„Menschlichkeit hilft in der Politik“Amtszeit von Landrat Michael Kreuzberg endet

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Landrat Michael Kreuzberg (CDU) und seine Ehefrau Ellen Thoben-Kreuzberg am Tag der Kommunalwahl im September.

Landrat Michael Kreuzberg (CDU) und seine Ehefrau Ellen Thoben-Kreuzberg am Tag der Kommunalwahl im September.

Rhein-Erft-Kreis – Der scheidende Landrat Michael Kreuzberg (CDU) blickt zufrieden zurück auf seine Amtszeit.

Herr Kreuzberg, am Samstag endet Ihre Amtszeit. Empfinden Sie Vorfreude oder beschleicht Sie Wehmut?

Kreuzberg: Ein bisschen von beidem. Ich habe diese Hauptverwaltungsbeamtentätigkeit sehr gerne ausgefüllt. Insgesamt 21 Jahre sind eine lange Zeit. Rückblickend auf die letzten sieben Jahre als Landrat habe ich zudem viele neue Freunde gewonnen, quer durch alle politischen Farben. Das ist sicher der wehmütige Teil des Aufhörens. Ich freue mich allerdings darauf, mehr für die Familie da zu sein und nicht so termingetrieben zu leben.

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Friedrich Merz will mit 64 Jahren CDU-Parteichef und Kanzler werden, Joe Biden mit 77 Jahren US-Präsident. Sie sind 63 Jahre alt, also eigentlich hätten Sie noch viel Zeit für eine politische Karriere...

Selbstverständlich wäre noch Zeit. Adenauer ist mit 73 Jahren erst Bundeskanzler geworden. Mein intensives politisches Engagement dauert jetzt schon 45 Jahre an. Vor der Zeit im Rhein-Erft-Kreis war ich schon in Köln politisch aktiv, habe Wahlkämpfe geleitet und bei der Kommunalwahl 1994 für die Bezirksvertretung Rodenkirchen kandidiert. Herr Merz hat politisch längere Ausfallzeiten und nicht immer Lust auf politische Arbeit, wenn der Wind mal nicht so günstig steht. Ich habe meine Freude an politischer Arbeit gehabt, und dies in den letzten 27 Jahren mit dem Kopf als Erster im Wind. Da weiß man schon, was man getan hat, und einmal muss auch Schluss sein.

Vergangene Woche sind Sie mit Vehemenz für eine neue Rheinquerung als Tunnel bei Godorf eingetreten. Die großen Themen lassen Sie also noch nicht los?

Natürlich nicht. Nach meiner Zeit als Landrat werde ich sicher als politisch interessierter Bürger das kommunalpolitische Geschehen weiterverfolgen. Noch bin ich ja in den Themen des Rhein-Erft-Kreises, des Rheinischen Reviers und der Metropolregion Rheinland drin. Der Tunnel besitzt aus meiner Sicht prioritäre Wichtigkeit. Wir brauchen diese Rheinquerung unbedingt. Bei der Umsetzung ist Rücksicht zu nehmen auf die Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie.

In Ihrer Amtszeit haben Sie als Mitglied der Kohlekommission die Pläne zum Kohleausstieg mit erarbeitet. Der Kompromiss sieht einen Ausstieg spätestens 2038 vor. Dauert das nicht viel zu lange?

In dem Bericht der Kohlekommission ist ja die Empfehlung enthalten, dass das Ausstiegsszenario alle drei Jahre überprüft wird. Deswegen kann man zu gegebener Zeit Schlussfolgerungen ziehen, ob Vorhaben und Ergebnisse sich besser entwickeln als vorgesehen oder eher schlechter. 2038 stellt das definitive Ende der Braunkohleförderung dar. Wenn sich der Strukturwandel positiv entwickelt, kann es durchaus sein, dass wir schon 2035 oder vielleicht noch früher aus der Braunkohle aussteigen. Wir sehen jetzt schon, dass sich RWE mit Zukunftstechnologien erfolgreich neu aufstellt. Von daher wird die Frage sein, ob das Unternehmen Anfang der 2030er Jahre überhaupt noch genügend Freude daran haben wird, weiter auszukohlen.

Befriedet ist die Situation zwischen Befürwortern und Gegnern des Ausstiegs nicht. Was muss die Landesregierung tun?

Die Landesregierung tut schon viel, zum Beispiel unterstützt und begleitet sie die Zukunftsagentur Rheinisches Revier. Sie hilft uns, möglichst alle 86 von der Zukunftsagentur Rheinisches Revier vorgeprüften Projekte förderfähig werden zu lassen. Zurzeit sind wir in der ausführlichen Phase der Bürgerbeteiligung. Dies stellt ebenfalls einen Prozess dar, den die Landesregierung sehr fördert.

Ihre Arbeit als Landrat wird von Parteifreunden wie auch politischen Gegnern geschätzt. Wie kann Ihr Nachfolger Frank Rock anschließen?

