„Ein Meilenstein"So bereiten sich Apotheker im Rhein-Erft-Kreis auf Impfungen vor

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Noch testet er nur, aber schon bald wird Bergheimer Apotheker Marcel Burghardt auch impfen.

Rhein-Erft-Kreis – Bettina Pertz spricht von einem „echten Meilenstein, einem historischen Schritt“. Bislang hätten in aller Regel ausschließlich Ärzte die Heilkunst direkt am Menschen ausführen dürfen. „Dazu gehörte auch das Impfen. Dass nun auch wir Apothekerinnen und Apotheker in der Pandemie die Erlaubnis dazu erhalten haben, ist etwas ganz Neues und aus meiner Sicht auch eine gute und richtige politische Entscheidung im Kampf gegen Corona“, erklärt die Inhaberin der Kerpen-Horremer Apotheke an der Post. So ist es für Pertz und viele Kolleginnen und Kollegen im Kreisgebiet denn auch fast schon Ehrensache, die Chance so schnell wie möglich zu ergreifen.

Bis sich die ersten Impfwilligen den Pikser in der Apotheke verpassen lassen können, wird es allerdings wohl noch zwei, drei Wochen dauern. Denn die im gerade erst in Kraft getretenen Paragrafen 20 b des Infektionsschutzgesetzes verankerten Bedingungen sind streng und bringen einen beachtlichen organisatorischen Aufwand mit sich. Dennoch können es viele Apothekerinnen und Apotheker kaum erwarten, zur Spritze zu greifen.

Rhein-Erft-Kreis: 99 Apotheken bei Infoveranstaltung

So schalteten sich prompt rund 1000 Interessenten zu, als die Apothekerkammer Nordrhein Mitte vergangener Woche eine erste große Online-Infoveranstaltung zum Thema anbot. „Es waren auch viele der insgesamt 99 Apotheken in unserem Gebiet vertreten. Auch die ersten Fortbildungsseminare, die inzwischen schon angelaufen sind, waren schnell ausgebucht“, berichtet Nadine Freialdenhoven von der Kerpener Struwwelpeter-Apotheke in ihrer Funktion als Apothekerverbandssprecherin für den Rhein-Erft-Kreis.

Vor dem Spritzen müssen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer büffeln. Mitmachen dürfen nur approbierte Apothekerinnen und Apotheker; für das pharmazeutische Assistenzpersonal bleibt das Piksen tabu. Videoschulungen zum Impfen allgemein und zu Covid-19 im Speziellen, ein Selbststudium am PC sowie praktische Impfübungen in Präsenz stehen auf dem Programm. Zudem muss ein aufs Impfen zugeschnittener Erste-Hilfe-Kurs absolviert werden. Am Ende stehen „Lernerfolgskontrollen“, sprich Abschlussprüfungen. Wer bereits erfolgreich bei einem kleineren Pilotprojekt zur Grippeschutz-Impfung mitgemacht hat, das bis vor kurzem für Apotheker der einzige Weg zum Impfen war, darf ein paar Kapitel überspringen.

Bergheimer Apotheker: Impfung muss einwandfrei ablaufen

„Das ist schon eine ganze Menge Lernstoff. Aber es ist ja wichtig, dass die Sache medizinisch einwandfrei abläuft und dass sich die Impfwilligen guten Gewissens auf uns verlassen können“, sagt Marcel Burghardt, Inhaber der Marien-Apotheke und der Kreis-Apotheke in der Bergheimer Innenstadt. Zudem muss er eine zusätzliche Betriebshaftpflichtversicherung abschließen und geeignete Räume schaffen. Burghardt wird dafür wohl sein Coronatestzentrum im Intro-Einkaufscenter erweitern. Bettina Pertz hat in ihrer Apotheke genug Platz und will Impftermine nach Ladenschluss anbieten. „Das bedeutet für mich zwar Überstunden, aber ich lege Wert auf eine Impfung in einem ruhigen, geschützten Rahmen abseits des hektischen Geschäftsbetriebs.“

Vergütet wird die Impfung wie bei den Ärztinnen und Ärzten mit rund 30 Euro pro verabreichter Spritze. Doch es gehe nicht in erster Linie ums Geld. Vielmehr hoffen Freialdenhoven, Pertz und Burghardt, dass die niedrigschwellige Impfmöglichkeit in der Apotheke viele Zauderer dazu bewegt, sich die Spritze doch noch abzuholen. Man müsse nicht mehr unbedingt in ein Impfzentrum oder zum Arzt fahren , sondern könne die kurze Prozedur unkompliziert in Wohnortnähe hinter sich bringen.

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Zu bedenken sei auch, dass große Teile der Bevölkerung sich nach der dritten vielleicht bald schon eine vierte Spritze verpassen lassen müssten und auf noch längere Sicht vielleicht regelmäßig weitere Auffrischungen bräuchten, so Burghardt. „Wir möchten den Ärzten keine Konkurrenz machen, sondern einfach nur unseren Beitrag leisten, beim nach wie vor ungemein wichtigen Impfen weiter voranzukommen. Und ich kann mir vorstellen, dass viele Ärztinnen und Ärzte ganz froh sind, wenn wir sie ein wenig entlasten.“

Immer wieder werden Impfpässe gefälscht

Auf illegalem Wege versuchen auch Kunden in den Apotheken  im Rhein-erft-Kreis Kreises an digitale Impfzertifikate für die App auf dem Smartphone zu kommen. Die Apothekerinnen Nadine Freialdenhoven, Bettina Pertz und Marcel Burghardt berichten, dass solche Fälle inzwischen an der Tagesordnung seien.

In ihre gelben Impfhefte, die es blanko legal zu kaufen gibt, fügen die Täter gefälschte Aufkleber mit Impfstoff-Chargennummern, gefälschte Unterschriften von Impfärzten und falsche Stempel von Arztpraxen ein. Wenn es klappt, gelangen sie damit in den Apotheken an Papierausdrucke von QR-Impfcodes, die sie anschließend in die App einscannen können. „Manche Fälschungen sind leicht zu erkennen, manche aber auch ziemlich professionell gemacht“, sagt Freialdenhoven. Wenn  etwa Leute ein neues Impfheft vorlegen, in dem nur angebliche Covid-Impfungen notiert sind, gehen bei ihr die Alarmglocken an. „Ich bohre dann nach, um die Schlüssigkeit der Angaben zu überprüfen.

„Neulich kam ein Mann, der sich laut den Daten  bei einer Frauenärtzin hat impfen lassen. Da wird man natürlich hellhörig“, erklärt Marcel Burghardt, der schon mehrfach die Polizei eingeschaltet hat. Auch seine Kerpener Kollegin Nadine Pertz ist empört: „Wer sich den Impftstatus ergaunert, um ins Restaurant oder ins Kino zu kommen, der überschreitet nicht nur die Grenze zur Kriminalität, sondern setzt bewusst die Gesundheit seiner Mitmenschen aufs Spiel.“ Freialdenhoven plädiert für die Einrichtung einer geschützten Datenbank, in der die Apotheken nachsehen können, wer wann wo geimpft wurde. 

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