das habe man auch dem Hersteller so erläutert. „Sehr überrascht“ zeigte man sich indes im Bundesinstitut darüber, wie dieses Vorgespräch mit dem Hersteller der Spritzen im Düsseldorfer Ministerium offenbar ausgelegt werde.

Recht selektiv scheint man im NRW-Gesundheitsministerium unterdessen auch mit den Antworten des Kreises auf die vom Ministerium gestellten Fragen umzugehen. So wurde Minister Laumann unter anderem dahingehend aus seinem Ministerium gebrieft, dass der Kreis berichtet habe, dass auch mit den vom Land gelieferten Spritzen in 70 Prozent der Fälle eine siebte Impfdosis aus einer Biontech/Pfizer-Impfstoffampulle entnommen werden könne. Nach Informationen dieser Zeitung hatte der Kreis dem Ministerium die Frage unterdessen dahingehend beantwortet, dass es selbst geübtem Personal „nur in 70 Prozent der Fälle“ gelinge, eine siebte Impfdosis aus einer Ampulle zu ziehen, es dem übrigen Personal dagegen sehr schwerfalle, „überhaupt eine siebte Dosis zu entnehmen“.

Wie berichtet hatten dagegen Testreihen des Leitenden Impfarztes Dr. Hans-Christian Meyer mit den vom Kreis beschafften Zero-Residual-Spritzen ergeben, dass mit diesen kontinuierlich die vom Land gestattete siebte Impfdosis aus jeder Biontech/Pfizer-Impfampulle gewonnen werden könne.

Gerade das aber scheint das NRW-Gesundheitsministerium gar nicht für erstrebenswert zu halten. Eine „regelhafte Entnahme“ einer siebten Impfdosis sei bei den Vials (Impfstoffampullen, d. Red.) gar nicht vorgesehen, widerspreche möglicherweise gar den Verträgen auf europäischer Ebene, mutmaßen Ministeriumsmitarbeiter intern.

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Das niederländische Unternehmen, das die Zero-Residual-Spritzen vertreibt, berichtet unterdessen, dass es eine E-Mail von einem Ministerialrat Dr. Kasper aus dem NRW-Gesundheitsministerium erhalten habe, in der angekündigt werde, dass man sich vom Ministerium aus an Vertreter der Europäischen Kommission wenden werde, um die Eignung und die rechtliche Konformität der Zero-Residual-Spritzen für Impfzwecke in Frage zu stellen. Das NRW-Gesundheitsministerium bestreitet auf Anfrage dieser Zeitung „einen Vertreter der EU-Kommission“ zu kontaktieren.

Aber: „Die Prüfung der Eignung und Verkehrsfähigkeit (der Zero-Residual-Spritzen, Anm. d. Red.) dauert derzeit noch an. Das Ministerium steht hierzu im Austausch mit der für den erstmaligen Inverkehrbringer der Spritzen im europäischen Wirtschaftsraum zuständigen Aufsichtsbehörde.“ Die sitzt laut Ministerium in Deutschland. Man wolle nur die „Eignung, Sicherheit und Leistungsfähigkeit der in Rede stehenden Spritzen sowie die ordnungsgemäße CE-Kennzeichnung“ klären und sich „davon überzeugen, dass die Vorschriften über Medizinprodukte beachtet werden“, so ein Ministeriumssprecher am Freitag.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Rainer Deppe, der sich seit Wochen in ständigem Kontakt mit dem Ministerium für die Gewinnung der siebten Impfdosis aus jeder Biontech/Pfizer-Ampulle, aber auch für die Verwendung der vom Kreis beschafften Spritzen einsetzt, wollte sich mit Hinweis auf das noch laufende Verfahren am Freitag nicht äußern. Ebenso wie der Kreis: „Wir haben die vom Ministerium nachgeforderte Konformitätsbescheinigung nach Düsseldorf geschickt und alles getan, was wir konnten, um die Zulassung zu ermöglichen“, so Kreissprecherin Birgit Bär: „Wir gehen davon aus, dass die Sache noch nicht entschieden ist.“

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