Er soll so unverfälscht bleiben, wie er ist. Mein Nachfolger Frank Rock ist ein sehr empathischer Mensch. Er besitzt die Fähigkeit, gut zuzuhören, hat als derzeitiger Landtagsabgeordneter alle Handelnden in der Landesregierung kennengelernt, was ihm als Landrat – nicht nur im Strukturwandelprozess – den wichtigen kurzen Draht zur Regierung haben lässt. Darüber hinaus ist es aus meiner Sicht wichtig, bei der Arbeit im Kreistag mit allen seinen Mitgliedern, Fraktionen und Gruppen gleichermaßen auf Augenhöhe und fair umzugehen. Das führt, so habe ich die Erfahrung gemacht, zu einem entspannten Miteinander, auch nach streitigen Diskussionen. Wenn man mit der entsprechenden Menschlichkeit, die man selbst praktiziert, darauf hinweist, dass es in kniffligen Situationen wichtig ist, diesen Pfad in einer Sitzung nicht zu verlassen, dann hören die Mitglieder des Kreistages im allgemeinen auch darauf. Mit seiner natürlichen und ihm eigenen Freundlichkeit wird Frank Rock das als Landrat gut umsetzen.

Ehrenring des Kreises für Michal Kreuzberg

In Anerkennung seiner „Lebensleistung“ hat der stellvertretende Landrat Bernhard Ripp am Donnerstag Landrat Michael Kreuzberg den Ehrenring des Rhein-Erft-Kreises verliehen. Kreuzberg, der vorgestern 63 Jahre alt wurde, war sieben Jahre Landrat und zuvor 14 Jahre Brühls Bürgermeister. Die Ehrung im Beisein von Bürgermeister Dieter Freytag, dem neuen Landrat Frank Rock und den Fraktionsvorsitzenden im Kreistag fand nicht zufällig im Max-Ernst-Museum statt. Als Bürgermeister hatte Kreuzberg maßgeblich mitgewirkt, das Museum in Brühl zu bauen. Ripp bezeichnete Kreuzberg als „Vater dieses Museums“.

Einstimmig hatte der Kreistag auf Antrag aller Fraktionen am 10. September beschlossen, Kreuzberg mit dem Ehrenring auszuzeichnen. Ripp lobte den CDU-Politiker als „Brückenbauer“, er habe es verstanden, immer den langfristigen Erfolg im Blick zu behalten. Kreuzberg habe den Rhein-Erft-Kreis in stürmischen Zeiten hervorragend geführt. Ripp betonte, dass Spuren seiner Arbeit bleiben werden und bemühte Sätze von Konrad Adenauer: „Politische Tageserfolge können im Bewusstsein eines Volkes verblassen. Was aber bleibt und weiterwirkt, ist die Kraft und Geschlossenheit einer Haltung, hinter der eine Idee steht.“ (bru)

Die zweite Corona-Welle ist da. Was kann der Kreis tun, um die Menschen zu schützen?

Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Kolleginnen und Kollegen der Kreisverwaltung seit Monaten leistungsstark, kompetent und aufopferungsvoll arbeiten. Denn das, was in der Coronakrise bisher geleistet worden ist und weiter geleistet wird, geht über alle Kräfte, physisch wie psychisch. Jetzt sind wir irgendwo an einem Limit, weil die Zahl der Fälle stetig drastisch steigt. Deswegen unterstützen uns seit diesem Montag 25 Soldatinnen und Soldaten dabei, die Kontakt- Nachverfolgung sicherzustellen. Bisher waren wir immer vor der Lage, dies hat sich durch die enorme Steigerung der Fallzahlen geändert. Teilweise sind unsere Krisenkonzepte sogar zum Modell für NRW geworden. Der Kreis muss dafür sogen, dass die Vorgaben der Landesregierung und des Bundes umgesetzt werden. Aber wir müssen alle darauf achten, dass wir uns nur treffen, wenn es wirklich unbedingt notwendig ist.

Wie kann der Kreis die Wirtschaft unterstützen?

Wir besitzen eine gut aufgestellte Wirtschaftsförderungsgesellschaft, die sich der Bedürfnisse der Unternehmen annimmt. Ohne florierende Wirtschaft und ohne Erhalt und Schaffung von Arbeitsplätzen würden bei uns die Lichter ausgehen. Wir helfen und unterstützen als Kreis bei Beantragung und Umsetzung von Fördermaßnahmen. Der Kreis ist hier begleitend tätig bei allen Fragen, die Unternehmen bedrücken und bedrängen. Beispielsweise können wir im Bürokratiedschungel helfen.

Welche Projekte aus Ihrer Zeit als Landrat schreiben Sie sich auf Ihre Fahne?

Das Wichtigste sind die Ergebnisse der Kohlekommission, dann die Schwarze Null im Kreishaushalt seit 13 Jahren, die Millionen-Investitionen in Ausbau und Unterhalt von Kreisschulen, die Durchführung des Öffentlichen Personennahverkehrs als Kreisaufgabe, die rekordverdächtige Planung für den Neubau der Kreispolizeibehörde in Bergheim, die Wiederbelebung unseres deutsch-französischen Zentrums in Guidel und nicht zuletzt die Landeszusage zur Finanzierung des Campus Rhein-Erft der TH Köln in Erftstadt.

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Was tun Sie am Sonntag, dem ersten Tag im „neuen Leben“?

Am Sonntag werde ich aufwachen und fühlen, ob sich was verändert hat – wovon ich nicht ausgehe. Ich werde an die Kinder denken und mit meiner lieben Frau gemütlich frühstücken. Ab Montag werde ich mich vertieft in meine Aufgaben als Präsident des Zentralen Dombauvereins in Köln einarbeiten und als Senatspräsident der Ehrengarde der Stadt Köln dieser mehr Zeit widmen. Weitere Interessenfelder, besonders auch im politischen Bereich, werde ich mit Sicherheit im Auge behalten.

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